Vitrine 7

Trachten-Modelle

Bauernknecht aus der Stainzer Gegend

 

Der Hut als Marker

Der Bauernknecht aus der Stainzer Gegend fällt wegen seines zuckerhutförmigen Hutes besonders auf. Der „Bullkoglerhut“, üblicherweise aus Lodenfilz, war in dieser auffälligen Form in Teilen der Weststeiermark bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet. Mitunter waren diese Hüte mit Schnüren bestückt – in Zahl und Farbe sollen sie die soziale Stellung und die Besitzverhältnisse der Person angezeigt haben. Die Schnüre für den Hut in der Vitrine wurden in den 1980er-Jahren von einer Museumsmitarbeiterin ergänzt, die auch die Stutzen strickte. Die Joppe kam aus Schladming, das Tuch gehörte einer Bauernfamilie aus Passail, die Pfeife trägt einen Herstellerhinweis aus der Südsteiermark: „M. Knecht, Sausaler Handarbeit".

Bis auf den Hut sind also alle Teile nicht aus der Stainzer Gegend – ein weiteres Beispiel für Gerambs Praxis, Kleidungsteile aus unterschiedlichen Gegenden der Steiermark ohne Scheu zusammenzusetzen und die Trachtenfigurine trotzdem in einer bestimmten Region zu verorten. Hüte signalisierten bereits seit dem frühen Mittelalter die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht. Im Kontext der Herausbildung von nationalen und regionalen Identitäten wurden sie zum Kennzeichen einer bestimmten Region.

Bildinformationen

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Birgit Johler

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Mürztaler Jäger, um 1830

Die Kleidung des Mürztaler Jägers um 1830 war für den Trachtenforscher Viktor Geramb offenbar von besonderem Interesse, zeigte er sich doch damit selbst wie auf einem Foto aus den 1920er-Jahren. Die Lodenjoppe in Frackform, das sogenannte „steirische Frackerl“, und eine Lodenhose mit grünen Tuchverzierungen kamen laut Geramb um 1840 in Mode. Die „Knöpfelhose“ oder „Tschariwarihosn“ war Geramb zufolge die Adaptierung einer Militäruniformhose aus der Zeit der „Befreiungskriege“ gegen die Vorherrschaft Napoleons.

Joppe und Hose waren einst in Besitz der Gastwirtsfamilie Wolfbauer aus Kindberg, ebenso wie der „Erzherzog-Johann-Hut“, der vom Hutmacher Johann Fischl aus Pirkfeld angefertigt wurde. Bis Mitte der 1980er-Jahre hatte der Mürztaler Jäger noch einen Kugelstutzen, der jedoch nach der Neugestaltung 2003 nicht mehr ausgestellt wurde. Es ist anzunehmen, dass auch diese Figurine eine historische Person darstellt, bislang fehlen allerdings Hinweise auf entsprechende Vorlagen.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier

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Grundlseerin, um 1870

 

Die Schwestern Schlömmer

Figurine und Tracht der Grundlseerin wurden in Anlehnung an eine Farbstiftzeichnung von Carl Theodor von Blaas aus dem Jahr 1934 gestaltet, die sich in der Sammlung des Volkskundemuseums befindet. Der damals international bekannte Porträtmaler zeichnete die 22-jährige Martha Schlömmer.

Martha Schlömmer wuchs in unmittelbarer Nachbarschaft zur Familie von Konrad und Anna Mautner am Grundlsee auf. Ihre Zwillingsschwester Flora heiratete 1937 deren ältesten Sohn Heinrich Mathias Mautner. Das junge Paar konnte 1941 nach Amerika fliehen. Gemeinsam mit Anna Mautner gelang es ihm dort, erfolgreich selbstgenähte „Steirische Mode“ zu produzieren. Martha Schlömmer blieb in der Steiermark und heiratete Max Köberl. Sie starb am 25. November 1991.

Volkskundliche Identifizierungen

Für die Tracht der Frauen aus dem steirischen Salzkammergut – ein schon damals in der Volkskunde intensiv beforschtes Gebiet – war laut Viktor Geramb vor allem der sogenannte Salzstockhut charakteristisch: Ein weißer Filzhut mit eingezogenem Zylinderstock und leicht nach unten gebogener Krempe, darunter üblicherweise ein nach hinten gebundenes schwarzes Kopftuch. Der Hut gelangte 1918 durch Ankauf ins Museum und ist wohl das einzige Stück aus dem Salzkammergut. Die restliche Kleidung erwarb Geramb 1934 im Grazer Altwarenhandel. Dass Geramb neben dem Hut und dem aufwendig gestalteten Spenser auch die „feinen Gesichtszüge“ der Grundlseerin als „kennzeichnend“ für die Region beschrieb, weist auf den auch von der Volkskunde unterstützten Wunsch nach Identifizierbarkeit hin – nicht nur über Kleidung, sondern auch über die zu jener Zeit wieder populäre mythische Wissenschaft der Physiognomik. Diese führte das äußere Erscheinungsbild mit dem Charakter zusammen – eine Ansicht, die wenige Jahre später im „Dritten Reich“ in der mörderischen „Rassenhygiene“ aufgehen sollte.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Text

Johannes Maier, Birgit Johler

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Ausseer, um 1870

 

Einer der beiden Pfeiferlbuam

Diese Figurine verkörpert einen der berühmten Ausseer Pfeiferlbuam. Die Musik der Brüder Franz (1819–1882) und Josef Steinegger aus Grundlsee – Holzknechte und Salzarbeiter von Beruf – war bei den Sommerfrischegästen in Aussee und Umgebung sehr beliebt. Der Wiener Maler Matthias Ranftl porträtierte das legendäre Volksmusikduo, das auch in der Haupt- und Residenzstadt nicht unbekannt war: 1853/1854 verbrachten die Brüder auf Einladung der Gräfin Josephine von Wertheimstein den Winter in Wien. Für deren Bekanntheit sorgte auch der Schauspieler, Sänger, Komponist und Zitherspieler Andreas Baumann: 1854 verewigte er sie im Jodlerlied Di zwoa Pfeifabubn.

Für ihre Kleidung hingegen interessierte sich der Volkskundler und Trachtenforscher Konrad Mautner. Er beschrieb ihre Art, die Lederhose über das Knie zu tragen, beziehungsweise die kürzere, jüngere Variante, die ab ca. 1850 in Mode kam und das Knie zeigte. Die Kleidung des Ausseers gehörte jedoch keinem der Steinegger-Brüder. Janker, Lederhose und Weste wurden im Jahr 1936 vom Museum angekauft und als „Ausseer Männertracht um 1870“ inventarisiert. Der „Ausseer Hut“ war eine Neuerwerbung aus der Produktion des „bürgerlichen Hutmachers“ Xaver Satz in Leoben.

Volkskundlicher Schwegelpfeifenhype

Das Instrument der Brüder Steinegger war die Seitl- oder Schwegelpfeife, eine klappenlose Querflöte aus Holz. Mit der Schwegelpfeife verband die Volksliedforschung schon damals traditionelle Spiel- und Brauchformen und popularisierte das Instrument. Denkbar also, dass Viktor Geramb und Alexander Silveri mit dieser Figurine Franz Steinegger verewigt haben, der selbst „Steirische Tänze“ für die Schwegelpfeife aufgezeichnet hatte.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb.:

Matthias Ranftl, Pfeiferlbuam vom Grundelsee, Aquarell abgebildet in: Viktor Geramb (Hg.), Steirisches Trachtenbuch, Bd. 2, Graz 1935, S. 35.

Text

Birgit Johler

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Alter Mann aus dem oberen Murtal, um 1880

 

Josef Schneiber in persona

Mit dem Alten Mann aus dem oberen Murtal ist wohl ein weiterer Akteur aus dem Umfeld des Volkskundemuseums im Trachtensaal verewigt: Sie dürfte Josef Schneiber darstellen, 1908 in St. Gallen in der Steiermark geboren. Schneiber wurde 1932 zum Priester geweiht und war Mitglied im Bund Neuland, wo er auch auf Alexander Silveri traf. In den 1930er-Jahren verrichtete er religiöse Dienste in der Antoniuskirche, war häufiger Gast bei Viktor Geramb und seiner Familie und begleitete diesen zu offiziellen Terminen, etwa beim Landeshauptmann.

Im Jahr 1938, vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, nahm Schneiber an der „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden“ in Graz teil. Diese Gruppe nationalsozialistisch gesinnter Priester forderte eine Annäherung an das NS-Regime und eine Zusammenarbeit von Staat und Kirche. Von der Österreichischen Bischofskonferenz verboten, formierte sie sich daraufhin im „Untergrund“. Im Jahr 1940 absolvierte Schneiber eine Ausbildung zum Sanitätssoldaten. Briefe aus dieser Zeit zeigen, dass er den Fronteinsatz als „Feuertaufe“ kaum erwarten konnte und auch den Glauben an eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und NS-Staat nicht aufgab. Zu einem Kriegseinsatz sollte es allerdings nicht kommen, Schneiber wurde zum Leiter des neu geschaffenen „Seelsorgewerks“ ernannt, für das er bis 1949 im Amt war. Er galt als ein Verfechter und Pionier in der ökumenischen Annäherung der Kirchen bereits vor der Einrichtung des Arbeitskreises. 1958 wurde Josef Schneiber Regens des Priesterseminars in Graz und hielt dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1964.

Nicht nur mit Geramb, sondern auch mit Silveri verband Schneiber eine persönliche Beziehung, die über die gemeinsame Zeit beim Bund Neuland hinausging. Silveri fertigte eine Büste von Josef Schneiber an – und auch seinen Grabstein.


Die Kleidung

Überrock, Schuhe und Hemd stellte Geramb aus der Volkskundlichen Sammlung zusammen. Der knielange Rock besteht aus dunkelblauem Loden und einem Umlegkragen aus Samt. Er wurde 1938 um 8 Schilling erworben und stammt laut Museumsinventar aus der „Obersteiermark“. Die schwarze Hose ist von den Knien abwärts aus Kalbsleder („Irchleder“). Die Langhosen mit ledernen Ansatzröhren von unterschiedlicher Höhe wurden auch als „Stößelhosen“ bezeichnet. Angekauft wurde sie um 50 Reichsmark von einem „Fräulein Capesius“, Oberlehrerin aus Neumarkt, im November 1938. Genauere Informationen zur Herkunft des Objekts sind bislang nicht bekannt.

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Foto 2:

Alina Rettenwander

Text

Johannes Maier

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Landbürger aus Weißkirchen bei Judenburg

 

Wer trägt was und wer ist wer?

Die Figurine des Landbürgers aus Weißenkirchen bei Judenburg gibt gleich mehrere Rätsel auf: Laut Viktor Geramb trägt sie die Kleidung des Engelbert Eibensteiner (1844–1900) aus Weißkirchen – ein wichtiger Mann für die Gemeinde: Eibensteiner war nicht nur Gastwirt und Braumeister, sondern auch Mitbegründer des „Gesang- und Musikclubs“ im Jahr 1863 und einige Jahre lang Bürgermeister. Die Kleidung erwarb das Museum 1914 von Hubert Weizer aus Weißkirchen. Ob sie einst Engelbert Eibensteiner gehörte, ist denkbar, aber nicht belegt.

Welche Bedeutung diese Männertracht, die durch besondere Verzierung auffällt, für die Volkskunde hatte, lässt ein Foto aus dem Archiv vermuten: Das Gruppenbild zeigt Viktor Geramb, seine Frau Frieda (links) und drei weitere Personen in Tracht. Während Geramb die Kleidung des Mürztaler Jägers aus 1830 trägt, präsentiert sich der Mann rechts in der Kleidung des Landbürgers aus Weißkirchen.

Einer Museumsüberlieferung nach soll die Figurine des Landbürgers übrigensden jungen Viktor Geramb darstellen. Oder hat Alexander Silveri hier den Volkskundler und den Bürgermeister in einer Figur verewigt?

Bildinformationen

Figurine

Alexander Silveri

Entstehungszeit

zwischen 1936 und 1939/1940

Foto

N. Lackner/UMJ

Abb. 1:

Gruppe in Tracht: Viktor Geramb, Frieda Geramb, unbekannte Personen, Foto: unbekannt, 1920er-Jahre, Volkskundemuseum/UMJ

Abb. 2:

Engelbert Eibensteiner: gasthof-braeuer.at/geschichte/ (31.10.2022)

Text

Birgit Johler

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