Schaffen und Scheitern

Menschen erkunden und erforschen seit jeher die Natur mit dem Ziel, sich Naturräume anzueignen und sie für ihre Bedürfnisse passend zu machen. Auch an der Mur erscheint die Menschheitsgeschichte als endloser Versuch, den Fluss zu bewältigen und zu beherrschen.

Schrittweise wurde so aus dem Naturraum Mur eine Kulturlandschaft, die sich stets verändert und erneuert: durch kulturelle Verdichtung, technologische Erhitzung, Bildung und Verfall von Wirtschaftszentren sowie durch politische Spannungen, Abweichungen und Umdeutungen.

Bildinformationen

Siedlungen und Städte an der Mur

Schon für die Altsteinzeit lassen sich an der Mur vereinzelt menschliche Spuren nachweisen. Hinweise auf frühe jungsteinzeitliche Siedlungen gibt es im Gebiet um Graz, im Leibnitzer Feld oder in Mureck. Das Leben am Wasser bewährte sich auch in den folgenden Jahrtausenden: Die Mur erlaubt räumliche Orientierung, sie spendet Trink- und Nutzwasser für Menschen sowie Tiere und ist auch eine wichtige Ressource für Ackerbau und Handwerk. Fische und andere Wassertiere bereichern den Speiseplan. Der Fluss ist Barriere, wird zur Verteidigung genutzt und spielte schon früh eine Rolle als Verkehrsweg.

Ein Blick unter Wildoner Erde
Städte an der Mur
Die Handelsgüter
Mur und Stadtsicherung
Sterben in der Mur

Überwinden des Flusses

Brücken sind Zeitdokumente: Sie widerspiegeln das technische Können einer Zeit und beeinflussen Wirtschaft und Mobilität. Ihre Zahl und Zugänglichkeit prägt den Alltag der Menschen. Ob aus Stein, Holz oder Eisen errichtet – Bau und Erhaltung von Brücken waren stets aufwendig und kostenintensiv. Frühe Brücken gab es in Bruck (9. Jh.), in Frohnleiten und in Lantscha bei Leibnitz. Zwischen Frohnleiten und Lantscha gab es bis in das 15. Jahrhundert nur eine einzige weitere Murbrücke – und zwar in Graz. Heute führen allein in der Steiermark mehr als 40 Brücken über die Mur. „Feinde“ der Brücken sind Hochwasser, Kriege – und technischer Fortschritt.

Geschichte einer Brücke
Brücken als "heiße Orte"
Brücken im Winter

Überwinden von Distanz

Als Straßennetze noch schlecht ausgebaut waren, boten Flüsse die Gelegenheit, auch große Distanzen in kurzer Zeit zu überwinden. Dies ermöglichte – auch an der Mur – die Zirkulation von Waren und Menschen, Fertigkeiten und Informationen. Je nach dem Stand der Technik wurden unterschiedliche Fortbewegungsmittel genutzt. Jahrhundertelang haben Schiffe, Flöße und Plätten das Bild der Mur geprägt. Mit der Erfindung der Eisenbahn hat sich dieses Bild verändert und es wurden neue (Handlungs-)Räume erschlossen.

Rollen in der Mur: Murnockerln
Fahren auf der Mur: Schiffe, Plätten, Flöße
Fahren an der Mur: die Eisenbahn

Wassergewalt

Hochwasser sind an Flüssen nichts Außergewöhnliches, doch diese natürlichen Grenzverschiebungen zwischen Land und Wasser sind für den Menschen mitunter katastrophal. Immer wieder zerstörte die Mur Siedlungsraum und Kulturflächen, verwüstete Felder, trug Häuser fort, tötete Vieh und Menschen, löschte ganze Dörfer aus. Dem menschlichen Streben nach Sicherheit stehen Hochwasser diametral entgegen – sie zeigen, wie verwundbar der Mensch ist. Auch deshalb haben sie einen fixen Platz im Gedächtnis der betroffenen Menschen und Gemeinschaften.

Das Hochwasser von 1965
Hoffen auf Gottes Hilfe
Vertrauen in Technik und Wissenschaft
Folgenreiche Eingriffe
Gegenmaßnahmen: Renaturierung

Wasserkraft

Das Mühlrad ist bereits seit der Antike bekannt. In der vorindustriellen Zeit war es vor allem wichtig, um Sägen und Mühlen anzutreiben. Als technische Innovation des 19. Jahrhunderts wurde die Turbinentechnik eingeführt und zur Gewinnung von elektrischem Strom eingesetzt. An der Mur hat sich die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als Phase des Übergangs gestaltet: Alte und neue Formen der Energiegewinnung, Mühlrad und Kraftwerk existierten nebeneinander.

Mühlen und Kraftwerke

Murverschmutzung

Abfallentsorgung in Flüssen hat eine lange Tradition: Schon in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten haben verschiedene Gewerbe die Flüsse und Ufer verunreinigt. Ab dem 19. Jahrhundert wurden industrielle Abwässer mit giftigen, biologisch nicht abbaubaren Substanzen in die Flüsse geleitet. Auch die neu entstandenen Kanalsysteme verhinderten nicht, dass Haushaltsabwässer mehr oder weniger ungeklärt in die Gewässer gelangten. Viele Flüsse entwickelten sich zu offenen Abwasserkanälen, die als ungesunde bzw. gefährliche Orte wahrgenommen wurden. Erst das Flusssterben führte zu einem Bewusstseinswandel und zur Einleitung von Rettungsmaßnahmen.

Verschmutzung

Die gesetzlich geregelte Mur

Privilegien und Verordnungen, Erlässe und Richtlinien, Gesetze und Maßnahmenkataloge: Das Leben an der Mur war immer Gegenstand von Ordnungsversuchen. Wechselnde Autoritäten regelten den Warenverkehr, definierten Mauttarife, garantierten die Schiffbarkeit, entschieden über die Nutzung von Wassertieren, erfanden und löschten Grenzen oder sanktionierten die Verschmutzung des Flusses. Scheinbar gab es an der Mur im Laufe der Jahrhunderte keine einzige Entwicklung, die nicht früher oder später zu einem Gegenstand politischer Entscheidungen werden sollte. Aus jeder Regelung spricht dabei eine Zeit mitsamt ihren spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten, Problemen, offenen Fragen und Neuerungen, die stets zu neuen Regeln führten.

Die Mur als heißer Ort im 20. Jahrhundert

Mitteleuropa im 20. Jahrhundert: Entlang der politischen Konflikte und militärischen Tatorte entstehen Grenzen. Grenzen bestimmen Raum neu: Sie bilden Barrieren und Bruchlinien, durchtrennen Nervenstränge, schicken Städte ins Abseits, schaffen Peripherien. Sie bestimmen über Bewegung und Handlungsspielräume der Menschen. Grenzen bringen neue Namen und Sprachen mit sich, die wiederum von Besitznahme und Aneignung zeugen. Doch Grenzlinien sind auch Brücken, Drehkreuze und Tore in einen anderen Raum. Sie sind Konstrukte auf Zeit, deren Scheitern vorprogrammiert ist: Einmal gesetzt, provozieren sie Abweichung undUnterwanderung. Mit ihrer Auflösung sortieren sich Räume neu.

Brücke in Radkersburg
Doppelbesitz und poröse Grenze
Jugoslawienkrieg und der Grenzkonflikt zwischen Kroatien und Slowenien
Die Mur als innerstädtische Grenze am Beispiel Judenburg: geteilte Stadt
Die Mur als innerstädtische Grenze am Beispiel Judenburg: Übergabe der Kosaken