Heute präsentiert sich das Haus mit seiner breitgelagerten Fassade als weitgehend einheitliche Anlage. Aber der Eindruck täuscht. Ein Haus wie dieses wird nicht einfach „gebaut“, es ist vielmehr „gewachsen“, verdankt sich also ständigem Umbau und mehrfacher Erweiterung, was deutlich billiger kommt als Abbruch und Neubau.
Das gilt für viele Städte der Frühen Neuzeit mit ihren eng gebauten Quartieren. In das Grazer Weichbild greifen seit dem 16. Jahrhundert vermehrt italienische Spezialisten ein, die eine Rationalisierung des Baugeschehens bewirken. Wie eine möglichst kostengünstige Sanierung aussehen kann, die zugleich dem State of the Art entspricht, präsentiert ein vielbändiger Traktat, den der italienische Architekt Sebastiano Serlio mit seinen Tutte le opere d’architettura (Venedig 1584) vorgelegt hat und der zugleich ein regelrechtes Nachschlagewerk ist.
Im Gegensatz zu Michelangelo und anderen Zeitgenossen hat Serlio keine berühmten Bauten hinterlassen, dafür aber umso mehr praktische, zur Lösung von Problemen nützliche Tipps gegeben. Architektur muss man eben nicht immer neu erfinden. Im 7. Buch (S. 170 ff.) heißt es sogar, dass es hier um viel Unvorhergesehenes gehe, das einem Architekten passieren könne („molti accidenti chi possono occorrer al Architetto“), vor allem wenn er vor die heikle Aufgabe gestellt ist, Altes wiederherzustellen („ristorar cose vecchie“).
Vor genau dieses Problem sehen sich die Eggenberger gestellt, als sie 1602 zwei Häuser des 16. Jahrhunderts zusammenlegen und mit Unregelmäßigkeiten aller Art zu kämpfen haben. Ähnlich ergeht es ihren Erben, den Grafen von Herberstein, die zwischen 1754 und 1761 einen durchgreifenden, die heutige Erscheinung wesentlich prägenden Umbau vornehmen. Verantwortlicher Architekt ist der in Wien ausgebildete Joseph Hueber, im Graz jener Zeit der meistbeschäftigte Fachmann. Er steht nicht nur im Dienst von Privatiers – mit dem Hammerherrn von Thinnfeld plant er das gleichnamige Landschloss in Deutschfeistritz nördlich von Graz –, sondern muss auch den Ansprüchen respektgewohnter „Häuser“ entsprechen.
„Häuser“, das sind die ebenso macht- wie prestigebewussten Familien des Landes, in deren Händen die wichtigsten (und einträglichsten) Ämter verbleiben, die fortdauernden Elitestatus beanspruchen und wie selbstverständlich die Spitze der sozialen Pyramide einnehmen. Ein Zustand, den auch ein sich „absolut“ verstehender Fürstenstaat nicht übergehen kann. Zu frisch ist die Erinnerung daran, dass jene Eliten nicht allzu lange zuvor, in Zeiten des Glaubenskonflikts, dem Landesherrn die Stirn geboten haben.
Und so finden sich die prominenten Namen wie ihre Wappen vielerorts wieder. Über dem Individuum und seinem Anspruch steht der Ruhm der Familie, der das verbürgen soll, was aus der Sicht der Zeit den Zusammenhalt dieser Art von Gesellschaft garantiert: Legitimität und Kontinuität. Konsequenterweise treten die Familien als Bauherrn auf und bringen ihre Wappen an prominenter Stelle an. Wer den ersten großen Hof des Anwesens betritt, hat dies sofort vor Augen: Am Giebel des Mitteltraktes prangt, absichtsvoll als point de vue angelegt, das Allianzwappen jener beiden Geschlechter, die auf nachhaltige Weise Landesgeschichte geschrieben haben und denen das Haus sein definitives Aussehen verdankt: das Haus Herberstein als legitimer Erbe des Hauses Eggenberg.