Unser Gamswild

Teil 2 | Wildbiologischen Einteilung

Im 2. Teil über unser Gamswild erhalten Sie Antworten auf viele Fragen.
Zu welcher Familie gehört das Gamswild? Was sind die Hauptmerkmale und wo ist unser Gamswild beheimatet?

Vorkommen

Das Gamswild gehört zur Familie der Hornträger (Bovidae). Hauptmerkmal sind echte Hörner. Diese bestehen aus Knochenzapfen, die von einer Hornschicht umgeben sind. Diese Hörner werden niemals abgeworfen, wachsen jährlich nach.

Innerhalb der Horntiere zählt man echte Gämsen zur Gattung der Rupicaprini oder Gamsartigen. Vor allem das paarige, postcornulare, haselnußgroße Hautdrüsenorgan (Brunftfeigen) ist ihnen eigen.

Diese Brunftfeigen tragen sowohl Geiß wie auch Bock, bei diesem schwellen sie in der Brunft zu Kastaniengröße an.

Bildinformationen

Rupicaprini (Gamsartige) bilden einen Teil der Unterfamilie der Ziegen (Caprinae).
Zum Stammbaum der Gamsartigen gehören drei weitere, noch sehr urtümliche Tiere, nämlich der klein gewachsene GORAL, lebt in den Bergwäldern des Himalaya, der kräftige SERAU, zu finden von Sumatra bis Süd China sowie die SCHNEEZIEGE, beheimatet in Kanada und Nordamerika.

Das uns bekannte Gamswild finden wir in den Pyrenäen, in Kantabrien, in den Abruzzen, zusammengefasst als Südgams (Rupicapra pyrenaica). Die markanteste Erscheinung innerhalb dieser Gebiete bietet die Abruzzengams, wesentlich schlanker als die Alpengams, mit ihrer markanten, fast bunten Winterdecke, den hohen Krucken und ihrer kontrastreichen Färbung am Träger (Krawatte).

Die Nord-Gams (Rupicapra rupicapra) kann in den Alpen, in der Tatra, in den Karpaten, am Balkan, im Kaukasus und im in Süd Ost Asien beobachtet werden.

Eine außerhalb Europas vorkommende Population finden wir in Neuseeland, ein Geschenk von Kaiser Franz Joseph zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er hat in 2 Tranchen, 1907 und 1914, insgesamt 10 aus der Steiermark stammende Gams per Schiff nach Neuseeland geschickt bzw. verschenkt. Von diesen 10 Stück ausgehend wurde ein Großteil der Landoberfläche von Neuseeland bevölkert, mit großen Problemen behaftet, da sich die Population stark ausbreitete und so massiv die Vegetation beeinträchtigte. Es ist kaum vorstellbar, dass die Brunft dort im Mai stattfindet und die Kitze im Dezember gesetzt werden. 

Die Steiermark ist gekennzeichnet von einem inneralpinen Vorkommen, aber auch von Gams die entlang des steirischen Randgebirges südlich der Mur – Mürzfurche, der Koralpe über die Stubalpe, Gleinalpe bis zum Semmering ihren Lebensraum haben. Für viele nicht vorstellbar ist das Gamswildvorkommen im Gemeindegebiet der Stadt Graz, am Plabutsch und vor allem das südlichste Vorkommen einer kleinen Population am Wildoner Buchkogel im Bezirk Leibnitz. Ein Kalksteinberg mit einer maximalen Seehöhe von 550 m Seehöhe.

Merkmale und Körperbau

Das Gamswild ist ein soziales Wesen und man kann an Hand von Aussehen, Körperbau und auch Verhaltensweisen den Sozialklassenaufbau mit viel Erfahrung unterscheiden.

Die Gruppen die man vordergründig unterscheiden kann sind männliche Rudel und weibliche Tiere mit Jungtieren, sogenanntes „Scharwild“.

Doch ist es wirklich so einfach, wie in der Literatur beschrieben, das Gamswild innerhalb der Art zu unterscheiden. Bock oder Geiß, alt oder jung, krank oder gesund …. ? Zu aller erst muss man sich beim Geschlecht sicher sein, aber auch hier kann es zu Unterschiedlichkeiten kommen. Nicht immer ist die Ausprägung der Krickeln, ein wirkliches Unterscheidungsmerkmal, denn weder Auslage noch Höhe sind ein wirkliches Kriterium Bock und Geiß eindeutig anzusprechen. Die Hornschläuche der Böcke sind in der Regel an der Basis stärker und auch im Querschnitt rund, die Hakelung zeigt stärker nach unten.

Die Geißkrucke ist hingegen an der Basis im Querschnitt oval, die Hornspitze neigt sich eher nach hinten. Aber man sollte sich hier nicht täuschen, es kommen auch „bockkruckige“ Geißen und „geißkruckige“ Böcke vor (DEUTZ/GRESSMANN: Gams- & Steinwild; 2001; S 19), das heißt, die Krucke ist noch kein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Wesentlich sicherer ist hier schon die Haltung des Stückes beim Nässen zu unterscheiden, denn die Position des Harnstrahls ergibt hier ein Merkmal das ganz sicher ist. Die Geiß knickt beim Nässen die Hinterläufe ein, der Bock bewegt seinen Körper bei dieser Tätigkeit kaum bis gar nicht. Allerdings ist hier beim Ansprechen natürlich Geduld gefragt, aber es zahlt sich aus um hier ein sicheres Ansprechen zu ermöglichen.

Allerdings gilt diese Regel, so schreibt DEUTZ et al. 2017 nicht immer: „Absolute Sicherheit vor allem bei jungen Tieren bietet dieses Merkmal allerdings erst, wenn auch der Harnstrahl beobachtet werden kann. In diesem Fall ist es bei Kitzen der einzige sichere Weiser für das Geschlecht“. Das bedeutet, dass allein die Körperhaltung bei Kitzen noch nicht aussagekräftig genug ist.

Das sicherste Unterscheidungsmerkmal ist in jedem Fall der Pinsel des Bockes, der, wenn genug Erfahrung beim Beobachter vorhanden ist, auch zu einem gewissen Grad als Altersmerkmal herangezogen werden kann. Die Pinselhaare sind ab dem 3. Lebensjahr im Winterhalbjahr sichtbar, mit 4 Jahren werden sie breiter und im Alter von 6 – 7 Jahren ist dieses Merkmal am besten zu erkennen.  Im reifen Alte von ca. 10 Jahren ist dieses Merkmal wiederum weniger ausgeprägt.

Beim Bock ist ab dem 3. Lebensjahr der Aalstrich deutlich sichtbar, diese langen Leithaare werden nur einmal gewechselt, daher erreichen sie im Winter auch eine beachtliche Länge. Ansätze eines „Gamsbartes“ kann man aber auch bei manchen Geißen entdecken. Der Bart des Bockes ist eine begehrte Trophäe, eher weniger bekannt als Trophäe ist das „Gamsradl“, das aus den wesentlich kürzeren Haaren der Geiß gebunden wird. Den sogenannten Reif des Bartes bilden die pigmentleeren Spitzen der Leithaare am Aalstrich:

Bei den Geißen gilt wie bei allen Schalenwildarten auch noch die Beachtung des Gesäuges, wobei beim Gamswild 4 Zitzen zu erkennen sind, beim Steinwild aber nur 2 Zitzen beim Gesäuge entwickelt sind.

Gams sind Paarhufer, ihre Schalen sind lang und schmal, der Sohlenballen ist elastisch und von harten Hornschalen umgeben. Die gegeneinander beweglichen Schalen werden durch ein starkes, elastisches Band zusammengehalten, das ermöglicht ihnen einen sicheren Tritt im unwegsamen Gelände.

Färbung des Haarkleides

Die Färbung des Gamswildes ist jahreszeitlich sehr unterschiedlich, im Sommerhaar, das kurz ist, eher semmelgelb bis rötlichbraun gefärbt, wobei Zügel, Wedel, Aalstrich und die Rückseite der Lauscher dunkelbraun bis schwarz gefärbt sind, die Winterdecke mit deutlich längerem Haar ist schwarz bis schwarzbraun. Diese dunkle Färbung bringt natürlich Vorteile mit sich, sie können das Sonnenlicht bzw. die daraus resultierende Wärme besser aufnehmen. Im Frühjahr vor dem Haarwechsel erscheint das Haar des Gamswildes auf Grund der hohen UV Einstrahlung wie ausgebleicht.

Die Kohlgams

Es gibt aber auch wiederum eine Ausnahme, die hauptsächlich in der Steiermark in den Niederen Tauern vorkommt, nämlich der „Kohlgams“. Sowohl im Sommer- wie auch im Winterhaar sind diese Tiere dunkel gefärbt. Meist gibt es eine helle Stirnblesse und eine helle Färbung der Innenseite der Lauscher. Sie weisen auch keine helle Bauchseite und auch keine hellen Haare entlang der Läufe auf. Das heißt, das sich vermehrt Melanin in der Haut, aber auch in den Schleimhäuten abgelagert hat.

In der freien Wildbahn werden sie im Rudel nicht immer voll akzeptiert, stehen immer etwas abseits, dennoch ein faszinierender Anblick, wenn wie auf dem ua. Foto der Gamsbock 10 m vor dem Fotografen/Jäger steht.

Verwendete Literatur:
Deck Oliver: Angebirscht 8; in ZS Österreichs Weidwerk, 11/2019; S 30 - 33
Deutz Armin/Greßmann Gunther: Gams- & Steinwild; Graz 2001; 159 S
Deutz Armin/Greßmann Gunther/Grünschachner Berger Veronika/ Filli Flurin : Gams-, Stein- und Mufffelwild; 2017;  215 S
Miller Christine: Abruzzengams – Südliche Schönheit : in Pirsch 18/2014; S 28 – 34
Miller Christine/Corlatti Luca: Das Gamsbuch; 2009;  205 S
Zeiler Hubert: Gams; 2012; 286 S

Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Karlheinz Wirnsberger, Jagdmuseum Schloss Stainz
Dieser Beitrag wurde in der Steirischen Aufsichtsjägerzeitung Nr. 21/2020 veröffentlicht.

Alle anzeigen