Jagd in der Steiermark

Eine Kulturgeschichte

Im konsolidierten Landesrecht Steiermark, in der Fassung vom 15.7.2020 Paragraph 1, Absatz 1, können wir, wie folgt, lesen:
"Das Jagdrecht ist untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden und steht daher dem jeweiligen Grundeigentümer zu. Das Jagdrecht besteht in der ausschließlichen Berechtigung, innerhalb des zustehenden Jagdgebietes Wild unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen in der im weidmännischen Betrieb üblichen Weise zu hegen, zu verfolgen, zu fangen und zu erlegen, ferner dasselbe und dessen etwa abgetrennte nutzbare Teile, wie abgeworfene Geweihe u. dgl., beim Federwild die gelegten Eier, sowie verendetes Wild und Fallwild sich anzueignen."

85 Paragraphen sind notwendig, um die Jagd in der Steiermark in ein rechtliches Korsett zu zwängen und um die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu normieren.
Kann man Angelegenheiten, die sich tagtäglich in der Natur abspielen, und wo es auch um das Töten/Erlegen von Lebewesen geht, einfach in einen Gesetzestext pressen und so die Wertvorstellungen des Menschen der Natur auferlegen?

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Es gibt Schon- und Schusszeiten, Abschussrichtlinien, Abschusspläne, Satzungen einer Körperschaft öffentlichen Rechts und auch eine Disziplinarordnung für alle Pflicht-Mitglieder der Interessenvertretung. Aber, Jagen ist mehr als die letzten fünf Minuten am Hochsitz vor dem Schuss. Jagen ist Zusammenhänge in der Natur zu erkennen, verstehen und nachvollziehen zu können. Wie hat sich das Jagdsystem entwickelt, wer durfte bzw. darf jagen und wo sind die Flächen, auf denen Wild noch geduldet wird? Alles Fragen, die man sich im Zusammenhang mit der Jagd in Österreich bzw. in der Steiermark stellen muss! In Österreich wird im sogenannten Revierjagdsystem gejagt, d.h. die Jagd ist vordergründig dem Grundeigentümer, sofern er Eigentümer einer bestimmten Fläche, in der Steiermark 115 ha, ist, ermöglicht, ist das nicht der Fall, werden die Flächen zu sogenannten Gemeindejagden zusammengelegt, die gepachtet werden können. Aber wie hat sich das Ganze entwickelt?

Zurück zum Anfang

Vor ungefähr 500.000 Jahren tauchen aus Asien kommend die ersten Menschen in Mitteleuropa auf. Während der ersten 490.000 Jahre bildet die Jagd ihre primäre Existenzgrundlage. Erst vor ungefähr 10.000 Jahren (!) – bedingt durch die Einführung einer produktiven Nahrungserzeugung durch Ackerbau und Viehzucht – endet die Vorherrschaft der Jagd als vorrangige Ernährungsquelle. In den folgenden Jahrtausenden entwickelt sie sich mehr und mehr von einem existenziellen zu einem gesellschaftlich-kulturellen Phänomen. In ihrem Wandel bilden sich in Europa wesentliche Aspekte herrschender Machtverhältnisse ab. Diese reichen vom ausschließlichen Jagdrecht einiger weniger privilegierter Jagdherren über die höfische Jagd bis zum im Rahmen gesetzlicher Regelungen herrschenden individuellen Recht jagdhandwerklich geschulter Personen auf die Ausübung der Jagd.

Im frühen Mittelalter dominiert in Europa die Volksjagd. Das Recht zur Jagd war frei und stand jedem Menschen zu. Erst unter den Merowingischen und Karolingischen Königen, also ab dem 8. Jahrhundert, eignen sich die Herrschenden das alleinige Jagdrecht an. Zuletzt lagen alle Rechte in der Hand des Königs. Indem er diese an den Adel weitergab, tauschte er Geld oder Dienstleistungen gegen Prestige und soziales Ansehen. Damit bleiben Bürger und Bauern fast tausend Jahre lange von der Jagd ausgeschlossen. Übertretungen des Verbots werden mit hohen Strafen geahndet.

Aus der mittelalterlichen Herrenjagd entsteht im Barock die verschwenderisch und ausschweifend gestaltete höfische Jagd, die sich zu einem wichtigen Element absolutistischer Repräsentation entwickelt. Unterhaltung und Belustigung bestimmen ihre Organisation und Techniken. Sie befriedigt aber auch die Schaulust des einfachen Volkes.

Höfische Jagd diente nicht dem Nahrungserwerb. Ihr Ziel und Erfolg waren die Inszenierung der Herrschaft in Verbindung mit einer möglichst großen Zahl erlegten Wildes. Hohe Wildbestände waren dafür die Voraussetzung. Die bäuerliche Landwirtschaft hatte unter den Folgen zu leiden: Für die manchmal überhandnehmenden Wildschäden gab es – im Gegensatz zu heute – keinen Schadenersatz. Darüber hinaus musste die ländliche Bevölkerung bei der Jagd auch noch unbezahlte Hilfsdienste, Frondienste oder Jagdrobot, leisten. Kein Wunder, dass die Einstellung weiter Kreise der Bevölkerung zur Jagd bis weit in das 19. Jahrhundert hinein negativ geprägt war.

Dem Wilderer, der sich durch sein Tun gegen die Herrschaft und ihr System auflehnte, gehörten naturgemäß die Sympathien des Volkes.

Reste der höfischen Jagd lassen sich noch in gegenwärtigen Jagdritualen erkennen. Sie reichen über die Ansprache des „Jagdherren“ bis zum „Schüsseltrieb“. Der Anspruch auf Exklusivität wird in der Kleidung und im Pflegen einer seit dem Mittelalter entstandenen eigenen Begrifflichkeit („Jägersprache“) bestimmt.

Jagd und Naturromantik

Für die Entstehung der heutigen Konzeption der Jagd entscheidend ist die im späten 18. Jahrhundert in Europa aufblühende Naturromantik. In Literatur und Kunst entwickelt sich ein Gefühl für die Einheit von Mensch und Natur, wobei eine individualistische Naturerfahrung eine zentrale Rolle erhält. Diese neue Sichtweise setzt im Laufe des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas der höfischen Jagd als naturferne Inszenierung von Repräsentation und gesellschaftlicher Lustbarkeit ein Ende. Es entsteht das romantische Bild des die Einsamkeit suchenden, im Einklang mit der Natur lebenden Jägers. Als „Königsdisziplin“ gilt nunmehr die Gebirgsjagd mit all ihren Gefahren und Mühen.

Schrittweise verliert der Adel das ausschließliche Vorrecht zur Ausübung der Jagd. Seit 1818 konnten Bürger und Bauern bereits eine Jagd erwerben bzw. eine solche pachten. Als Folge der Revolution der Jahre 1848/1849 wird die Jagd als direkt mit Grund und Boden verbunden anerkannt und damit unabhängig von der gesellschaftlichen Stellung des Eigentümers. Diese Veränderungen erforderten die Entwicklung neuer Normen und der Schaffung einer Gesetzgebung, die den neuen Verhältnissen entsprach. Auf ihnen basiert das heutige allgemeine Jagdrecht. Jeder darf jagen, der eine Jagdprüfung ablegt, besagt das Gesetz.

Der Erzherzog und die Jagd

In der Steiermark spielt der habsburgische Erzherzog Johann eine führende Rolle in der Entwicklung eines durch die Romantik geprägten Jagdverständnisses, waidmännischen Handelns und einer neuen Gesetzgebung. Die Jagd bedeutete ihm Frieden, Stärke und Erholung. Natur und bäuerliche Bevölkerung im Gebirge waren ihm stets ein Rückzugsgebiet, abseits von politischen Wirren und Sorgen. In seiner Kleidung spiegelt sich dieser Wandel, der zur verbürgerlichten Jagd führt: An Stelle prunkvoller barocker Gewänder trägt er eine aus bäuerlichen Vorbildern entwickelte schlichte Kleidung aus einfärbigem Leder und Loden. Damit prägt er eine bis heute reichende Tradition der Jagdkleidung, die um 1900 der Bauer ebenso wie der Kaiser trägt.

Erzherzog Johann wirkte aber auch durch sein Jagdverhalten in seiner Zeit vorbildhaft. Rücksichtnahme auf Geschlechtsverhältnis und gesunde (?) Auslese der Wildtiere und Pflege des Lebensraums prägten sein Handeln. Die Jagd war grundsätzlich dem Adel vorbehalten und so auch vom gemeinen Volk eher gehasst, da teilweise zu hohe Wildbestände auch zu hohen Wildschäden im Bereich der ohnehin kargen landwirtschaftlichen Erträge führten. Das wiederum hatte unangenehme Auswirkungen auf die Jagd, denn ab 1848 war für eine gewisse Zeit ein Vakuum eingetreten und öffnete so viele Möglichkeiten für Wilderei. Darunter litt auch der Gams- und Rotwildbestand in den Revieren von Erzherzog Johann, die er in der Umgebung des Brandhofes neben seinen eigenen Revieren auch von den Bauern rund um Mariazell gepachtet hatte. Das Flächenausmaß seiner Jagdreviere, Eigentum inklusive Zupachtung, betrug damals rund 30.000 ha.

Sein Anliegen war es nun, den Bestand durch Neuregelungen mittels Reviersystemen und sogenannten Berufsjägern, teilweise rekrutiert aus Wildschützen, wiederaufzubauen. Er ließ zum Beispiel nur bestimmte Revierteile bejagen und stellte sie danach wiederum mehrere Jahre unter „Schutz“, sodass es dort keine Beunruhigung gab und sich der Bestand wieder erholen konnte. So ist die Region im Bereich des Hochschwabes auch heute noch ein ausgesprochenes Kerngebiet für das Gamswild und hoffentlich bleibt dieser Region diese Wildart in diesem Ausmaß auch noch lange erhalten.

Rehe und Hirsche

Die Hauptwildart in der Steiermark, die eigentlich flächendeckend bis in hohe Regionen vorkommt, ist das Rehwild, ein kleiner Trughirsch aus der Familie der Cervidae. Das Reh, das bis in das 19. Jahrhundert in der Steiermark eher selten vertreten war, hat seinen „Erfolgslauf“ eigentlich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert begonnen, hat sich zum „Kulturfolger“ entwickelt und ist nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch im städtischen Bereich wie z.B. im Raum Graz zu finden.

Die größte Hirschart in der Steiermark ist der Rothirsch. Sein Hauptverbreitungsgebiet sind die gebirgsnahen Regionen in unserem Bundesland, wobei zu bemerken ist, dass der eigentlich angestammte Lebensraum dieser Schalenwildart die offenen Landschaften waren und erst der Mensch durch seine Siedlungstätigkeit, durch den Bau von Verkehrsverbindungen wie Straßen und Eisenbahnen, die Lebensräume zerschnitten hat und so diese Tiere in höhere Regionen verdrängt hat. Heute „kämpft“ man um eine Reduktion dieser künstlich aufgehegten Wildtierart, um Schäden an unseren Wäldern zu minimieren.

Frauen in der Jagd

In der Steiermark bemühen sich derzeit 24.431 (lt. Jahresbericht Steir. Landesjägerschaft 2019/2020) Jagdkarteninhaber um den landeskulturellen Auftrag der Jagd, davon sind ca. zehn Prozent weibliche Jagdscheininhaberinnen. Im Jagdmuseum Schloss Stainz wird derzeit die Sonderausstellung „Die Jagd ist weiblich. Diana und Aktäon“ gezeigt, hier wird das Thema der Frau in der Jagd und deren Rolle sowohl in der Geschichte wie auch in der Gegenwart beleuchtet und es finden sich spannende Aspekte zu dieser Thematik, vor allem auch zu Rollen, die landläufig immer nur männlichen Jägern zugesprochen wurden, die aber sehr wohl auch von Frauen ausgeübt wurden.

Publiziert in: Der Vierzeiler 3/2020

Herausgeber: Steirischeres Volksliedwerk, Graz
F. d. I. verantwortlich: Mag. Wirnsberger Karlheinz, Jagdmuseum Schloss Stainz

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