In den frühen 1970er-Jahren schuf Bryan Hunt modellartige Plastiken bekannter amerikanischer Architekturwahrzeichen (Empire State Building, Hoover Staudamm), daneben entstanden stromlinienförmige, puristische Gebilde, die ihre Formen von Luftschiffen herleiten. Beide Gruppen lassen sich mit Hunts beruflichem Weg – er arbeitete zunächst als Raumfahrttechniker und später in der Baubranche – in Verbindung bringen.
Um 1976 jedoch taucht er in eine gänzlich neue Werkphase ein: In lebhaft durchmodellierten Plastiken geht er dem Erscheinungsbild amorpher Naturphänomene wie Seen, Flüssen oder Wasserfällen nach. Hunts „Charioteer“ zählt zur Reihe der Wasserfälle, Bronzeskulpturen, welche in der Kühle und Massivität des Materials die Monumentalität des Naturschauspiels fühlbar machen. Die Struktur der herabstürzenden Wassermassen ist dabei aus dem Naturkontext, aus dem sie umschließenden Terrain vollständig herausgelöst. Sie steht frei und so gesehen bezugslos im Raum, wobei sich die Gestalt des materiell Unbezeichneten allein aus dem Positiv der Skulptur erahnen lässt.
Hunt geht es aber nicht um Abbildung. Vielmehr überträgt er die Naturerscheinung in abstrakte, skulpturale Werte, welche dann mit dem aus der Erinnerung geholten Bild der stürzenden, aufschäumenden Wassermassen zu einem emotionalen Kunsterlebnis verschmelzen, das analog zur Wirkung des Naturerlebnisses begriffen werden soll. Mit der Bezugnahme auf ein berühmtes Motiv der antiken Plastik (Charioteer = Der Wagenlenker) assoziiert er Natur- und Kunstform und verweist damit auf ein archaiisches Wahrnehmungsprinzip, das (wie im Mythos) die menschliche Ursehnsucht nach einer Verbindung von Natur und Kultur ausdrückt.
Waren Hunts erste Arbeiten noch von den minimalistischen Strömungen der amerikanischen Plastik der 1960er- und 70er-Jahre bestimmt, so nimmt er mit diesen Werken, welche die Gefühls- und Gedankenwelt des Betrachters gleichermaßen berühren, eine deutliche Gegenposition ein.