DichteDichter II

Gunter Damisch

DichteDichter war Damischs erste Skulptur und ist im Vergleich zu seinen später folgenden ungewöhnlich kompakt. Sie erinnert an die Wächterfiguren auf den Osterinseln, entzieht sich aber jeder Erzählung und Deutung. Es gibt kein Vorne, Hinten oder Seitlich, sondern sie eröffnet mit jedem Schritt neue Ansichten. Die wie aus der Zeit gefallen wirkenden Köpfe, Röhren, Symbole und Figuren sind gleichwertig und erfinden sich im natürlichen Wechsel von Licht und Schatten im Freien ständig neu. Auch der Titel reflektiert das dargestellte, unentwirrbare Ganze, indem das Leerzeichen zwischen den Worten bewusst weggelassen wurde.

Dunkler Guss auf Steinsockel; abstrakte Formen, die kein Vorne und Hinten haben Dunkler Guss auf Steinsockel; abstrakte Formen, die kein Vorne und Hinten haben

Bildinformationen

Autor*in

Elisabeth Fiedler 

Planübersicht

Besitzer*in

Neue Galerie zum Universalmuseum Joanneum (Schenkung Lucas und Maria Damisch)

Künstler*innenbiografie

Gunter Damisch

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Zum Werk

Gunter Damisch sah sich selbst als Zwischenfigur in der zweiten Generation der Neuen Wilden in Österreich. Impulsivität und Expression sind für ihn wichtig, jeglichem Narrativ standen er und seine Freunde mit Skepsis gegenüber. Seine Wurzeln führen zu den Arbeiten der COBRA-Künstler und weiter bis zur Untersuchung des Unbewussten bei den Surrealisten sowie deren Vorbildern zurück. Sein Interesse am Archaischen traf sich mit jenem der Durchlässigkeit eines virtuellen Universalismus. Abstraktion und Konzeptualität kennzeichnen seine Arbeitsweise ebenso wie die Vielfalt seiner Formensprache von Malerei über Zeichnung, Grafik, Collage, Holzschnitt, Objekt bis zur Skulptur und sein Interesse an Performance, Literatur und Musik. So spielte er in der Punkband Molto Brutto Bass und Orgel, veröffentlichte Platten oder tourte durch Deutschland.

Zwischen Mikro- und Makrokosmos oszillierend spannte er mit seiner Arbeit ein dynamisches, in sich verwobenes, kompaktes und gleichzeitig explosives Universum auf. Ein wesentlicher Zug seiner Dynamik lag in der permanenten Beschäftigung mit unterschiedlichen Setzungen von Tiefenstrukturen und der Spannung von Zwei- und Dreidimensionalität, seinem Interesse an sprachlich-literarischen sowie klanglich-musikalischen Ansätzen, die er in Titelgebung und Prozessualität, die seiner Arbeit inhärent ist, erweitert.

DichteDichter, seine erste Skulptur, stellt den Sprung Damischs in die Dreidimensionalität seines Schaffens dar. Diese, seine komprimierteste Skulptur, ist keine Arbeit, die ein Vorne, Hinten oder Seitlich ausweist, sondern sie öffnet uns bei jedem Schritt gleich einem umgestülpten Panorama neue Ansichten, aus der Zeit gefallene Köpfe, Röhren, Symbole, Figuren erscheinen als gleichwertige Darstellungen, die zwischen anthropomorpher und polymorpher Ausprägung Sinngefüge zu versammeln scheinen und sich im nächsten Moment jedem Versuch einer kompakten Zusammenschau von Sinn wieder entziehen. Die Skulptur erinnert an Wächterfiguren der Osterinseln, deren Schweigsamkeit und abwehrende Monumentalität Damisch aber aufbricht. Ein zentrales Motiv findet sich ebenso wenig wie eindeutige Lesbarkeit möglich wäre. Gleichwertigkeit und Offenheit ineinander übergehender Situationen, deren Anblick sich sekündlich im natürlichen Licht-Schatten-Gefüge wandelt, stellt seine besondere Erweiterung eines demokratischen Verständnisses von Skulptur dar. Räumlichkeit, Tiefenwirkung, Dichte und Öffnung des Blocks als Beginn von Durchlässigkeit und Überprüfung von Resonanzen werden durch die sich ständig verändernden Lichtverhältnisse im Freien akzentuiert.

Gleichzeitig erscheint die Arbeit als rätselhafte hieroglyphenartig angeordnete Struktur, die sich aber jeder Erzählbarkeit entzieht. Ganz im Gegenteil, Damisch zieht mit dem Titel eine zusätzliche Mehrdeutigkeitsebene ein.

Ohne Trennungsraum zwischen den beiden Worten im Titel bewegt sich deren Sinn zwischen Imperativ als Handlungsanweisung und Kompression als unentwirrbarem Ganzen, dessen Einzelheiten man partiell zu hören vermeint. Sich immer wieder verschiebende Proportionseinheiten, Raum- und Flächenformate sowie Zusammenhänge des Lesbaren, die Kommunikation ebenso wie Zurückgezogenheit ermöglichen, lassen ständig Neues zu.