Erwin Wurm lotet seit den 1980er-Jahren die Welt und unsere Bedingtheit zu ihr in Offenlegung paradoxer Wirklichkeiten künstlerisch aus. In Erweiterung des Skulpturenbegriffs untersucht er Materialität von der Leere bis zur Überfülle, das Wesen der Instabilität, Größenverhältnisse, Bedingungen von Verhältnismäßigkeiten, Anordnungen und Verfremdungen gewohnter Haltungen und alltäglicher Gegenstände. Dabei hebelt er festgelegte Ordnungssysteme, Kräfte oder Normen aus den Angeln, befragt kulturelle Übereinkünfte, verzerrt Gewohntes mit dem Griff in unser kollektives Gedächtnis und bereichert unser Vorstellungsvermögen durch reale Möglichkeitserweiterungen. Dabei scheint er die Zeit zu dehnen, er verfremdet Personen oder lässt Veränderlichkeit gefrieren.
Weltzugewandt unterwandert er konditionierte Lesarten, um Spielräume zu erweitern und ihnen mit neuen Denkrichtungen und Strategien zu begegnen. In seinem Interesse an der Absurdität des Lebens beobachtet er die gegenseitige Bedingtheit des Menschen und der von ihm geschaffenen Gegenständlichkeit und hebt sie real als erlebbare Kunst in unser Bewusstsein.
Sein 9 x 7 x 7 m großes, veränderlich, schwabbelig und gleichzeitig monströs wirkendes Fat House, das in ausgestopfter Fettleibigkeit fotografierten Personen und dem Fat Car folgt, erscheint als aufquellend weiches Zustandsbild des häuslichen Rückzugsraums. Betreten wir dieses aus den Fugen geratene Heim, hören und sehen wir es in einem auf die Innenwand projizierten Video als lebendes Wesen. Hier im Inneren beobachten wir es von außen, befindlich in einem Innenraum der Art Basel: Leute gehen vorbei, das Haus selbst spricht in menschlicher Mimik, erläutert sich selbst als „I am a fat house“ und stellt Vermutungen über sich in seiner Überhöhung im Satz „I think I´m a piece of art“ an.
Veränderlichkeit, neue Sichtweisen, Infragestellung scheinbarer Gesetzmäßigkeiten werden in dieser begehbaren Skulptur ebenso thematisiert, wie gesellschaftliche Konzepte hinterfragt. Dem auf sich selbst Zurückgeworfensein, der Idee vom Eigenheim als relativem Reichtum, Verfettung als konsumistischem Ergebnis oder der Frage nach Einordenbarkeit von Kunst und ihrem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Leben werden wir hier ebenso ausgesetzt wie der Frage nach gegenseitiger Beeinflussung von Welt, Architektur, Kunst und Sein.
So wird das Haus in seiner unförmigen Erweiterung zum organischen Körper, zu einem liebenswerten Gegenüber, das eine Geschichte zu erzählen hat, gleichzeitig spiegelt Wurm uns selbst.
Als Kunstwerk vom Londoner Designmagazin „Dezeen“ unter die zehn wichtigsten Skulpturenprojekte der Gegenwart gereiht, erhöht sich sein Wert auch auf internationaler Bedeutungsebene, auf der wir der Arbeit nun im Österreichischen Skulpturenpark begegnen dürfen.
Die Aufstellung wurde durch die großzügige Unterstützung der WEGRAZ realisiert.