Das Anliegen der Arbeit von Martin Schnur ist das Bild, das er ursprünglich aus der Skulptur entwickelt hat. Diese, in ihrer traditionellen Auffassung verstanden, versucht auch Realität abzubilden. Doch ist es eher in der Zweidimensionalität möglich, von einem Abbild dieser Realität zu sprechen.
Künstler wie Jasper Johns oder Frank Stella haben in den 1960er-Jahren darauf hingewiesen, dass ein Gemälde keineswegs nur rechteckig bzw. quadratisch sein muss. Auch ist das Gemälde nicht nur Bild, sondern ebenso Objekt wie jeder andere dreidimensionale Gegenstand. Zusätzlich verändert dieses besondere Objekt auch seine Umgebung (Raum). Somit ist das Dargestellte plötzlich sekundär, denn das Gemälde ist in dem Moment nicht mehr Träger eines narrativen Inhalts, sondern eigenständige Realität.
Schnurs Objekt Raumdeuten erfüllt in der Materialität die Anforderungen der Skulptur. Man liest die Elemente (Rahmen, Figuren) aber als Bestandteile eines Bildes. Die vier Aluminiumfiguren, die am Stahlrahmen montiert sind, zeigen aus dem Bildgeviert hinaus, als wollten sie darauf hinweisen, dass das Ereignis außerhalb der eigentlichen Bildfläche sei.
In der Tat rahmt das Objekt einen Ausschnitt der Wirklichkeit ein – bestimmt gleichsam ein Stück Realität, das zum Bild wird. Diese Skulptur spricht von der Malerei und die wiederum von der Problematik des Bildes – des Abbildes der Natur. Somit wird dieses Kunstwerk zu einem Apparat, der das Sehen bestimmt und zur Erzeugung von Bildern beiträgt. Der Betrachter muss durch die Bewegung, die er vollführt, aktiv mitarbeiten. Dieses Umschreiten verweist wieder auf die Mehransichtigkeit der Skulptur.
Schnur scheint in diesem Werk der Malerei etwas zu geben, was ihr nicht selbstverständlich eigen ist. Die Skulptur andererseits wird auf eine funktionale Ebene gestellt. Die Figuren scheinen darauf hinzuweisen, dass sich der Betrachter an die Sphäre außerhalb des Kunstwerks wenden soll, um sie so in die Gesamtdisposition zu integrieren.