Dass ein Kunstwerk, neben seiner primären äußeren Erscheinung, noch andere Inhalte liefert, ist hinlänglich bekannt. Die Pyramiden in Ägypten sind nicht nur Grabmäler, die Stillleben des 17. Jahrhunderts sind delikat gemalte Dekorationsgegenstände, auf den Fassaden der barocken Paläste sind ganze ikonografische Programme zu lesen, die über die herrschaftlichen Bewohner Auskunft geben.
Vergessen wir nicht die Zahlenmystik, die sich auch durch die Musik hindurchzieht und die orientalischen Ornamente, die voller inhaltlicher Anspielungen sind. Wenn plötzlich ein überdimensionaler Hot Dog vor einem steht, aus dem ein freundlicher Koch herauslacht, so wissen wir, welche Bestimmung dieses Gebäude hat – und das nicht erst, seit es Las Vegas gibt. Kunstwerke sind Texte, sind Informationen, die der Eingeweihte lesen und verstehen kann.
Manfred Erjautz setzt mit seiner Kunst genau an diesem Punkt an. Logos, Strichcodes, Werbetexte, Gegenstände und Materialien mit festgeschriebener Inhaltlichkeit (Lego) sind sein hauptsächliches Material. Damit führt er uns eindringlich vor Augen, dass wir in Textstrukturen eingebunden sind – in der Kunst, mehr noch im Alltag.
So hat zum Beispiel nahezu die ganze dem Publikum zugewandte Oberfläche unserer Städte, im Wesentlichen die Bestimmung, unsere Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Umgebung wird lesbar, die Werbung ist Teil der Gebäudetechnik geworden – von den bewegten Medienwänden im öffentlichen Raum ganz zu schweigen.
Erjautz baut seine Skulptur als Gebäude bzw. Zelt. Die konstruierenden Elemente sind Metall gewordene Linien, abgeleitet von Computerstrichcodes. Den Boden im Inneren bildet eine Kunstrasenfläche. Nur der informierte Besucher dieser Zelle, die man betreten kann, ist von einem Text umgeben. Alle anderen sind in ein abstraktes Konstrukt eingesperrt, das sie möglicherweise an Bekanntes erinnert – an ein Zelt in der Wiese.