1938 – am Beispiel Graz

15.05. - 14.09.2008
Schwarz-weiß Fotografie von eine Mann (Joseph Goebbels) in Uniform mit militärischer Mütze. Rechts von ihm stehen eine jubelnde Kindern. Sie strecken ihm die winkenden Hände entgegen oder halten seine Hand. Schwarz-weiß Fotografie von eine Mann (Joseph Goebbels) in Uniform mit militärischer Mütze. Rechts von ihm stehen eine jubelnde Kindern. Sie strecken ihm die winkenden Hände entgegen oder halten seine Hand.

Bildinformationen

Laufzeit

15.05. - 14.09.2008

Ort

Schloss Trautenfels

Kuratiert von

Gerhard M. Dienes, Karl Albrecht Kubinzky, Elke Murlasits, Heimo Hofgartner

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Über die
Ausstellung

Sieben Dezennien danach gleiche die Geschichte des Jahres 1938 der einer ausgepressten Zitrone, also Schwamm drüber, sagen etliche. „Das sind Dinge, da wolln ma net dran rührn, niemand erinnert sich gern daran …“, sagt der „Herr Karl“. Niemals vergessen, immer wieder aufzeigen, sagen wir.


Die Ausstellung „1938 – am Beispiel Graz“ bietet kompakte Informationen auf kleinstem Raum. Das Jahr wird in einem Zeitraffer abgespult, beginnend mit dem frenetischen Jubel und der Euphorie über den bevorstehenden „Anschluss“ an Nazideutschland. Die Hakenkreuzfahne wehte schon im Februar vom Rathaus, das „Volk erhob sich“. Die „betörte Jugend schrie … unaufhaltsam nach Hitler“, notierte der steirische Bischof, Stadt und Land glichen einem „Narrenhaus“. Es gab aber nicht nur die oft sogar hysterische Begeisterung für das „Großdeutsche Reich“ und den unverhüllten Triumph der Nationalsozialisten. Es herrschte auch die Angst, die Verzweiflung, die dumpfe Resignation und das subversive Aufbäumen – Graz zählte eine der höchsten Raten an Widerständlern – gegen einen Staat, der die Werte umwertete, wie es Erich Kästner formulierte: „Ein Staat hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das dem Menschen eingeborene Gewissen und Rechtsempfinden innerhalb der Landesgrenzen radikal auszurotten. … Mörder regierten. Hehler waren Polizei. Lumpen sprachen Recht. Und das Gewissen saß auf der Anklagebank.“

 

Graz erlebte gigantische Inszenierungen („The city itself was a sea of waving red flags.“, New York Times), tagtägliche Aufmärsche und einen nie zuvor gekannten Propagandaaufwand – und wurde mit suggestiven Parolen überschwemmt („Die Lüge ist eine willkommene Propagandawaffe“, Adolf Hitler). Hans Kloepfer, der vom Ständestaat geweihte „Dichter der steirischen Heimat“, mutierte zum glühenden Nationalsozialisten und sprach von einem gewaltigen Wogengang, der „das Volk von Graz auf die Höhe seiner Bestimmung“ bringe. Graz stehe „eine große Zukunft“ bevor, schrieb der ehemalige Offizier und Historiker Robert Baravalle. Die Bollwerkfunktion von Graz wurde vehement hervorgehoben. Was nicht systemkonform war, wurde suspendiert (Schaffung eines „sauberen, nationalsozialistisch ausgerichteten, dem Führer treu ergebenen Beamtenkörpers“ etc.), verhaftet, verfolgt; Sondergerichte (sofortige Aburteilung) wurden installiert.

 

Am 3. April kam Adolf Hitler, in dem ein Grazer Pastor ein „Geschenk Gottes“ sah, in die „Stadt der Volkserhebung“, der er, Traditionen und Identitäten negierend, eine großdeutsche (Gross-Graz) Fasson verpassen wollte. Hitler besuchte das Zeughaus. Die vielen Rüstungen schienen ihm für die heutige Bevölkerung zu klein. Daraus schloss er, dass im Laufe der letzten Jahrhunderte die „Aufnordung fremden Blutes“ gerade in diesem Grenzraume in hohem Maße vor sich gegangen sei. Um diesen Rasseneffekt zu verstärken, verlegte er Elite-Truppen der Waffen-SS nach Graz, denn, so sein Credo: „Die Blutvermischung und das dadurch bedingte Senken des Rassenniveaus ist die alleinige Ursache des Absterbens aller Kreaturen, denn die Menschen gehen nicht an verlorenen Kriegen zugrunde, sondern am Verlust jener Widerstandskraft, die nur dem reinen Blute zu Eigen ist. Was nicht gute Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu …“ – und aufgrund „seiner rassistischen Zusammensetzung … ist und bleibt der Jude unser Feind …“ (SS-Blatt „Schwarzes Korps“). In der propagandistisch als „Reichskristallnacht“ (9./11. November) bezeichneten Aktion wurden die Synagoge am Grieskai sowie die Zeremonienhalle auf dem jüdischen Friedhof in Wetzelsdorf zerstört. Der Boden für die nun forcierte wirtschaftliche und physische Vernichtung auch der steirischen Juden war aufbereitet. Die ersten Züge nach Dachau fuhren ab. Mit Jahresende war die Stadt „judenrein“.

 

(Gerhard M. Dienes)

 

Wir danken Prof. Dr. Karl Albrecht Kubinzky für die zur Verfügung gestellten Bildmaterialien aus seinem Archiv.

 

Nach dem großen Erfolg im Büro der Erinnerungen in Graz ist die Ausstellung in adaptierter Form (mit lokalen Bezügen) nun im Schloss Trautenfels zu sehen.