Was ist den Menschen heilig? Was ist ihr Recht, was ihre Pflicht? Und wo wird das sichtbar? Auf einer Spurensuche nach Bedingungen und Möglichkeiten von Übereinkunft, nach Zeichen und Orten des menschlichen Zusammenlebens öffnet die Künstlerin und Architektin Azra Akšamija im Kunsthaus Graz Schutzräume verschiedener Art. Von identitätsstiftender Kleidung im Heute und Morgen über ein individualisierbares Schutzzelt für Geflohene bis hin zum gemeinsamen Er- und Verarbeiten recycelter Textilien reichen die Arbeiten, die das Publikum in Sanctuary („Heiligtum“, „Schutzort“) an vielen Stellen einbinden.
Die Ausstellung erforscht den Begriff des „sicheren Hafens“ und richtet den Blick auf soziale, ethische und ökologische Nachhaltigkeit. Sie stellt Fragen an unsere Konsumwirtschaft. Sie gibt uns Instrumente in die Hand, mit denen man durch unvoreingenommenes Umwidmen und produktives Aneignen selbst aktiv werden kann. Die für den Kuppelraum zusammengestellte Einzelausstellung widmet sich auch dem Museum selbst. Es wird als geschützter Raum betrachtet, der sich im ständigen Wandel befindet und als Verhandlungsort im Kontext von Klima- und Migrationskrisen fungiert.
„Meine Kunst hinterfragt, wie aus Entfremdung Empowerment werden kann.“
Azra Akšamija, die Professorin und Direktorin des Art, Culture and Technology Program am MIT in Massachusetts ist und deren Werke an Ausstellungsorten wie der Biennale von Venedig und Sharjah Museums gezeigt wurden, ist in Graz schon seit Langem bekannt. Mit ihrer Familie vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet, wuchs die Künstlerin u. a. in Graz auf und zeigte ihre Arbeiten schon vor vielen Jahren in Institutionen wie Forum Stadtpark. Ihre engagiert-sozialkritischen und partizipativen Arbeiten sowie ihr fruchtbarer Umgang mit Konstruktionen von Identität auf unterschiedlichen Ebenen führten sie mit ortsspezifischen Werken in Museen ebenso wie in Moscheen, Kirchen und Flüchtlingslager. 2018 und 2019 stellte sie im Kunsthaus Graz in der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung und 2019 in der Schau Kunst ⇆ Handwerk aus. Daraufhin erhielt die Künstlerin 2019 den Kunstpreis der Stadt Graz.
Nun widmet ihr das Kunsthaus Graz eine Einzelausstellung, die gleichzeitig ein Versuch ist, in mehreren Schwerpunktzonen über Fragen von Eigentum, von Überlieferung versus Aneignung und Appropriation, von nachhaltigem Umgang mit teilbaren Ressourcen, von Wissenstransfer und Wert der Arbeit in Richtung schützenswerter Zukunft zu spekulieren. Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen und lädt zur aktiven Beteiligung ein. Ein Katalog, u. a. mit diversen Essays und Forschungsmaterialien zu den ausgestellten Projekten, wird die Ausstellung begleiten.