„... sowohl nach der Natur als nach Zeichnungen ...“

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Akademien

Mit dem Ende des Mittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit erfolgte eine langsame Trennung der Kunst vom Handwerk. Der Künstler wurde sich selbst und seiner schöpferischen Kraft bewusst. Mit dem Rückgriff auf die Antike wurde man auf die Lehrbarkeit der Kunst aufmerksam. Theoretische Regeln, praktische Übungen wie Zeichnen nach dem Modell, anatomische, geometrische und perspektivische Studien wurden Inhalt neu entstehender Akademien. Aus dem Werkstattlehrling wurde der Akademieschüler. Zur Ausbildung zählte das Zeichnen nach der Natur, aber auch das Kopieren nach Vorlagen.

Die ersten Kunstakademien entstanden in Italien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
In vielen europäischen Residenzstädten wurden im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts Kunstschulen unter herrschaftlichem Schutz eingerichtet. In Graz ist es dem Kupferstecher Johann Veit Kauperz zu verdanken, dass mit Unterstützung der steirischen Regierung 1785 eine eigene Zeichnungsakademie eröffnet wurde.

Studie zweier sitzender Männerakte

Diese typische Akademiezeichnung ist während der Akademiezeit von Johann Veit Kauperz in Wien (1766 bis 1770) unter Jakob Mathias Schmutzer entstanden. Die miteinander verschränkten Körper zweier junger, muskulöser Männer forderten den Zeichner in puncto Perspektive, Proportionen, Anatomie und Lichtverhältnisse. Konnte sich das eine Modell während der Sitzung auf einen Stab stützen, so befand sich möglicherweise der rechte Arm des Rückenaktes in einer von der Decke hängenden Schlinge. Die von Kauperz in Wien angefertigte Studie diente in der Grazer Zeichnungsakademie wiederum als Vorbild für deren Schüler.

Lesender Knabe

Ein pausbäckiger Knabe ist in eine Lektüre vertieft und hat konzentriert seine Augen seitlich nach unten gerichtet. Diese Zeichnung wird wie die vorige in die Akademiezeit von Kauperz datiert, da dasselbe Motiv von seinem Lehrer in Wien, Jakob Mathias Schmutzer, ebenfalls in Rötel ausgeführt, heute im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste in Wien existiert. Der Blick auf den Knaben ist von derselben Position beider Zeichner aus geschehen. Somit dürften die beiden Blätter nicht bei einer Sitzung vor dem Modell entstanden sein, sondern Kauperz kopierte die Darstellung von Schmutzer – eine durchaus übliche Vorgangsweise in Akademien.

Auffallend ist das stark schraffierte Gesicht des Knaben, während Kleidung, Buch und Haare sicher und schnell gesetzt sind. Die das Gesicht modellierende Kreuzschraffur ist typisch für einen gelernten Kupferstecher, der Kauperz bei seinem Eintritt in die Wiener Akademie bereits war. Er hatte seine erste Ausbildung bei seinem Vater und Kupferstecher Johann Michael Kaupertz (1712–1786) erfahren.

Liegender Männerakt

Wie die beiden vorhergehenden Zeichnungen ist auch diese in der Ausbildungszeit von Kauperz in Wien entstanden. Ein junger Mann sitzt am Boden und lehnt sich an einen nicht definierbaren Untergrund. Seinen Kopf hat er seitlich auf die Unterlage gelegt. Der Mund ist geöffnet; die aufgerissenen Augen blicken leer nach oben. Sein rechter Arm hängt in einer Schlinge, um das Modell während der Sitzung etwas zu entlasten. Die Studie könnte als Übung für die Darstellung eines Gefangenen gedient haben.