im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025
Bildinformationen
Sonderausstellung
im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025
Orte und Laufzeiten
Mariazell: 01.05-28.07.2025
Leoben: 20.08.-31.10.2025
Kuratiert von
Günther Holler-Schuster
Alle anzeigen
Im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025 mit dem Titel Ambition & Illusion.
Der Pavillon gibt architektonisch eine klare Vorgabe. Ein zwischendeckenartiger Abschnitt teilt den Gesamtraum schräg, horizontal. In einem Teil des Pavillons symbolisiert ein stilisiertes Gebirge die Topografie der Steiermark – „Hoch vom Dachstein an …“. In der Tradition der Panoramamalerei hat Herbert Brandl diese Zone belebt. Das monumentale Gemälde führt das Publikum ebenso zu den Schönheiten der Alpenlandschaft, wie es auch an die Stürme der turbulenten Geschichte des Landes gemahnt. Die Pavillons beziehen sich auch grundsätzlich auf ihre Standorte. Mariazell als prominenter Wallfahrtsort und Leoben mit lange zurückreichender Bergbautradition liegen beide auch in umfangreichem Waldland mit ausgeprägter Forstwirtschaft.
Wie repräsentiert sich ein Land im Bild, wie seine Menschen im Spiegel der Geschichte? Wo trifft die Tradition auf die Moderne bzw. auf die Gegenwart? Diese Fragen stellen sich angesichts der künstlerischen Beiträge in diesem Pavillon.
Constantin Lusers akustischer Baum, genauso wie seine Trompetenfiguren, eröffnen einen kulturellen Raum, in dem sich der regionale Kontext auf mehrfache Weise abbildet.
Das Duo Plateau Residue greift konkret den Umgang mit Ressourcen am Beispiel der Forstwirtschaft auf.
Karoline Rudolf und Antonia Jeitler nehmen in ihren Überlegungen die Präsentationsform des Denkmals auf. Der Sockel, der die Figur üblicherweise erhebt und exponiert, wird bei Rudolf zum instabilen Terrain, auf dem sich die Künstlerin den Turbulenzen der Realität widersetzt. Jeitlers Porträts von anonymen, in der Gesellschaft unsichtbar bleibenden Menschen zeugen von der Fragilität des Selbstbildes und von der möglichen Ausgesetztheit am exponierten Platz auf dem Podest, der hier ein zweifelhafter ist. Es ist immer wieder die Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne, die in der Kunst zum Ausdruck kommt – regionale Aspekte vor dem Hintergrund der globalen Realität.
Das wird auch in Mito Gegičs Videoarbeit sichtbar, wo eine gigantische Abrissbirne zwischen zwei jungen Menschen in folkloristischer Kleidung von einem Monitor zum anderen schwingt.
Kunstwerke
In Brandls Malerei stehen konkrete Inhalte selten an vorderster Stelle. Obwohl man den Berg, die Katze, die Hyäne sowie andere Wesen und Gegenstände erkennen kann, geht es selten um diese selbst. Es sind Fragen der Malerei bzw. solche der Darstellungsmöglichkeiten, die Brandl beschäftigen. Wie wird aus der Vorstellung am Ende das konkrete Bild? Grundsätzlich abstrahieren wir bereits in der Wahrnehmung der sichtbaren Welt, wir individualisieren gleichsam das Gesehene.
Im Gemälde wird dieser Prozess weiter vorangetrieben. Brandl geht meist von bestehenden Bildern aus. Selten erkennt man diese jedoch im fertigen Bild, da er sie im Malprozess transformiert. Damit verlieren oder verändern sie ihren ursprünglichen Bezug zur Realität.
Phänomene in der Natur (Klima, Wetter, Niederschlag, …) setzt Brandl oft mit den Prozessen des Malens gleich. Beides sind initiale Dynamiken mit hoher Dramatik. In der Natur wie in der Malerei entsteht Wirklichkeit. Somit sind die Berge oft keine Berge, sondern Produkte der Bildkonventionen, die sich aus unterschiedlichen Quellen ins Gemälde verschoben haben – Space Night, Google Earth, Tourismuswerbungen etc.
Brandls Malerei drängte stets aus dem Rahmen. Sie ist imstande, aus dem Geviert auszubrechen und installativ den Raum zu besetzen. Im Installativen steigt der Realitätsgehalt. Das Publikum ist tatsächlich im Bild, ist Teil des Bildes. Brandls Ausstellungen sind oft Territorien, die man erwandern kann. Überformate und unkonventionell positionierte Gemälde sind für diese Wahrnehmung mitverantwortlich. Das Installative ist somit genauso wie das Skulpturale eine Konsequenz, die Herbert Brandl aus der Malerei zu ziehen scheint.
Kunstwerke
Constantin Luser entwickelt seine dreidimensionalen Installationen aus der Zeichnung heraus. In aufwendigen, technoid erscheinenden Konzeptionen entstanden dabei durch die Jahre immer dichtere Szenarien, die sich mehr und mehr zu realistischen Raumgebilden entwickelten. Seine Gedankenwelt, die er innerhalb der Zeichnung ausdifferenzierte, geht von allerlei Objekterfindungen aus, die im surrealen Kosmos eine Art Gegenwelt aufbauen.
Der Künstler hat sich im Prozess der tatsächlichen Eroberung des Raumes mit unterschiedlichen technischen Möglichkeiten beschäftigt. Dabei bestimmen Musikinstrumente – sowohl visuelle als auch akustische Objekte – seit Jahren seine Arbeit. Die Transformation der Zeichnung vom Papier in den realen Raum führte zunächst zu Drahtgebilden, die sich als dreidimensionale Zeichnungen im Raum lesen lassen.
Die Bewegung der frei im Raum hängenden Drahtgestänge und deren Schattenbilder erweitern den Rezeptionsrahmen grundsätzlich. Die Konsequenz daraus waren funktionsfähige Musikapparate. Die Röhren- und Trichterformen werden dabei sowohl in ihrer skulpturalen Qualität als auch in ihrer Funktionalität angesprochen.
Im Benützen dieser Apparate entsteht Partizipation. Das Publikum bewegt sich gleichsam in einer dreidimensionalen Zeichnung. Zusätzliche Dimensionen wie das Performative und das Akustische definieren nun den Raum auf eine völlig neue Art. Nicht mehr die Zeichnung definiert bzw. konstruiert den Raum, sondern die Akustik und die Bewegung im Raum – sowohl der Objekte als auch des Publikums.
Hier im Pavillon zeigt Luser einen monumentalen Baum, der – mit Gitarrenseiten bespannt – ein Musikinstrument darstellt. Die düsteren Soundstrukturen, die dieses Instrument hervorzubringen imstande ist, werden zum Soundtrack einer dystopischen Realität.
Kunstwerke
Das Künstlerpaar PLATEAU RESIDUE – eine Kunsthistorikerin und ein Geograf – arbeitet in breit angelegten Projektstrukturen, die meist installativ und in Bewegtbildern formuliert werden. Ihr inhaltlicher Zugang betrifft das grundsätzliche Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Diese komplexe und vielfältig belastete Beziehung ist auch Teil ihres Aufmerksamkeit erregenden Projekts Sub Persona.
Am Beispiel des Ökosystems Wald versuchen sie, Schlüsse auf positive Zukunftsaussichten in Bezug auf Koexistenz und Ökonomisierung zu ziehen. Dabei filmten PLATEAU RESIDUE in einem slowenischen Urwaldgebiet, das üblicherweise für die Öffentlichkeit unzugänglich ist. Interviews mit Menschen, die mit der Pflege und Bewirtschaftung von Wäldern zu tun haben, bildeten die Basis für ein umfangreiches Forschungspanorama.
So sehr sich das aktivistisch orientierte Paar auf konkrete wissenschaftliche Beobachtung stützt, entstehen dabei auch Erzählstrukturen, die aus wissenschaftsfernen Bereichen stammen. Düstere Soundscapes unterstreichen den emotionalen Aspekt ihres Anliegens und erzeugen gleichzeitig eine filmische Dramatik.
Die Notwendigkeit, sich bestimmten Ökosystemen intensiver bzw. verantwortungsvoller zu widmen, ist das Grundanliegen dieser Kunst. Urwälder sind nach dieser Überlegung nicht ausschließlicher Idealzustand. Viel wichtiger ist es, die nun einmal begonnene Ausbeutung der Wälder, und der Ökosysteme generell, in kontrollierte Bahnen zu lenken. Die Zurichtung der Natur ist eine globale Tatsache, deren Auswirkungen und Perversionen wir täglich direkt ausgesetzt sind. Wir begegnen ihnen meist mit Gewinnorientierung (Forstwirtschaft, Tourismus etc.) – so auch im Waldland Steiermark, das sich traditionellerweise wirtschaftlich wie kulturell auf diese Sparten beruft.
PLATEAU RESIDUE hat mit Sub Persona eine Möglichkeit eröffnet, im Sinne einer positiven Perspektive zwischen fachkundigem Expert*innenstandpunkt und persönlicher, emotionaler Sichtweise zu vermitteln.
Kunstwerke
Wir leben in einer narzisstisch geprägten Gesellschaft. Die radikale Durchsetzung individueller Ideen und Lebensmodelle ist eine bestimmende Kraft und bedroht gegenwärtig den sozialen Zusammenhalt. Ambitioniert und verwegen, nicht selten in Illusionen gefangen, bewegt man sich heute vielfach durchs Leben, will man sich auf der Seite der Gewinner*innen etablieren.
Dergleichen gab es zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaftsformen. Neben der alltäglichen Inszenierung des Einzelnen durch Moden und Hypes existiert auch der unbändige Drang ins Bild. Für dieses Bedürfnis ist nicht nur die Dominanz einer allumfassenden digitalen Kultur verantwortlich. Der Repräsentationswille reicht weit zurück. Einst haben Denkmäler die Abwesenheit der Dargestellten zu überwinden versucht und sie idealisiert.
Antonia Jeitler stellt Antiheld*innen auf das Podest. Indem die Dargestellten nicht nur anonym, sondern auch frei erfunden sind, entsteht Spannung zwischen ihnen und dem Publikum. Fast anklagend und gezeichnet von unbestimmtem Leid blicken sie uns an. Sie sind keine gottgleichen Königinnen und Könige, wirken in Introspektion verharrend, resignierend. Das von ihnen ausgehende Unheimliche ist darin begründet, dass sie eher als unser Spiegel denn als unser Idol funktionieren. Diese Figuren tragen die Spuren ihrer Entstehung an sich. Armierungen, Löcher und Brüche unterstreichen den hinfälligen Charakter dieser geschlechtslos anmutenden Figuren.
Jeitlers Büsten sind Sinnbilder des Vergehens und des Erinnerns. Ihre psychische Dimension – man scheint einen Einblick in das Seelenleben der Dargestellten zu erlangen – lässt verblüffenderweise an die Charakterköpfe des Barockbildhauers Franz Xaver Messerschmidt denken.
Jeitler vermischt in ihrer Arbeit subjektive Befindlichkeiten bzw. seelische Zustände von Einzelnen mit strengen, historischen Formen der allgemeinen Repräsentation
Kunstwerke
Karoline Rudolfs Kunst ist vielfältiger Natur. Performative Ansätze verbinden sich dabei oft mit solchen der Fotografie. Diese wird manchmal als Dokumentationsmedium, aber in eigen - ständiger Formulierung auch zur Bildfindung eingesetzt.
Gesellschaftliche Dynamiken, Ängste, Unsicherheiten, Scheitern – all das ist in dieser Kunst spürbar. Flüchtig nennt Rudolf ihren Balanceakt auf einem wackeligen weißen Sockel, der auf dem aufgeblasenen Schlauch eines Autoreifens aufliegt. Das Postament als klassischer Ort des Denkmals steht an sich für Sicherheit, Stabilität und Dauer. Durch die Materialität von Stein, Bronze etc. wird dieser Ewigkeitsanspruch noch gesteigert. Rudolfs Anordnung dagegen ist höchst fragil – ein Gummischlauch und ein Styroporwürfel.
Der weiße Sockel, auch Ausdruck modernistischer Präsentationsform für Skulpturen bzw. Objekte, gerät ins Wanken. Die Performerin hat den Platz des Denkmals am Podest eingenommen und versucht den fragilen Zustand, in dem sie sich befindet, auszugleichen. Die Künstlerin befindet sich dabei in einem Zustand äußerster Konzentration und Vorsicht. Ein Sturz wäre fatal.
Grundsätzlich ist Karoline Rudolfs Arbeit eine Anspielung auf die traditionelle Form der Skulptur. Sie ist aber auch ein Sinnbild des Bemühens, des Aufbäumens und des potenziellen Scheiterns. Damit verbindet dieses Kunstwerk die historische Dimension turbulenter Zeiten mit den verunsichernden Entwicklungen der Gegenwart. Es ist eine Illusion, die hier gerade zu zerplatzen droht. Ein einsames Individuum bemüht sich ambitioniert, sicheres Terrain zu erlangen – das Scheitern inbegriffen.
Kunstwerke
Der Wechsel zwischen Tradition und Moderne ist für Mito Gegič der zentrale Ansatzpunkt seiner Kunst. Im traditionsreichen Kontext der Jagd, von dem er familiär geprägt ist, beobachtet der Künstler, wie sich starre Rituale und Erinnerung im digitalen Zeitalter verändern. Der eminente Maler hat sich immer wieder auch mit Objektfindungen und performativen Strukturen beschäftigt.
Die Jagd als ambivalentes Treiben zwischen postfeudalen, touristischen und ökonomischen Dynamiken war und ist bis heute in adeligen und gehobenen gesellschaftlichen Kreisen ein begehrtes Freizeitvergnügen. Ihre Ikonografie ist fester Bestandteil der Kulturgeschichte geworden. Gegič bedient sich dieser starken Bilder, indem er sie immer wieder mit gegenwärtiger Ästhetik kontrastiert. Der Waldreichtum der Steiermark und die damit einhergehenden kulturellen Formulierungen lassen die Kunst von Mito Gegič am richtigen Ort erscheinen.
In dem Ballspiel, das der Künstler im Video Wrecking Ball (Abrissbirne) vorstellt, bezieht er sich auf ein Musikvideo der US-amerikanischen Sängerin Miley Cyrus, in dem sie auf einer gigantischen Abrissbirne durch den Raum schwingt. Im Video von Mito Gegič pendelt die schwarze Kugel zwischen zwei folkloristisch gekleideten jungen Menschen hin und her. Dabei stehen hier wie da kulturelle Aspekte zur Disposition. In dem Spiel kann man deutlich ein Aufeinandertreffen von Tradition und zeitgenössischer populärer Kultur erkennen. Auf diese Weise wird der Konflikt zwischen den beiden kulturellen Ebenen – Tradition und Moderne – auf ironische Weise sichtbar gemacht beziehungsweise hinterfragt.