im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025
Bildinformationen
Sonderausstellung
im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025
Orte und Laufzeiten
Ljubljana: tba
Kuratiert von
Günther Holler-Schuster
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Im Rahmen der STEIERMARK SCHAU 2025 mit dem Titel Ambition & Illusion.
Die teilweise gemeinsame Geschichte verbindet die Alpen-Adria-Region. Sie ist aber auch von schwierig beizulegenden historischen Konflikten geprägt. Bis 1918 war sie Teil der Habsburgermonarchie, nach dem Zweiten Weltkrieg die Grenzregion zwischen Österreich, Italien und Jugoslawien. Die neue geopolitische Ordnung nach 1945 bewirkte die territoriale Zerstückelung der Region und eine wechselseitige Abgrenzung der dort lebenden Menschen.
Die Architektur dieses Pavillons sieht daher eine Dreiteilung vor und bezieht sich damit auf die Geschichte der Region mit ihren historischen Bezügen zur Idee „Innerösterreich“ mit Graz als Residenz. In den 1960er-Jahren erinnerte der „Trigon-Gedanke“ an diesen historischen Moment. In der neuerlichen Begegnung zwischen den Regionen des historischen Territoriums sah man die Chance, Graz vor dem Hintergrund des „Kalten Krieges“ kulturpolitisch neu zu positionieren.
Die künstlerischen Beiträge bewegen sich nicht explizit in diesem Themenkreis, greifen aber indirekt Aspekte daraus auf. Damit erweitern sie den regionalen Kontext hin zu einer allgemeineren Rezeption. Neben kunstimmanenten Aspekten geht es hier um Migrationsszenarien, kulturelle Identitäten (Lena Violetta Leitner, Andreas Heller, Michael Pöllinger) sowie um Fragen nach territorialem und kulturellem Anspruch (Milica Tomić, Franz Kapfer) und kulturellen Wurzeln (Total Refusal, Christof Neugebauer).
Kunstwerke
Franz Kapfers Kunst geht grundsätzlich von ausgedehnten Recherchen aus. Damit ist nicht gemeint, dass sich der Künstler einen Inhalt sucht, den er dann referiert oder illustriert. Recherche ist für Kapfer neben künstlerischer Strategie auch Leidenschaft und überhaupt die Voraussetzung für künstlerische Äußerungen. Historisches ist für ihn dabei unumgänglich. So ist Kapfer in gewisser Weise auch Historiker und seine Kunst eine Form visueller Geschichtsschreibung.
Jedoch verfolgt er keine rationale Vorstellung vom Forschen und Präsentieren. Vielmehr sind es Aspekte der Realität, die er in neue Kontexte überführt, und prinzipiell ist es austauschbar, worum sich der Künstler gerade buchstäblich kümmert. Politische Prozesse, soziale Verwerfungen und Entwicklungen in der Gegenwart sind seine eigentlichen Anliegen hinter dem Aufgreifen des historischen Materials – die Sicht auf die Gegenwart mit dem Blick des Historischen.
So auch im aktuellen Fall, wo Franz Kapfer die lange Geschichte des Steirischen Panthers untersucht. Die sich durch die Jahrhunderte verändernden Gestalten hat er zu einem Schattenspiel verdichtet. Das der menschlichen Fantasie entsprungene Fabelwesen des Panthers („Pantier“), das mit der zoologischen Realität nichts zu tun hat, wird in Kapfers Spiel zum Hauptprotagonisten.
Bedrohlich und gleichzeitig ästhetisch anmutend zeigt sich die Kreatur in der Installation. Das entspricht teilweise dem Bild, das man vom Panther hat – eigentlich bedrohlich, eine feuerspeiende Raubkatze. Diese Bedrohlichkeit hat jedoch mit der mythischen Geschichte dieses Tieres wenig zu tun, galt es doch als gutmütiges und vor allem wohlriechendes Geschöpf. Die Feuerzungen sollen den duftenden Ausstoß des Panthers symbolisieren.
Kunstwerke
Der sowohl als Theoretiker als auch als Künstler ausgebildete Christof Neugebauer geht in seiner Kunst vielfältige Wege. Das Zusammenwirken von visuellen und akustischen Reizen ist dabei zentral. Die meist partizipativen Objekte bzw. Bilder sind raffinierte Wahrnehmungsapparate. Oft geben sie uns im einen Hinweise auf das andere. Indem sie beispielsweise die visuelle Ebene negieren, die akustische aber umso intensiver ausformulieren, entstehen verblüffende inhaltliche Verschiebungen.
In den Maskerons wird ähnliches erlebbar. Die halbplastischen Schmuckköpfe, die an barocken Fassaden häufig zu finden sind, haben meist eine expressive Mimik und lassen an Schreie oder Gebrüll denken. Auf gewisse Weise scheinen sie in ihrer Expressivität dem barocken Schauspiel zu folgen. Fast versteckt und oft übersehen, sind diese Fabelwesen Ausdruck des Schutzes für ein Gebäude – sie sind damit „apotropäisch“, sollen also grundsätzlich das Böse abhalten.
Christof Neugebauer, der sich der Maskerons auch innerhalb seiner kunsthistorischen Forschung annahm, hat mit ihnen direkten Kontakt aufgenommen. Er hat sie selbst fotografisch nachgestellt und mit imaginären Sounds ausgestattet. Über sanften Druck an der Bildoberfläche kann das Publikum mit diesen Wesen in Kommunikation treten. Was historisch betrachtet noch ein Ausdruck des Aberglaubens war, scheint in Neugebauers Kunst zur spielerischen bzw. performativen Bewältigung des Schreckens zu werden.
Kunstwerke
Milica Tomićs künstlerische Tätigkeit ist von Video, Film und Performance bestimmt. Der konzeptuelle Ansatz, den sie darin verfolgt, reicht oft über die medialen Grenzen hinaus. Sie nützt die Öffentlichkeit mit all ihren Tücken und Gefahren als Schauplatz ihrer Kunst.
Die Multimedialität lässt sie auch innerhalb der künstlerischen Kategorien, in denen sie sich bewegt, die Grenzen ignorieren. Ständig geht sie an diverse Limits und versucht diese zu er - weitern. Recherche und Analyse sind dabei konsequenterweise ihre wesentlichsten Methoden zur Kunstausübung. Niemals Kunst um der Kunst willen! Immer den Blick auf die Realität gerichtet. Historische Konventionen werden meist durchbrochen, zumindest aber infrage gestellt. Tomić adressiert das Publikum schonungslos, indem sie vor brisanten Themen genauso wenig haltmacht, wie sie sich oft selbst aussetzt, preisgibt.
Im aktuellen Projekt, das Milica Tomić hier erstmals zeigt, geht es verblüffenderweise um Malerei. Es ist aber keinesfalls die Idee der traditionellen Malerei, die hier zur Disposition steht. Es sind konkrete Inhalte, die sich anhand abstrakter Malerei transportieren lassen. Die geometrische Abstraktion, die hier wie konkrete Kunst erscheint, ist den Methoden der statistischen Forschung entlehnt.
Milica Tomić führt das anhand einer konkreten Fragestellung vor: Rekonfiguration der Eigentumsverhältnisse in der Steiermark (1938–1950).
Die historischen Fakten sind Teil der formalen Ausführung, sind sogar dafür verantwortlich. Man könnte an dieser Stelle an Otto Neurath und Gerd Arntz denken, die mit ihrer „Isotype“-Methode die visuelle Statistik revolutioniert haben. Sie stellten allerdings gegenständlich dar, während Tomić das auf geometrisch-abstrakte Weise tut.
Kunstwerke
Zur Erbauung und Unterhaltung legte man durch die Jahrhunderte Gärten an. Der barocke Garten als gezähmte und gestaltete Natur ist ein klarer Topos. Prestige und Machtwille sollten dabei genauso wie Ambition und Illusion durch ästhetische Exaltiertheit zum Ausdruck kommen.
Der historische Kontext des barocken Gartens wird von der Künstler*innen-Gruppe Total Refusal mit der modernen Welt der Videospiele parallel gesetzt. Der Impuls, im konstruierten Naturschauspiel einen paradiesischen Zustand zu erzeugen, ist hier wie dort erklärtes Ziel. Auffallend ist, wie sehr sowohl bei den Gärten als auch im Videospiel die Faszination des Menschen für die Zurichtung der Natur einer allgemeinen Ästhetisierung folgt. Auch die mythische Erkundung der Natur ist im digitalen Kosmos Bestandteil des Prozesses. Historische Fakten werden dabei in den Spielen oft adaptiert, vermischt oder gesteigert.
Total Refusal untersuchen in ihrer künstlerischen Praxis grundsätzlich die Ästhetik und Strukturen von Videospielen und deren Bezüglichkeit zur physisch-realen Welt. Sie übertragen gleichsam die Codes der Spiele auf das wahre Leben.
Am Beispiel des barocken Gartens zeigen sie erneut eine Wechselwirkung des Analogen mit dem Digitalen. Die Ideale der Gartenkunst sind weitgehend in die Ästhetik der Spiele transformiert worden. Man kann in beiden sogar ähnliche Zielvorstellungen erkennen. Das anarchische Kunstkollektiv versucht durch künstlerische Arbeit neue Dimensionen in der Spielkultur zu schaffen, Perspektiven zu eröffnen, die auch Auswirkungen auf das reale Leben haben können.
Dem Gedanken der „Gamification“ folgend, hat die menschliche Existenz längst Züge eines Spiels angenommen. Der visuelle Kosmos der Spiele hat jenen der konventionellen Filme, des Kinos, längst abgelöst – womit sich auch der Zugang zur Realität geändert hat.
Kunstwerke
Lena Violetta Leitner untersucht in ihrer Kunst auf humorvoll-kritische Art das Zusammenleben von Pflanzen, Tieren und Menschen. Auf wissenschaftlicher Basis entwickelt sie narrative Strukturen, die fiktionale Aspekte inkludieren und sich zu imaginären Versuchsanordnungen bzw. Laborszenarien verdichten. Diese Position zwischen bildender Kunst, Design und Wissenschaft macht sie auch zur Aktivistin, die ihr künstlerisches Handeln in einen größeren sozialen bzw. ökologischen Kontext stellt.
Leitner, die immer wieder in unterschiedlichen kollektiven Zusammenschlüssen arbeitet, gründete 2017 das Integrationszentrum für Migrierte Pflanzen (IZMP). Darin erforscht die Künstlerin auf satirische Weise nicht nur Prozesse innerhalb der Natur und Pflanzenwelt, sondern auch allgemeine globale Migrationsdynamiken. Das IZMP untersucht die koloniale Geschichte invasiver Pflanzen. Neophyten sind Pflanzen, die sich nach 1492 durch menschliche Verbreitung in Gegenden ansiedelten, an denen sie davor nicht vorgekommen sind. Die Dezimierung autochthoner Pflanzen ist die befürchtete Konsequenz.
In aufwendigen Versuchsanordnungen und unter Beteiligung unterschiedlicher Expert*innen werden Werte erhoben, die beispielsweise Aussagen über die Widerstandsfähigkeit einer bestimmten Pflanze ermöglichen. Im Sprachlabor werden Pflanzen mit Deutsch- und Verhaltenskursen beschallt, wobei gleichzeitig der Widerstandswert der Blätter gemessen wird. Ergeben sich ungünstige Daten in Bezug auf die Anpassungsfähigkeit, wird die Pflanze vernichtet oder in ihr ursprüngliches Herkunftsland zurückgebracht.
Im Pavillon eröffnet Lena Violetta Leitner nun einen neuen Showroom des IZMP. In Videoclips werden dabei die Arbeitsweise und der Forschungsansatz des Instituts referiert sowie verblüffende Resultate vorgestellt.
Kunstwerke
Der Polyartist und Aktivist Michael Pöllinger bezieht seine kreative Kraft aus zwei fundamentalen Bereichen: aus der Natur und aus der Tradition. Beide Gebiete sind durch die Geschichte hindurch unendlich dicht und widersprüchlich besetzt, missbraucht und in Klischees erstickt.
Durch einen scheinbar unverbrauchten, nahezu unschuldigen Zugang interpretiert Pöllinger problematische Begriffe wie Heimat, Tradition, Brauchtum, Volkskunst, Kunstgewerbe auf erfrischende Art neu. Formen der Land-Art verbindet er dabei mit verloren gegangenem, alpinem Handwerkswissen und indigenen Ritualstrukturen. Die Welt der religiös-heidnischen Symbole geht in Pöllingers Kunst oft eine Melange ein mit aktuellen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Gegenwart und Historie sind dabei genauso wie Moderne und Tradition in Mischverhältnissen ständig präsent.
Diese Kunst ist nicht eskapistisch, sie verschließt sich keinesfalls den akuten Problemfeldern der Gegenwart. Beispielsweise integriert der Künstler selbstverständlich Fragen der Klimaveränderung, der industriellen Landwirtschaft und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen.
Im Sinne von Claude Lévi-Strauss erkennt Michael Pöllinger grundsätzlich zwei wesentliche Herangehensweisen an die Erlangung von Erkenntnis und Wissen: die in Naturvölkern verbreitete orale Überlieferung und Naturbeobachtung sowie moderne, apparate- und schriftbasierte naturwissenschaftliche Methoden. In der Gegenwart sieht Michael Pöllinger diesbezüglich die Proportion in Gefahr und versucht daher in seiner Kunstpraxis unsentimental und fern jeder Nostalgie gegenzusteuern.
Kunstwerke
Das syntaktische Prinzip innerhalb der Skulptur ist für Andreas Hellers Werk typisch. Wie im Sprachspiel Wörter im Satz verschoben werden können, kann es auch innerhalb der Kunst zu derlei Verschiebungen kommen. Auf diese Art werden beispielsweise Elemente des Raumes skulptural lesbar. Wenn der Funktionszusammenhang ausgelöscht ist, wird der Abstraktionsgrad erhöht. Heller arbeitet grundsätzlich mit Versatzstücken aus der Architektur, wobei er deren formale Aspekte genauso aufgreift wie die damit verbundenen kulturellen und sozialen.
Zäune sind sowohl im Kontext der Architektur als auch in dem der Skulptur denkbar. Sie nehmen oft Formen aus der Architektur wie Gesims- und Bogenformen, Säulen und Kapitelle direkt auf. Jedenfalls definieren sie den Raum. Der Zaun ist gleichzeitig Symbol des Schutzbedürfnisses, der Abgrenzung und des ästhetischen Kalküls. Die fortifikatorischen gusseisernen Konstruktionen umstellen heute klassizistische Stadtgebäude, Villen oder pseudofeudale Landsitze. Sie sind aber auch ein Archiv unterschiedlicher Formvorstellungen.
Die Ornamentik einer Zeit gibt Aufschluss über diese bzw. lässt über die Ziele und Werte der jeweiligen Gesellschaft nachdenken. Gefährlich anmutende Elemente mit pfeilartigen Spitzen wechseln dabei mit floralem Pomp ab. Damit ist neben der Abgrenzung auch das soziale Prestige gemeint, das in der Schmuckfunktion eines Zaunes begründet liegt. In ihrer hybriden Existenz zwischen Architektur und Plastik werden Zäune auch in Bezug auf die Zurichtung der Landschaft in einer besonderen Art als kultivierendes Element wahrgenommen.
Andreas Heller bezieht sich in seinen Zaunobjekten formal eindeutig auf Historisches, macht aber inhaltlich einen deutlichen Schwenk in die aktuelle Gegenwart – Xenophobie, Ausgrenzung, Abschottung, Abwehr.
Ausstellungen
Pavillons Übersicht
STEIERMARK SCHAU