Grabsteine sind eine besondere Art der outdoor sculpture, und die Kunsthistoriker kamen auf der Suche nach dem Anfang der Kunst auf die Idee, dass der Grabstein, der aufgestellte Stein, der einen bestimmten Ort markiert, das erste Kunstwerk oder Bild gewesen sei.
Ingeborg Strobl hat an gut gewählter Stelle zwei eher kleinere Steine von der Art, wie sie sich als Allerweltsgrabstein auf den Friedhöfen finden lassen, nebeneinander aufgestellt. Die beiden Steine erinnern an die mosaischen Gesetzestafeln, die ebenfalls paarweise in ähnlicher Form dargestellt werden.
Die Steinsetzung bildet ein wichtiges Element der klassischen Gartengestaltung, wobei die Inschrift dem Wanderer etwas zuflüstert, das ihn nachdenklich machen soll. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth beispielsweise hat in der Eremitage und in Sanspareil im Stil des 18. Jahrhunderts sogenannte Kenotaphe aufstellen lassen, leere Gräber, Steine, die erinnern sollen. Auf halbüberwucherten Steinen liest man da etwa „manibus Dorotheae“, für die Totengeister von Dorothea.
Ingeborg Strobl ruft diese Tradition einer Gartenkunst, die mit dem Toten- und Gedächtniskult in Verbindung steht, in ihrer Arbeit wach. Die Inschrift auf den Steinen wendet sich direkt an den Besucher, der „viator“, der ermahnt wird, geduldig mit seinem Schatten zu sein. Die Griechen hatten ihre Toten als Schatten aufgefasst, die sich im Totenreich Hades befinden. Ferner ist die Art der Gravur mit Goldauflage, die die Künstlerin benutzt, die gewöhnlich auf Grabsteinen vorkommende.
Geduld mit seinem Schatten zu haben, kann sich also einmal auf den Tod beziehen, so dass die Installation als ein subtiles Memento Mori entziffert werden könnte, aber auch als eine Mahnung in psychoanalytischer Hinsicht verstanden werden, dass man nämlich mit seinem Schatten, der das in die Welt projizierte Abgespaltene bedeutet, vorsichtig umgehen soll. Die beiden Steinkörper wirken wie doubles, von denen einer jeweils des anderen Schatten ist.