Günter Brus über Wolfgang Becksteiner
Wolfgang Becksteiner zerstört die Fassade der Dinge, er raubt den Gegenständen die aufgeklebte Seele. Er stellt den Charakter des menschlichen Auges in Frage und betoniert uns Stolpersteine in den Weg. Er reduziert sein System auf ein Schachspiel mit vier Feldern und zwei Figuren. Ehe er seinen Beton mischt, nimmt in seinem Schädel das Nachdenken Platz. Er schreckt bei der Auswahl von Allerweltsdingen nicht vor ästhetischen Tabus zurück und fertigt Bomben aus Beton. Doch letzten Endes passten diese, verkleinert, in hübsche Bonbonierenschachteln. Sie explodieren nur in den Köpfen der hochmoralischen Denker. Becksteiner ist ein überaus fleißiger Handwerker, fernab von Mischmaschinen. Stück für Stück durchwandern seine geduldigen Hände, ehe sie strikt vorgesetzte Stückzahlen erreichen. Unbeirrt geht er seinen Weg, abseits des obligaten Kunstbetriebes. Seiner schöpferischen Sturheit entspringen immer wieder Kombinationen aus exakter Planung und präziser Ausführung.
Ein Betonmaschinist, der konsequent eine vorbestimmte Anzahl von Objekten beharrlich entstehen lässt. Ein Realitätstäuscher, der auf wundersame Weise einen Tisch aus Holz zu Beton werden lässt. Becksteiner setzt die psychologische Reizbarkeit der Dinge außer Kraft. Seine Kunst besteht aus einer Reduktion auf das Wesentliche, auf die mythologiefreie Form, auf einen Materialismus der Gestalten. Dort wo seine Technik auf Grenzen stößt, vertraut er auf die Erfahrungen der Archäologie.
Er gräbt verhärtete Formen aus, unlängst beerdigt. Er ersetzt die Sprache der Signatur durch einen Fingerabdruck und wird so zum Erfinder fälschungssicherer Kunst. Wenn er könnte, würde er die Schallmauer aus Beton errichten, desgleichen Tauperlen oder Spinnennetze. Aber das Material kennt seine Grenzen, jedoch nicht die Fantasie. Scheinbar sinnlos, scheint er das Warenangebot, das in den Regalen lagert, zu erweitern. Aber es handelt sich dabei vielleicht um eine zynische Kritik am sinnlosen Überangebot. Becksteiners Materialkunst ist niemals rätselhaft, sondern immer berechenbar. Natürlich sind Becksteiners Kunstwerke nur bedingt Haushaltsgegenstände wie Skulpturen oder Gemälde. Aber sie harren auf Auftragsarbeiten aus dem industriellen Sektor, wo Becksteiners architektonisches Geschick zu einer fulminanten Wirkung kommen könnte. Man muss nicht erst betonen, dass Becksteiner Goldbarrenformen in Beton goss, um das wertvolle Kulturgut zur Trivialität herabzustufen.
Hand- und Verstandwerk ist die Grundlage für Becksteiners Schaffen.