Radio Luxemburg
Bildinformationen
Szene/Umfeld
Radio Luxemburg
Zeitraum
1958‒1990
Ort
Luxemburg, Äther
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Am 15. Juli 1957 begann im Studio 4 in der Villa Louvigny in Luxemburg die Erfolgsgeschichte von Radio Luxemburg. Mit seinem populären Programm fesselte der Sender die jungen Zuhörer*innen vor den Geräten.
Warum Radio Luxemburg so beliebt bei den jungen Leuten war, liegt auf der Hand, wenn man an sich an damalige Zeit erinnert: Die öffentlichen Radiosender sendeten ausschließlich konservatives Programm. Radio Luxemburg fiel komplett aus dem Rahmen. Das gefiel.
In keinem anderen Sender war es üblich, die Sprecher*innen mit Vornamen anzusprechen. Hier schon. Damit ein Name nicht doppelt vorkam oder es keine ähnlichen Namen gab, wurden einige Moderatoren gebeten, sich einen „Künstlernamen“ auszudenken. Auch die Form, mit den Hörer*innen zu sprechen, war neu und anders. Sie wurden geduzt und es wurde mit ihnen gelacht.
Camillo Felgen stieß 1958 zu Radio Luxemburg und wurde Leiter des deutschen Programmes. Im selben Jahr wurde er zum ersten deutschen Programmleiter und rief die erste deutschsprachige Hitparade ins Leben. Dabei stimmten die Hörer*innen per Stimmzettel in ausgewählten Sparkassen ab. Um den Zuhörer*innen einen Ansporn zum Mitstimmen zu geben, wurden in den Sendungen Gewinner*innen ausgelost und mit einem Preis belohnt. Auch gilt Camillo Felgen als Erfinder des Slogans „Die fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg“. 1968 verabschiedete er sich von diesem Sender, um frei zu arbeiten. Er legte sich ein Pseudonym zu und verfasste Lieder, auch einige mit deutschen Texten zu Beatles-Songs wie zum Beispiel „Komm gibt mir deine Hand“ oder „Sie liebt dich“.
Nach Felgens Ausstieg wurde Frank Elstner sein Nachfolger. Elstner wurde 1964 in die „Radio-Luxemburg-Familie“ aufgenommen und vom Sender gebeten, sich einen anderen Namen zu suchen ‒ denn eigentlich heißt er Timm Franz Elstner. Der Name Frank war schnell gefunden, es war der Name seines Bruders. Frank Elstner war eine Ideen-Kanone. Oft bat er seine Radiokollegen um 3 Uhr früh zu sich, um 100 neue Ideen auszuklügeln: „Hier Frank ‒ wer da?“, „Der fröhliche Wecker“, „Die Funkkantine“ und viele andere Sendungen von Frank Elstner feierten große Erfolge. „Hitparade“ und „Die großen Acht“ moderierte er, nachdem Camillo Felgen den Sender verlassen hatte. Bei „Die großen Acht“ wurden während der Sendung abwechselnd große Plattenläden in Deutschland angerufen, um nach den Verkaufszahlen zu fragen. Tatsächlich wurden in den Geschäften Strichlisten geführt, um zu sehen, was sich wie gut verkauft.
Dieter Thomas Heck, der eigentlich Carl-Dieter Heckscher hieß, sollte eigentlich nur die Urlaubsvertretung für Camillo Felgen übernehmen. Tatsächlich war er von 1965 bis 1966 beim Sender tätig. Für seine Namenssuche ließ man sich etwas Besonderes einfallen: Das Magazin „Bravo“ startete die Aktion „Diskjockey ohne Namen“ ‒ so wurde der Name Thomas gefunden.
Ebenfalls als Urlaubsvertretung begann Hans Werner Lange. Werner ‒ wie er von den Radiokolleg*innen und den Zuhörer*innen genannt wurde ‒ träumte schon immer von einer Radiokariere. Seine Tante riet ihm, eine Stimm- und Sprecherausbildung zu machen. Immer wieder stolperte er in der Zeitung über eine Anzeige, dass ein Sprecher bei Radio Luxemburg gesucht werde. Er fasste sich ein Herz und stellte sich vor. Ein paar Tage später wurde er gebeten, eine Urlaubsvertretung zu übernehmen. So nahm seine Kariere ihren Lauf.
Auch eine Dame gab es in der Runde der „fröhlichen“ Radio-Luxemburg-Sprecher*innen: Helga Guitton. Seit 1946 gehörte Helga neben Frank Elstner und Jochen Pützenbacher (1970) zu den Stars des Senders. Sonntags moderierte sie das „Wunschkonzert“, das zu einer ihrer Lieblingssendungen wurde. Im den folgenden Jahren moderierte sie Sendungen im vielgehörten Tagesprogramm wie z. B. „Miniprogramm“, „Herrenmagazin“, „LP-Parade“ und im Duett mit Jochen Pützenbach „Tag Schatz, Tag Spatz“ und viele mehr. Bevor Helga zum Sender kam, nahm sie Ballett- und Schauspielunterricht und machte eine Ausbildung als Übersetzerin (Englisch und Französisch).
Bevor Achim Graul bei Radio Luxemburg startete, war er mit seiner Band „Merseyteens“ in Deutschland unterwegs. Bei einem Besuch von RTL London wurde ihm ein Job als Sprecher für das deutsche Programm angeboten. „Rock ’n’ Roll-Music“, „Soundcheck“ und „RTL-Trommelfell“ waren typische Sendungen, die er moderierte.
Nach dem Krieg erarbeitete Hans Karl Schmidt in Montreal als Sprecher seine erste eigene Rundfunksendung („Dies und das zum Wochenende“) bei CHRS. Danach bewarb er sich bei allen deutschen Sendern. Während einer Mikrofonprobe beim deutschen Studio von Radio Luxemburg wurde er von Camillo Felgen entdeckt. Bei Radio Luxemburg nannte er sich nun fortan „Henry“. Er erfand einen virtuellen Partner namens „Atze“, mit dem er die Sendungen moderierte ‒ Atze bekam einen Berliner Dialekt, Henry sprach Hochdeutsch. 1964 verließ Hans Karl Schmidt den Sender.
„Franz“ Enno Spielhagen arbeitete von 1958 bis 1964 bei Radio Luxemburg. Sein Name entstand durch den Satz: „Wenn ihr beim Jazz Schularbeiten machen könnt, heiße ich Franz.“ Und so wurde er von den Zuhörern Franz daraufhin genannt. Er hatte einige Sendungen, die sich inhaltlich weder auf Pop noch auf Rock bezogen, und wies auf qualitativ hochwertige Schlager hin.
1963 begann „Jörg“ Jürgen Ebner bei Radio Luxemburg als Discjockey. Er war der Mann für alle Fälle und moderierte die „RTL Hitparade“ (als Nachfolger von Thomas Gottschalk und Bernhard Brink), „Neunzehn-Vierundzwanzig“ und „Rückblende“. Sein Spitzname war „Hit-Professor“. Jörgs Klassiker im Programm, die fast 30 Jahre liefen, waren „Hits aus aller Welt“ mit aktuellen Charts aus England und Amerika, „Gefragt ‒ gespielt“ als eine in das Abendprogramm eingebundene Sendung, bei der die Oldies-Wünsche der Hörer*innen erfüllt wurden. (Nicht alle genannten Sendungen stammen aus den 60er-Jahren).
„Rolf“ Röpcke (der eigentlich Wilfried heißt), kam 1968 zum Sender und begann als Sportmoderator. Auch den „fröhlichen Wecker“ übernahm er hin und wieder. Immer mit dabei war der Plüschaffe „Quietschi“. Seine persönliche Definition von RTL war: „Rundfunk Tiger Liebe“.
Bei Radio Luxemburg wurde aber nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch gesendet. Das englischsprachige Programm „2-0-8“ (sprich: two o eight) war vor allem in Großbritannien populär. Mit den ersten Piratensendern nahm die Zuhörer*innenschaft schließlich ab. Doch Piratensender hatten eine begrenzte Lebensdauer und waren längerfristig keine bedrohliche Konkurrenz.
Viele der damaligen Sprecher*innen von Radio Luxemburg sind heute noch bekannt, denn der Sender war ein ideales Karrieresprungbrett. Immerhin erreichte Radio Luxemburg zu Spitzenzeiten in den 60er- und 70er-Jahren 21 Mio. Zuhörer*innen. Rauschen, Knistern oder andere Störungen hielten junge Leute nicht davon ab, um jeden Preis Radio Luxemburg zu hören.
Ausschnitte aus Gesprächen des Rockarchiv Steiermark mit Jimmy Cogan (Weizberg, 04.09.2009) und Franz Posch (Wien, 14.01.2009).