In der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt erlernt Hermann Nitsch grundlegende druckgrafische Techniken wie Lithografie und Radierung. Nach seinem Abschluss nimmt er 1957 eine Stelle als Gebrauchsgrafiker am Technischen Museum Wien an. Bereits in dieser frühen Phase setzt er sich intensiv mit Themen auseinander, die später zentrale Elemente seines künstlerischen Werks bilden werden, darunter Kreuzigungs- und Kreuzabnahmeszenen sowie weitere Motive der christlichen Ikonografie. Auch die Beschäftigung mit der klassischen Kunstgeschichte, etwa mit Werken von Rembrandt, prägt sein Schaffen.
Wie viele Künstler*innen der Nachkriegsgeneration ist Nitsch auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, die sowohl von einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte als auch von einer Öffnung hin zum internationalen Kunstgeschehen geprägt ist. Ausdruck dieser Suche sind seine informellen Kritzel-Zeichnungen aus den Jahren 1959 bis 1961, die durch spontane, gestische und intuitive Linienführung wie schnelle Notationen wirken. Hierbei liegt der Fokus auf dem unmittelbaren Ausdruck und dem Prozess der künstlerischen Arbeit. Zur gleichen Zeit entstehen seine ersten Schüttbilder, bei denen er Farbe impulsiv auf die Leinwand gießt oder schleudert, wodurch ähnliche gestische Strukturen wie in den Zeichnungen entstehen.
1962 führt Nitsch seine erste Aktion durch, in der er die Farbe durch Tierblut ersetzt, um Themen wie Opfer, Tod und Erlösung radikal und jenseits traditioneller Kunstkonventionen zu gestalten. In weiterer Folge werden geschlachtete Lämmer, die er kopfüber vor die Wand oder in den Raum hängt, eine zentrale Rolle spielen. Auf Tischen werden symbolbehaftete Geschmacks- und Reizgegenstände wie Blut, Eidotter, Brot, Wein, Wasser, Zucker, Fleisch, Taschentücher, Verbandsstoff, Menstruationsbinden, Anilinfarben u. ä. zur weiteren Verwendung präzise aufgelegt. In den Zeichnungen skizziert er die Anordnung von Gegenständen und die Abfolge der Handlungen.