Ich frage nach Oluyenyetuye, Bronze aus Ife
Der Mond sagt, sie ist in Bonn
Ich frage nach Ogidigbonyingboyin, Maske aus Benin
Der Mond sagt, sie ist in London
Ich frage nach Dinkowawa, Thron aus Ashanti
Der Mond sagt, er ist in Paris
Ich frage nach Togongorewa, Büste aus Zimbabwe
Der Mond sagt, sie ist in New York
Ich frage
Ich frage
Ich frage nach Afrikas Erinnerung
Die Jahreszeiten sagen, sie sei verweht mit dem Wind
Der Bucklige kann seine Bürde nicht verbergen.
(Niyi Osundare, Africas Memory, 1998)
Ich frage nach Uhunmwun Elao, Bronzekopf aus Benin
Der Mond sagt, er ist in Wien.
(Samson Ogiamien, 2021)
Die Diskussion um die Restitution afrikanischer Kunstwerke und deren Präsentation in den jeweiligen Ursprungsländern hat gerade in letzter Zeit an Dynamik gewonnen. Das Gedicht des nigerianischen Dichters Niyi Osundare zeigt das Problemfeld eindrucksvoll auf. Die afrikanischen Länder und Gesellschaften sind im Rahmen der Kolonisation neben vielem anderen auch ihrer bedeutendsten Kunst- und Kulturgegenstände verlustig gegangen. Man hat diese Länder unter dem Vorwand, den Menschen dort etwas beizubringen, sie kennen und lieben zu lernen, systematisch ausgeplündert. Gewaltige Mengen von Kunst- und Kulturgegenständen gelangten so in die westliche Welt, füllen die ethnografischen Museen von Berlin bis Wien und von New York bis Paris sowie den internationalen Kunstmarkt. Die Verteilung des afrikanischen Erbes über die Museen der Welt hat allerdings in Afrika selbst einen Gedächtnisverlust gewaltigen Ausmaßes verursacht. Mobutu, ehemals zairischer Diktator, wies bereits zu Beginn der 1970er-Jahre darauf hin, dass jedes westliche, reiche Land, auch wenn es nicht die Gesamtheit der Meisterwerke seiner besten Künstler*innen besitzt, doch wenigstens einen großen Teil davon im eigenen Land aufbewahrt. So hat Italien Werke von Michelangelo, Belgien welche von Rubens, Frankreich viele von Renoir, Holland zahlreiche von Rembrandt oder Vermeer. Die Kunstschätze Afrikas sind jedoch überwiegend von ihren Ursprungsgesellschaften getrennt. Wie soll man dort den nachfolgenden Generationen die Geschichte und Kultur ihrer jeweiligen Länder vermitteln?