Die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts radikalisierten Tendenzen der Konzeptualisierung und Immaterialisierung des Kunstobjektes, die schließlich mit der Auflösung des Objektstatus des Kunstwerkes selbst endeten. Lucy R. Lippard fand für diesen Prozeß den Begriff der Dematerialisierung des Kunstobjektes. Die Epoche der Moderne ist mit der Auflösung des Kunstobjektes zu Ende gegangen und das gesamte Programm der Moderne wurde in den folgenden Jahrzehnten einer Kritik, Revision, Relektüre oder Neuauflage unterworfen. Als Ergebnis der konservativen Kritik landete die Kunst wieder in retrograden Träumen diverser Neoavantgarden. Als Ergebnis der progressiven Kritik der Moderne wurde das moderne Objekt durch Handlungsanweisungen und kommunikative Akte ersetzt. Peter Friedl ist einer der wenigen Österreicher, die über die begriffliche Strenge und das künstlerische Vermögen verfügen, diese Entwicklung der Kunst zu einer erhöhten Komplexität auf internationalem Niveau mitzuverfolgen und voranzutreiben. Er hat insbesondere die entscheidende Verlagerung der Dematerialisierung von der formalen auf die inhaltliche Ebene, d.h. von der Makrosphäre des Formalismus (Makro-Ästhetik) zur Mikrosphäre des Sozialen (Mikro-Politik), verstanden und daher die Spielregeln der Kunst von rein ästhetischen Regeln der Objektkonstruktion in die Rahmenbedingungen sozialer Handlungsfelder übertragen. Indem er seine künstlerischen Handlungsfelder ausdehnte bis zur Emanzipation unmarkierter Zonen und verdichtete lineare sinnerzwingende Zeichenketten entkettete, schuf er offene Handlungs- und Zeichenfelder, wo plurale und multiple Beziehungen, die Sinn produzieren, vom Betrachter selbst erzeugt werden können. Die Präzision mit der Friedl dabei alle Übereinkünfte des Kunstbetriebes düpiert und darüber hinausgehend auch den Scheinkonsens aller Gesellschaftsverträge (vom Multikulturalismus bis zur Kleiderordnung) aufdeckt, zeugt von seinem künstlerischen Rang. Die Qualität seiner Kunst drückt sich nicht aus in obsoleten formalästhetischen Kriterien, sondern im Aufspüren verdeckter Ideologeme, versteckter Widersprüche sozialer Systeme und der davon abgeleiteten politischen Heucheleien und Lügen. Was er sichtbar macht, sind unsichtbare Instanzen der Zensur, sowohl der Selbstzensur wie der Fremdzensur, sowohl der Intimsphäre wie der Öffentlichkeit. Daher stößt sein Werk insbesondere in Österreich auf Widerstand und verfällt den üblichen Mechanismen der Verdächtigung, Verdrängung und Vertreibung.
Die Neue Galerie Graz, der Neue Berliner Kunstverein, der FRAC Languedoc-Roussillon in Montpellier und das Palais des Beaux-Arts in Brüssel sind daher besonders interessiert, den künstlerischen Interventionen Peter Friedls im sozialen Feld, die von der sprachlichen Formulierung bis zur materiellen Inszenierung alle Register der Subtilität, Subversion und Ironie spielen, ein Forum zu bieten. Wir danken dem Künstler sowie dem Oktagon Verlag für die Gelegenheit, die Position Peter Friedls erkennbar zu machen und kohärent vorstellen zu können. Unser Dank gilt insbesondere auch Roger M. Buergel, der die Texte zu den hier vorgestellten Projekten verfaßt hat.
* 1960 in Oberneukirchen (A) Lebt und arbeitet in Berlin und New York