In den drei Räumen „Im Hof“ präsentiert die Neue Galerie Graz eine Auswahl aus den Neuzugängen in ihre Sammlung in den Jahren 2002 und 2003.
Für die Sammlung des 19. Jahrhunderts ist vor allem ein Ölbild Franz Steinfelds „Blick auf Hallstatt“ (um 1836) hervorzuheben. Dieses Gemälde fügt der Reihe von Salzkammergut-Ansichten dieses Künstlers in der Neuen Galerie einen weiteren Aspekt hinzu und macht die Sammlung der NG zu einer der bedeutendsten in Österreich für diesen Mitbegründer der österreichischen Biedermeierlandschaft. Von Josef Kuwasseg konnten einige Beispiele seiner topgrafischen Aufnahmen von Graz und seiner Umgebung erworben werden: Ansichten der Schlösser Reinthal und Lustbühel. Ergänzend zu dem großen Ölbild der Basilika von Mariazell (1817) des Grazer Biedermeier-Malers Ignaz Hofer, das vor drei Jahren in die Sammlung kam, wurde eine etwas spätere Variante dieses Motivs (Bleistift, aquarelliert, 1822) von seiner Hand erworben. In diesen Bereich der Sammlung – steirische Kunst der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts – gehört auch die Vorzeichnung zu einem Bild: zur „Ansicht von Judenburg“ (1840/50) von Conrad Kreuzer.
Die Dokumentation steirischer Künstler/innen des 20. Jahrhunderts konnte durch die private Leihgabe einer interessanten Kreuzigungsdarstellung von Axl Leskoschek aus den 1920er-Jahren erweitert werden. Das Ölbild „Die Familie“ von Johannes Wohlfart (1928) stellt den Grazer Fotopionier Alexander Stern mit Frau und Tochter dar, und enthält somit wichtige Bezüge zur lokalen Kulturgeschichte dieser Zeit. Die Ansicht eines ungarischen Bauernmarktes von Paul Schmidtbauer vermittelt einen Eindruck des Schaffens dieses wichtigen steirischen Künstlers in den 1930er-Jahren. Ein kleines Aquarell Gottfried Fabians ergänzt die Reihe seiner bereits vorhandenen wichtigen Ölbilder.
Der Sammlungsschwerpunkt Wiener Aktionismus wurde mit einem frühen Vintage-Print von Günter Brus „Strangulation“ und zwei Farbfotos von Hermann Nitsch (2003) ausgebaut. Von Otto Muehl konnte ein Gemälde aus dem Jahr 1981 („Verschlungene Frauenkörper“) erworben werden. Die umfangreiche Sammlung österreichischer Positionen der Malerei der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde durch ein Gemälde Kurt Kocherscheidts, der bislang fehlte, „Huldigung Hans Makart“ von 1969, ergänzt.
Zum Thema „utopische Architekturen“ – seit den legendären Trigon-Ausstellungen der 1960er- und 1970er-Jahre in der Sammlung prominent vertreten – ist eine spannende, großformatige Bleistiftzeichnung Max Peintners zu zählen sowie eine Fotocollage Paul Virilios („Bunker-Archäologie“, 1993), die aus der Ausstellung „M_ARS“ (Neue Galerie XII 2002 bis III 2003) erworben wurde, und weiters eine Fotocollage der rumänischen Künstlerin Geta Bratescu („Magnets in the City“, 1974) aus der Ausstellung „In search of Balkania“ (Neue Galerie X–XII 2002).
Eine für Graz besonders wichtige Arbeit ist Jean-Jacques Lebels „Sacher Masoch, the founder of Masochism“ von 1962, mit ihrem Bezug zur Arbeit Sacher-Masochs, der viele Jahre in Graz gewirkt hat und dessen Leben und Wirkungen auf Kunst und Kultur in der Hauptausstellung der Neuen Galerie zu Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas „Phantom der Lust“ (IV–VIII 2003) gezeigt worden ist. Lebel war ein bedeutender und eminent politisch arbeitender Künstler mit engen Verbindungen zur Fluxus-Bewegung und den Situationisten der 1960er-Jahre. Aus „Phantom der Lust“ konnten weiters die Illustrationen für die Neuausgabe von Sacher-Masochs „Venus im Pelz“ von Günter Brus erworben werden, der handkolorierte Radierungszyklus Salvador Dalis zum gleichen Thema sowie die frühe Arbeit von Adolf Frohner „Objekt für Voyeure“ von 1966.
Ebenfalls aus„Phantom der Lust“ wurde die Arbeit Nicole Tran Ba Vangs „Collection printemps/été 2001“ gekauft, die als Plakatmotiv dieser Ausstellung Verwendung fand. Reflexionen zur Position der Frau in der Gesellschaft vermitteln die Fotos von Elke Krystufek, Trägerin des Wilfried Skreiner-Preises 2001 „Elke Krystufek liest Otto Weininger“ von 1993. Cosima von Bonins großformatiges Foto „P.O.S.H.“ kam als Geschenk der Künstlerin anlässlich ihrer von der Neuen Galerie im steirischen herbst 2002 veranstalteten Personale „Fondorientierte Ausstattung“ in die Sammlung und wird von ihrem Multiple „Life is too short to stuff a mushroom“ zu einem poetischen Ensemble ergänzt.
Eine wichtige internationale Position der Architekturfotografie nimmt Candida Höfer mit ihrer Arbeit „Bibliotheka UNED Madrid“, 2000, ein, zu dem die Fotos von Iosef Kiraly, in denen er sich mit einer Roma-Ansiedlung bei Bukarest befasst, einen reizvollen Gegenpol bilden (aus der Ausstellung „In search of Balkania“).
Die Aufgabe der Neuen Galerie, zeitgenössische junge Kunst, vor allem von steirischen Künstlern, zu sammeln, konnte mit einigen sehr qualitätvollen Arbeiten erfüllt werden: Intelligent und witzig ist die „Plastik“ genannte Skulptur Franz Kapfers (2003), in der er „billiges“ Material mit „teurer“ Form kombiniert. Constantin Luser bringt den „realen“ sozialen und die „virtuellen“ Räume des Computers und der persönlichen Gedanken in feingliedrigen Zeichnungen zusammen.
2003 setzte die Artothek des Bundes ihre Ankäufe zur Förderung junger österreichischer Künstler fort und stellte der Neuen Galerie wieder einige Leihgaben steirischer Künstler zur Verfügung: Mit dem öffentlichen Raum beschäftigen sich die Arbeiten von Andrea Ressi, die die von Otto Neurath entwickelte und international als Hinweissymbolik eingesetzte Sprache vereinfachter Zeichen zu kleinen Narrationen verwendet und auf diese Weise in eigenartige Schwebe versetzt. Eine dezidiert fortschritts- und wissenschaftskritische Position nehmen die als Warntafeln gestalteten Arbeiten Oliver Resslers ein, Markus Wilfling (der Gestalter des „Uhrturmschattens“) setzt mit seiner Arbeit o. T. (Handbremse), 2001, seine Reflexionen zu Dingen des täglichen Gebrauchs fort. Martin Gansberger und Nina Wirnsberger fotografieren in „Signs of Civilization“ jene Flecken, die gebrauchte Kaugummis auf dem Asphalt hinterlassen und markieren damit Orte, die vor allem Jugendliche stark frequentieren. Markus Gansberger und Verena Resch bringen mit ihrer „Schaukel“ (2001) einen sehr heiteren, spielerischen Aspekt zur Wahrnehmung von Zeit und Raum herein.