Im Studio der neuen Galerie wird es 2004 zu einem Schwerpunkt des Mediums Skulptur kommen. Gerade in den letzten Jahren haben sich viele bemerkenswerte aktuelle Ansätze dieses so traditionell anmutenden Mediums ergeben. International wie österreichweit werden diese Entwicklungen heftig rezipiert. Man denke nur an Künstler wie Björn Dahlem, Olafur Eliasson oder den Österreicher Erwin Wurm.
Nach Zeiten in denen sich der Skulpturbegriff in Raum- bzw. Medieninstallationen auflöste, scheint es gerade in letzter Zeit in der jüngeren und jüngsten Generation von KünstlerInnen zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Skulptur als Objekt, als Materialisation einer Idee nach selbstauferlegten Regeln, zu kommen. Diese Form der Skulptur folgt nicht einem bestehenden Phänomen in der Malerei, wie es bspw. in den 1980er Jahren mit der "Neuen Plastik" in Anlehnung an die "Neue Malerei" war. Es ist nicht eine bestimmte Ästhetik, die als Merkmal existiert, vielmehr ist es die Vielfalt der skulpturalen Möglichkeiten, die gleichzeitig existieren. Durch die Erfahrung mit den neuen Bildmedien wird die Struktur der Gleichzeitigkeit in vielen unterschiedlichen Bereichen wirksam, so auch in der bildenden Kunst. Dazu kommt noch die gegenseitige Bereicherung durch die Kategorien Fotografie, Malerei, Zeichnung und Skulptur. Die Angst vor postmoderner Beliebigkeit scheint abgelegt zu sein und man bedient sich selbstverständlich der Errungenschaften der Objektkunst, der Minimal-Art, der Arte Povera, der narrativen, gegenständlichen oder verschiedenen Formen der kinetischen Kunst. Die Tatsache dass sich eine Skulptur bewegt, ist nicht mehr die Sensation, vielmehr wird nach den sozialen und ästhetischen Kontexten gefragt, warum bspw. eine Skulptur sich bewegt, wobei es durchaus zu comicartigen Ausformungen kommt, wie bei den geschnitzten und bemalten Skulpturen von Karin Frank.
"Mmh, das gute Essen, schade dass es am nächsten Tag nur noch Scheiße ist", soll Adalbert Stifter geäußert haben.
Die junge Bildhauerin Karin Frank beschäftigt sich sehr eingehend mit den menschlichen Ausscheidungen. Auf weltkugelartigen Gebilden isoliert sie Einzelfiguren oder kleine Figurengruppen. Meist sind sie in obszöne Handlungen bzw. solchen der Ausscheidung verwickelt. Es existiert eine scheinbare Widersprüchlichkeit zwischen dem drastischen Inhalt und der harmlosen Ästhetik, die an Spielzeug oder Volkskunst erinnert. Die sprichwörtliche Anwendung des Wortes "Scheiße", das immer gesellschaftsfähiger wird, scheint hier besondere Bedeutung zu haben. Wer hat nicht schon ausgerufen: "ich scheiß auf alles", "alles Scheiße" oder "beschissen". Wie man sieht, produziert der Mensch nicht nur physikalisch, sondern auch symbolisch sehr viel Scheiße. Erst mit höheren Hygienestandards ist auch die starke Aversion gegen diesen Stoff gestiegen. Es gibt einige Naturvölker, die heute noch mit Fäkalien Haarpflege betreiben und kosmetische Stoffe erzeugen. Im Land von Freud und dem Wiener Aktionismus ist das Exkrement ein besonderer Stoff - man denke nur an die Freudsche Auseinandersetzung mit der phallischen fäkalen Säule, die aus dem After kommt. Der Wiener Aktionismus hat alle Körperprodukte als Material (Malmittel) oder zur provokativen Geste gegen obsolete, enge Konventionen eingesetzt. Auch international haben sich Künstler von Piero Manzoni bis John Miller mit diesem besonderen Körperprodukt auseinandergesetzt. Manzoni machte mit seiner "Merda d'artista" darauf aufmerksam, dass ästhetische Objekte und in der Folge auch der Künstler in seinem Starkult gleich funktionieren wie alles andere auch in der kapitalistischen Ökonomie.
Karin Frank geht sehr selbstverständlich mit den scheinbaren Abscheulichkeiten des Menschseins um und zeigt die Menschen als isolierte an ihrer Körperlichkeit verzweifelnde Wesen, deren Ausweg wohl nur eine Sehnsucht bleiben wird. Letztlich scheinen wir, wenn wir scheißen, jedes Mal zu verifizieren, dass wir nicht göttlichen Ursprungs sind.
(Günther Holler-Schuster)
Karin Frank, geboren 1972 in Wien, studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Michelangelo Pistoletto. www.karinfrank.com