Der Wunsch der Avantgarde nach einer Überführung der Kunst ins Leben bis hin zur Aufhebung von Kunst durch die Realität bedeutet im Wiener Aktionismus nicht nur ein Ersetzen klassischer künstlerischer Parameter durch das reale Objekt und das unmittelbare Agieren des Künstlers vor Publikum.
Ausgehend von der Idee einer expandierenden Malerei löst das reale Objekt zunächst die Farbe, das Werkzeug und die Leinwand ab. Bei Brus bedeutet die Selbstbemalung in der Folge ein Ersetzen der Leinwand durch die Haut.
SELBSTBEMALUNG = bewältigte SELBSTVERSTÜMMELUNG. SELBSTBEMALUNG = unendlich ausgekostete SELBSTENTLEIBUNG. (Günter Brus, 1965)
Über formale Eingriffe in künstlerische Traditionen hinausgehend, entwickelt sich eine Körperkunst, die über die Schwelle des äußerlich Wahrnehmbaren in die Ebene der Psyche, ins Innere, vordringt.
Mein Körper ist die Absicht, mein Körper ist das Ereignis, mein Körper ist das Ergebnis. (Günter Brus, 1964)
Der Körper als Vermittler innerpsychischer Vorgänge übernimmt deren Dechiffrierung und Decodierung und bringt sie als authentische innere Wirklichkeit an die Oberfläche. Die scheinbar “objektive” äußere Wirklichkeit soll in der Aktion durch den Durchbruch reiner, unvermittelter Sinnesäußerungen als soziologisches Konstrukt entlarvt werden.
Die Ausstellung zeigt einen Abriss des “performativen Brus” - fotografische und filmische Aktionsdokumentationen sowie Aktionsskizzen aus dem BRUSEUM in der Neuen Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum und sie versucht, der Bedeutung der Psychoanalyse im Werk Günter Brus’ Raum zu geben.
Anke Orgel