"Vom Vorbildlichen zum Urbildlichen! Anmaßend wird der Künstler sein, der dabei bald irgendwo stecken bleibt. Berufen aber sind die Künstler, die heute bis in einige Nähe jenes geheimen Grundes dringen, wo das Urgesetz die Entwicklung speist." (Paul Klee)
Die Welt um uns herum ist bunt geworden. Farbig sind die Informationsstrukturen und vom Bild geprägt. Haben bis vor kurzem noch Zeilen, also lineare Texte, unsere Kodifizierungen bestimmt, sind es jetzt mehr und mehr Flächen (Fotos, Fernsehschirme, Projektionsleinwände), die zu Informationsträgern werden. Wie in analphabetischen Kontexten sind Bilder wieder die offiziellen Medien.
Mit der Erfindung des Buchdruckes hat sich das Bild nicht abschaffen lassen (es wurde nur in den Bereich der Illustration, der Darstellung verdrängt), genauso wird sich wohl die Schrift nicht im Bild auflösen. Vielmehr ist von einer Dialektik zwischen Bild und Text auszugehen. Wenn man Text mit Konzeption und Bild mit Imagination verbindet, so wird folglich die Konzeption immer imaginativer und die Imagination immer konzeptueller. Mittlerweile werden die elektronischen Bilder zum Instrument der Durchdringung von linearen textlichen Strukturen und somit selbst zum Text. Ähnlich wie beim psychedelischen Erlebnis entsteht der Eindruck der Simultaneität und der Vielgesichtigkeit. Marshall McLuhan folgend "ersetzen im elektronischen Zeitalter die Medien das Eins-nach-dem-anderen durch das Alles-auf-einmal...", womit nicht nur die viel zitierte Bilderflut gemeint ist, die in den Informationsstau mündet, vielmehr scheint man der Überwindung von Raum und Zeit näher gekommen zu sein.
Die bildende Kunst ist selbstverständlich von diesen Entwicklungen genauso erfasst und bezieht sie in ihre Welterklärungsmodelle mit ein. Die Verbindung von privater und öffentlicher Sprache ist seit längerem in der Kunst virulent. In einer Art Meta-Sprache, die Bild und Text integriert, referiert eine jünger KünstlerInnengeneration kritisch die Mittel bspw. des literarischen Zitats, der Werbung, der Comicstrips oder wie im vorliegenden Fall auch die lange Tradition der Bilderschrift.
Franz Konrad, der lange Zeit in Mexiko lebte und dort mit der altamerikanischen Kulturentwicklung vertraut wurde, die er mit seiner eigenen westlich kapitalistischen Prägung verbindet, bewegt sich auf diesem zuvor erwähnten Weg der Gleichzeitigkeit. Formal ist dabei eine Verflechtung von Text und Bild zu einer in sich geschlossenen Einheit charakteristisch. Seine meist grell farbigen, großformatigen, mehrteiligen Tableaux sind eher als Bedeutungsträger zu verstehen, denn als auf sich bezogene Malereien. Die entstehenden Bildzusammenhänge lassen sich unmöglich als einfache Geschichten lesen, werden aber doch nie unverbindlich. Spontane Notizen und Überlegungsskizzen, die Vorstufen zu realen Großprojekten sind (Hotelanlage in Mexiko, Studio zur Produktion von künstlichen Inseln), verbinden sich zu scheinbar undurchdringbaren Paralleluniversen. Seine Methode verlangt zunächst die Konstruktion voneinander getrennter Bildzonen, deren Wechselbeziehung sich erst nach Fertigstellung der gesamten Arbeit erschließen. Dabei wird nur ein vorläufiges Ende erreicht, den die Komposition ist erweiterbar und bei eventuellem Verkauf bspw. nur eines Teiles, auch wieder ergänzungsfähig. Jeder Teil des Bildes ist ebenso wichtig wie irgendein anderer, wird aber zuerst als autonome Einheit und dann erst im Verhältnis zum Ganzen des Systems gesehen. Comicstrips als Spiel mit Zeitlichkeit und Narration bieten sich hier als Basis an. Nicht weil Franz Konrad etwas für Kitsch generell übrig hätte, oder weil er die Exotik von Comicheften schätzt, sondern als selbstverständliche Erzählform wendet er diese Struktur an.
Comics stellen eine reiche Bildquelle dar, die zeitgenössische Mythen oder Werte klar und für die Kultur der Allgemeinheit verständlich machen und widerspiegeln. Womit wir wieder bei den Formen der aztekischen Bilderbücher angelangt sind, die nicht gebunden waren, sondern aus mehreren Meter langen Papierstreifen bestehen. Dabei hat man weniger mit Schrift zu tun, als mit gruppenweisen Darstellungen mythologischer Figuren, die in leuchtend starken Farben widergegeben wurden, was nicht zuletzt auch auf psychoaktive Halluzinogene wie bspw. Peyotl, als fester Bestandteil dieser Kulturen, zurückzuführen ist. Die Perspektive war den alten Mexikanern ebenso unbekannt wie den alten Ägyptern oder Chinesen. Man half sich mit der Anordnung mehrerer Gruppierungen übereinander statt hintereinander. Dem folgend verdichtet sich die Bildfläche bei Konrads Praxis zu einem narrativen "All Over", das kein Zentrum mehr erkennen lässt.
Inhaltlich geht Franz Konrad sowohl von realen Vorstellungen aus (bspw. urbanen Strukturen, architektonischen Konzepten etc.), aber auch von sozialen Überlegungen. Die Lebensbedingungen und Anforderungen der Menschen Süd- und Mittelamerikas, werden dabei genauso bedacht, wie die Dekadenz der westlich kapitalistischen Welt. Ökokatasrophen in der Karibik lassen sich einerseits dokumentieren, womit die Betroffenheit steigt, andererseits ist man gezwungen damit zu leben und nach Lösungsvorschlägen zu suchen. Franz Konrad verbündet sich mit den Unterprivilegierten und versucht deren kulturelle Tradition und soziale Gegenwart mit seinem eigenen Entwicklungsstand zu verbinden. Seine Kunstpraxis unterstützt ihn dabei die Problematik zu erfassen. Er verschmilzt das Historische mit dem Gegenwärtigen das Fremde mit dem Eigenen und transformiert sie zu apokalyptischen wie gleichzeitig paradiesischen "Trips". Somit ist der Betrachter aufgefordert im psychedelisch anmutenden Farb- und Formenkosmos Kristallisationspunkte zu finden - eventuell sogar Lösungen.
Franz Konrad ist 1973 in Graz geboren worden, wo er 1998 an der TU sein Architekturstudium abgeschlossen hat. Er hat mehrere Jahre in Mexiko-City gelebt. Zur Zeit ist er unsteten Aufenthaltsortes und bewegt sich zwischen Graz, New York und Mexiko-City hin und her. Die Ausstellung im Studio der Neuen Galerie ist seine erste Einzelausstellung. Für 2004 plant er die Realisierung eines größeren Projektes in New York.