Wenn man den bildtheoretischen bzw. bildkritischen Forschungen folgt, hat man grundsätzlich mit zwei Arten von Bilden zu tun: mit exogenen (Medienbilder, technische Bilder der Wissenschaft, Dokumentarbilder unterschiedlicher Art, etc.) und endogenen Bildern (Denkbilder, Traumbilder, Erinnerungsbilder, Sprachbilder, etc.). Äußere und innere Bilder sind es also, die unseren visuellen Kosmos bestimmen. Zwischen diesen beiden Polen eine Vermittlung zu schaffen, versucht die Kunst seit Jahrhunderten mehr oder weniger erfolgreich.
Ernst Koslitsch versucht in seiner Arbeit, Vorgänge wie das Festhalten von Träumen oder Gedanken oder die Wiedergabe endogener Bilder transparent und nachvollziehbar zu machen. Wenn er z. B. gesehene Architekturen aus der Erinnerung nachbaut und sie dann fotografiert, um diese Fotos anschließend an die Wand zu montieren, vollzieht er ein kompliziertes Spiel und macht uns auf Tücken der Wahrnehmung aufmerksam. Entsprechend mangelhaft sind diese Nachbauten. Sehr bewusst setzt er für die endgültige Ausformung auch die Schwarzweißfotografie ein, die wahrnehmungspsychologisch stärker als Dokument einer bereits abgeschlossenen Handlung erlebt wird. Koslitsch nimmt auf diese zeitliche Komponente Bezug, wenn er seine als „Reise, Reise“ betitelten Erinnerungsfotos in Schwarzweiß endproduziert. Diesen Bildern wohnt eine Ambivalenz inne, die darauf basiert, dass die erlebte Realität nach Möglichkeit simuliert wird, dass man als Beobachter aber dennoch gleich erkennt, dass man es mit Modellen zu tun hat. Koslitschs Bilder besitzen ein sehr großes Täuschungspotenzial. Das hat letztlich auch damit zu tun, dass er die Manipulation nicht nachträglich vornimmt, sondern diese von Beginn an zur Bedingung des Bildes macht: Die Simulation ist als Voraussetzung gegeben und wird nur mehr auf das bilderzeugende Medium abgeschoben. Somit ist diese Fotografie sogar als objektiv anzusprechen. Sie zeigt das Vorgefundene. In einem weiteren Schritt treibt Koslitsch das Spiel weiter, indem er simulierte Realität mit tatsächlicher Realität verbindet. Es sind wieder Modelle von Architekturen, die mit kleinen Fehlern ausgestattet sind, die einen Anteil an der Verwirrung tragen. Zusätzlich werden diese erneut abfotografierten Modelle mit Fotos von Menschen in unterschiedlichen Situationen zu Fototableaux verbunden. Die handelnden Personen in den Fotos werden in Verbindung mit den Modellen selbst zu Versatzstücken dieser Modellwelt, als Teil einer Konstruktion von Wirklichkeit. Das Modell ähnelt so gesehen einem Fenster, das Einblicke und Ausblicke ermöglicht, es weist auf die Dialektik von exogenen und endogenen Bildern hin. Ernst Koslitsch fungiert dabei sowohl als Experimentator wie auch als Versuchsperson, die diesem Prozess genauso ausgesetzt ist wie wir alle.