Benötigt man zum Betrachten, also zum Gebrauch eines Kunstwerkes, eine Bedienungsanleitung oder muss man es auf komplizierte Weise erst starten, um es zugänglich zu machen? Was, wenn man dabei Kategorien vermischt — d.h. wenn man die technischen und die inhaltlichen Parameter im selben System vermutet, oder die physischen und psychischen Bedingtheiten von Künstler und Betrachter auch noch mit einbezieht? Gibt es ein Jagdfährtenmischpult, noch dazu mit Assoziationsregler, das an Vorstellungsquellen angeschlossen ist und mittels fünf Gedankenschiebern]Assoziation, Absicht, Finanz, System und Humor] wirksam wird? Das alles scheint möglich geworden zu sein. In der bildenden Kunst und der Wissenschaft werden selbstverständlich Möglichkeiten erdacht und erprobt, die unseren Fortschritt — theoretisch, wie praktisch — erweitern. Constantin Lusers Kunst ist genau in diesem Spannungsverhältnis angesiedelt. Als Industrial Designer ist Luser ideal ausgebildet, wenn man die Anforderungen und Bedürfnisse der heutigen Entwicklung und deren Darstellung, in Betracht zieht. Als Industrial Designer muss er sich exakt über Bedürfnisse bewusst sein und darüber hinaus muss er diese auch wecken können. Die Funktionalität eines Produktes oder einer Apparatur, sowie die Ästhetik, sind für ihn die Hauptkoordinaten. Die Entwicklung, zunächst am Papier, dann als Prototyp am Prüfstand, sind selbstverständliche „Evolutionsschritte, hin zum perfekten Objekt. In Constantin Lusers Fall steht am Ende keine multifunktionale Hochpräzisionsmaschine (einsetzbar in Haus und Garten]. Vielmehr verbirgt sich hinter dieser Praxis ein Kunstwerk ]auch einsetzbar in Haus und Garten]. Er führt gleichsam ein Handlungsfeld — die Entwicklung einer Apparatur bzw. eines technischen Systems — als Kunst vor. Es entsteht somit eine, vom Handlungsfeld bestimmte, aber in ihrer Ausformung dasselbe zitierende Anordnung. Luser arbeitet in assoziativen Zusammenhängen zwischen Kunst, Gesellschaft und Industrie. Mit einer radikalen Vereinfachung der künstlerischen Mittel unterläuft er die Arsenale der Medienkunst. Er gehört jener Generation junger Künstlerinnen an, für die die elektronischen Möglichkeiten selbstverständlich vorhanden und zugänglich sind. Er wendet das Vokabular der Medienkunst –im wahrsten Sinne des Wortes - an baut Assoziationsketten auf und erdenkt daraus sich ergebende Konsequenzen. Das ergibt eine kritische Auseinandersetzung mit der Medienkunst, die typisch ist für diese Generation, welche die technischen Möglichkeiten reflektiert, ohne sie notwendigerweise einzusetzen. Im Konkreten heißt das, der Künstler hat in unzähligen bauplanartigen Zeichnungen — entstanden in den letzten Jahren — eine Gegenwelt erstehen lassen, in der reale Bezüge zentral erlebbar, jedoch ihrer üblichen Bedeutung und Funktionen oft beraubt sind. Technische Utopien existieren dabei parallel zu organischen und informationstechnischen Überlegungen. Organische Formen werden dabei häufig zu modellhaften Grundstrukturen, die weit über die illustrative Abbildung hinausweisen. Man fühlt sich an Vorgangsweisen der Bionik erinnert, wo auch Naturformen (Zellstrukturen, Muschelformen, oder der Aufbau eines Pflanzenstengels bspw.] die Basis für Architekturen oder konstruktive Elemente bilden. Analogien und Homologien spielen dabei eine große Rolle. Gemeint ist dabei die Analogie als Methode der Äußerung allgemeiner Entwicklungsgesetze in ihrer konkreten Erscheinung. Im Unterschied dazu orientiert sich das Prinzip der Homologie nach den historischen Zusammenhängen zwischen der Tätigkeit der Menschen und den biologischen Organismen. Beides wird evident: Wenn Analogien als Beweis für die Übereinstimmung der Merkmale von ihrem Ursprung nach verschiedenen Objekten dienen, so sprechen die Homologien im Gegensatz dazu für das Abweichen von Merkmalen ehemals verwandtschaftlicher Objekte. Natürlich hält sich der Künstler nicht an diese Systematik, wie er generell die Logik innerer Ordnungen zwar meint, sie jedoch verschleiert und bestimmten Konsequenzen folgend transferiert. Somit nützt er die Freiheit des Künstlerischen, die er aber frühen Phasen wissenschaftlicher Überlegungen gleichsetzt. Auch in wissenschaftlichen Denkstruktur steht zuerst die Idee, die jedoch der Methode folgend, erst viel später zur Gesetzmäßigkeit gerinnt. Als Industrial Designer findet sich Luser in einer ähnlichen Struktur, nur steht dort am Ende ein funktionelles, den ästhetischen Anforderungen entsprechendes Objekt. Nur die Kunst lässt ihm ein Resultat zu, das seinen Überlegungen am ehesten entspricht kommt und den praktischen Nutzen weitgehend außer Acht lassen kann. Man kann sich mit einem schnelleren Fahrzeug auch schneller bewegen — mit einem längeren Schlafsack ist es aber nicht notwendigerweise der Fall, dass man länger schläft.