Mit der Ausstellung "bit international. [Nove] tendencije: Computer und visuelle Forschung" widmet sich die Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum einer der wichtigsten internationalen Strömungen der 1960er Jahre, die seinerzeit von enormer Wirkung war, aber heute aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt und für die Kunstgeschichte beinahe verloren ist. Obwohl in Venedig und Paris zahlreiche Ausstellungen unter dem Titel "Neue Tendenzen" oder "Nouvelle Tendance" stattfanden, ist der Ort ihres Ursprunges, Zagreb, aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwunden. Beginnend mit einer Konzentration auf konkrete und konstruktive Kunst hat sich 1965 in Zagreb eine Biennale entwickelt, die ihren Avantgarde-Anspruch aufrecht erhielt, indem sie 1968 den Computer als Medium "künstlerischer Forschung" einführte. Zeitgleich zur legendären Ausstellung "Cybernetic Serendipity" am Londoner ICA 1968, die als erste große Computerkunstausstellung gilt, fand in Zagreb ebenfalls ein Kolloquium mit Ausstellung computergenerierter Kunst statt, tendencije 4.
Bis 1973 widmete sich die Galerie für zeitgenössische Kunst in Zagreb - heute das Museum für zeitgenössische Kunst - in einer Reihe von Ausstellungen, Symposien und Publikationen dem "Computer und der visuellen Forschung". Sie präsentierte sowohl originär künstlerische als auch wissenschaftliche Projekte. In der Hochzeit des Kalten Krieges reisten KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt nach Zagreb - aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, der Tschechoslowakei, Polen, Russland und den USA. Mit der von der Galerie herausgegebenen mehrsprachigen Zeitschrift Bit International wurde Zagreb zu einem Initiationspunkt ästhetischer und medientheoretischer Reflexion, dem zu diesem Zeitpunkt weltweit nichts Vergleichbares entsprach. 'Tendencije 4' versuchte den historischen Übergang, in dem der Computer, die zeichenverarbeitende Maschine, erstmals als Maschine künstlerischer Kreation wahrgenommen wurde, bewusst zu begleiten und zu formen. Die Künste der elektronischen Medien wurden nicht als isoliertes Phänomen betrachtet, sondern in die Geschichte und den Diskurs der bildenden und performativen Künste einbezogen.
In Zusammenarbeit mit dem Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb und einem internationalen Netzwerk aus Sammlern und privaten Archiven kann durch die von Darko Fritz kuratierte Ausstellung erstmals ein Überblick der "Tendencije"-Ausstellungen und der Publikationen von Bit International zusammengestellt werden: 106 Künstler und Künstlergruppen werden mit mehr als 350 Werken (Grafiken, Filme, Skulpturen, Gedichte, Theaterstücke und künstlerische Konzepte) präsentiert. Außerdem wird in der Ausstellung erstmals eine Reihe von digital aufbereiteten Tonaufnahmen von mehr als 50 RednerInnen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die im Zeitraum 1968 bis 1973 im Zuge von Symposien in Zagreb entstanden sind.
Die Ausstellung in der Neuen Galerie Graz wird begleitet von einem 96-seitigen Katalog in deutscher Sprache. Ein ausführlicher Katalog in englischer Sprache wird im Jahr 2008 bei MIT Press veröffentlicht und begleitet die Fortsetzung dieses Ausstellungsprojekts am ZKM Karlsruhe.