Die Arbeiterinnen waren zu Recht besorgt. "Jedoch wurde die Zahl der Arbeitspersonen durch Neuaufnahme nicht ergänzt, sondern durch Aufstellungen von Maschinen die Arbeitskräfte ersetzt", klagt die Arbeiterschaft der k. k. Tabakfabrik 1910. "Die Maßregel trifft die Arbeiterschaft schwer, da die Arbeitslosigkeit immer größer wird." Das historische Schriftstück endet mit der Bitte an die Generaldirektion, "die Aufstellung von Maschinen in einem langsameren Tempo vorzunehmen."
Der Zug war jedoch schon längst abgefahren. Bald nach dem Beginn der Zigarettenproduktion im Jahr 1873 wurde in Fürstenfeld die Fertigung von Handarbeit auf Maschinenproduktion umgestellt. Die ersten Maschinen kamen aus Frankreich – wie diese "La Neva" aus dem Jahr 1885, gebaut von der Pariser Firma Decouflé. La Neva ist ein eher kleines, aber elegant gebautes Räderwerk, das, angetrieben von einer Dampfmaschine, 6.000 Zigaretten pro Stunde stopfte und die Tätigkeit von 120 Arbeiterinnen ersetzte.
Und sie ist Zeitzeuge von doppelter Bedeutung: Sie ist Zeuge für die Industrialisierung Europas im 19. Jahrhundert, die das wirtschaftliche, politische und soziale Leben verändern, die alte Berufsbilder auslöschen und neue schaffen wird.
Und sie ist Zeuge einer kulturhistorischen Epoche, die im 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt erlebte und die in unseren Tagen zu Ende ging: Rauchen prägte jahrzehntelang unser Leben. Auch wenn es sich viele junge Menschen kaum vorstellen können: Geraucht wurde immer und überall.
Die österreichischen Tabakfabriken galten als traditionelle "Frauenbetriebe". Die frühe Fabrikation war jedoch von männlichen Arbeitern dominiert. Frauen fanden in untergeordneten Tätigkeiten Beschäftigung. Mit der expandierenden Zigarren- und Zigarettenproduktion änderte sich die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Arbeiterschaft zugunsten eines weit höheren Frauenanteils. Ca. 90 % davon waren Frauen, die im Durchschnitt rund ein Drittel weniger verdienten als ihre männlichen Arbeitskollegen. Der Tabakanbau hat in der Region eine lange Tradition. 1691 führte ihn Christoph Liscutin, ein italienischer Kaufmann, in Ungarn und in den Ländereien rund um Fürstenfeld ein. Zwei Jahre später, 1693, gründete er eine Tabakfabrik in der Pfeilburg.