Das Auftreten von märktischen Siedlungen ist eng verknüpft mit den wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen im Land.
Das Auftreten von märktischen Siedlungen ist eng verknüpft mit den wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen im Land.
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Der einsetzende Übergang von der vorherrschenden Agrar- zur Geldwirtschaft im Ostalpenraum und der Bevölkerungszuwachs schaffen günstige Voraussetzungen für die zunehmende Durchsetzung der ländlichen Gesellschaft mit bevorrechteten Kommunen in landschaftlichen Ballungsräumen. Dort, wo es die geografischen, topografischen und wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, entwickeln sich Märkte und Städte.
Begünstigt wird die Bildung des Märkte- und Städtewesens durch die Landesfürsten und geistlichen und weltlichen Grundherrn, die sich dadurch steigende Einkünfte erhoffen. Durch die planmäßige Förderung und die damit verbundene Verleihung an Markt- und Stadtprivilegien kommt es zu einer Regelung und Reglementierung des Wirtschaftslebens.
Viele der neuen Zentren folgen den Flusstälern, die Orientierung in einem Waldland, Wasserversorgung und Schwemmland als Ackerboden bieten und als zentrale Sammellinien für den alpinen Verkehr dienen. Sie liegen an Straßenknotenpunkten, an Brücken und Umladestationen an den Füßen der Pässe und den neuen Zentren des aufblühenden Bergbaus. Nicht zuletzt wegen der Lenkung und Kontrolle der Verkehrs- und Warenströme entsteht ein regelmäßiges, mehr oder minder dichtes Netzt von Märkten und Städten.
Mit der Nennung Judenburgs als Handelsniederlassung am Beginn des 12. Jahrhunderts setzt auch in der Steiermark die planmäßige Förderung von Marktorten ein. Ab 1224, ebenfalls beginnend mit Judenburg, entstehen in nur knapp 100 Jahren die Städte der Obersteiermark. Oberwölz steht exemplarisch für eine, sich aus einem Markt heraus entwickelnde „organisch“ gewachsene Stadt, wohingegen Leoben aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten verlegten und „auf der grünen Wiese“ neu gegründet wurde.
Die Stadt des Mittelalters zeichnet sich durch Qualität in Form von Rechten, Privilegien, Gesellschafts- und Sozialstrukturen, Arbeitsteilung und Erscheinungsform aus. Innerhalb des durch die Mauer begrenzten Stadtraums gilt weitgehend Rechtsgleichheit unter den Bürgern, während im Umland weiterhin eine herrenständige Ordnung überwiegt. Besondere Autonomie gegenüber dem Grundherrn und persönliche Freiheit nehmen keimhaft die staatsbürgerliche Gleichheit unserer Zeit vorweg. Denn die Mauer hat nicht nur fortifikatorische Gründe: An der Mauer beginnt und endet der Stadtraum. Sie trennt zwei Lebenswelten, zwei Rechtsräume, zwei Kulturen. Die Mauer steht geradezu als Synonym für den Begriff „Stadt“. Zwar gab es bereits im Mittelalter befestigte Märkte, wie z. B. Obdach, Unzmarkt oder Neumarkt, doch ist eine Stadt ohne Mauer unvorstellbar. Durch die Mauer bildete die mittelalterliche Stadt eine in sich geschlossene Raumeinheit.
Berufliche Spezialisierung und eine vielstufige soziale Differenziertheit, in Verbindung mit einer Konzentration von Handel und Gewerbe und einem besonderen Stadtrecht machen die mittelalterliche Stadt zum zentralen Ort des Wirtschaftslebens. Kultisch-kulturelle und politisch-administrative Raumfunktionen verdichten diese Zentralität.
Quantität ist hingegen zu keiner Zeit Kriterium für Stadt und spielt eine untergeordnete Rolle. Das Gros der mittelalterlichen Städte in der Steiermark bilden Klein- und Kleinststädte.
Fortan heben sich die Städte von Kirchtürmen überragt, mit Mauern umgürtet, dicht gebaut, als kompakte Silhouette aus dem umgebenden Land heraus.
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Zwischen Topos und Typos: Die Formkraft der Natur
Märkte und Städte sind das Produkt einer landschaftlich gebundenen Ausformung.
Durch die Fixierung an einem bestimmten Ort sind die formalen Entwicklungsmöglichkeiten einer Siedlungsstelle bereits vorgegeben.
Der Bezug zur umgebenden Landschaft, die Topografie und ihre Verbindung zum Umland sind Bedingungen, die jede Stadt auf eigene Art prägen. So bedingen verschiedene Geländeformen unterschiedliche Gestaltungsformen und Märkte und Städte erlangen durch die sie umgebende Natur ihre individuelle Form. Die Lage an einem Fluss oder See, auf einem Hügel oder Berg oder auf dem flachen Land sind mitentscheidend für die Ausprägung der äußeren Gestalt und das innere Gefüge.
Neben der Topografie sind vor allem das Klima, das Wetter und die natürlichen Ressourcen für die Gestalt einer Siedlung verantwortlich. Das Klima und das Wetter bestimmen die in einer Region vorherrschende Gestalt der Profanbauten, während die natürlichen Ressourcen die Baumaterialien vorgeben. In waldreichen Regionen wird mit Holz gebaut, ist ein Steinbruch in der Nähe aus Stein und eine Lehmgrube forciert den Ziegelbau.
Die Natur ist demnach ein Gestaltungsfaktor auf breiter Basis, der mittelbar das Bauen immer beeinflusst und über regionale und lokale Aspekte in der stilistischen Entwicklung der Architektur mitverantwortlich ist. Der Standort und ihre spezifische geografische Lage sind somit wesentliche Kriterien für die Individualität von Märkten und Städten.
Seit dem 12. Jahrhundert gewinnen die transalpinen Verkehrswege, die den Donau- mit dem nördlichen Adriaraum verbinden, größere Bedeutung. Die wichtigsten (Fern-)Handelswege in der Obersteiermark waren die Tauern-Pyhrn-Straße, die Semmeringstraße und die Straße durch das Enns- und Paltental nach Bruck an der Mur und weiter in den Raum Graz.
Von Villach über den Semmering nach Wien (47 Meilen oder 341 Km) benötigte ein Fuhrwerk 12 bis 14 Tage. Neben dem schlechten Zustand der Straßen zählen vor allem landesfürstliche, grundherrschaftliche oder städtische Zölle und Mauten, unterschiedliche Münzen oder allerlei Gewichts-, Längen- und Hohlmaße und Straßen- und Umladezwang zu Hindernissen, die die Händler*innen auf ihrem Weg überwinden müssen und die Waren erheblich verteuern.
Kleinere Handelswege haben oft die Funktion von Zubringerstraße, Saumwege verbanden über die Pässe größere Handelswege miteinander.
Der inneralpine Fernhandel ist im Wesentlichen jedoch ein Durchgangshandel, das Land ein Transitland.
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Die Reglementierung des Wirtschaftslebens: Handel und Gewerbe in Märkten und Städten
Im Hochmittelalter entwickelt sich durch die wachsende Arbeitsteilung ein marktorientiertes Denken, das auch auf das ländliche Umland ausstrahlt. Die zu Märkten und Städten erhobenen Kommunen versorgen die sie umgebende Region mit Verbrauchs-, Gebrauchs- und Konsumgütern und Dienstleistungen. Zugleich ist die Kommune auf den landwirtschaftlichen Überschuss bei Lebensmitteln und gewerblichen Rohmaterialien (Waid, Krapp, Wolle, Flachs, Häute, Speik etc.) des Umlandes angewiesen. (Wochen-)Märkte sowohl an Orten mit bereits bestehendem Marktrecht als auch in kleineren Siedlungen dienen dem Waren- und Geldtausch.
Für ihre Märkte und Städte erlassen die Landesfürsten und Grundherrn besondere Vorrechte und Privilegien, die für Rechtssicherheit und Einfluss auf die Selbstverwaltung sorgen. Die Exekution dieser obliegt einem Stadtrichter. Frühe Regelungen umfassen Gewerbe und Handel ebenso, wie privatrechtliche Inhalte. Städtische Marktaufsichtsbestimmungen in Form einer Lebensmittelpolizei, die unter anderem die Einhaltung von Maßen und Gewichten kontrolliert, dienen dem Konsumentenschutz. Die räumliche Konzentration von Gewerben in bestimmten Gassen oder von Standplätzen der Marktbuden erleichtert den Preisvergleich.
Eigene Gerichte, Steuerhoheit im eigenen Burgfried und die Möglichkeit Rechtsvorschriften zu erlassen und Strafgelder einzuheben, stellen einen neuen Rang der Selbstverwaltung gegenüber den Grundherren dar. Die Harmonisierung der Markt- und Stadtprivilegien im Land führt zu einer Marktregulierung des regionalen Handels.
Leoben geht auf eine bewusste Gründung König Ottokar II. Premysl um das Jahr 1268 zurück. Mit der Siedlungsverlegung innerhalb die strategisch begünstigte Schleife der Mur geht auch die Stadtgründung Leobens einher. Das Zentrum der Stadtanlage bildet ein quer zur Verkehrsrichtung liegender Rechteckplatz von der nördlichen bis zur südlichen Randzeile. In der Mitte kreuzt ihn ein Straßenzug, die zweite geometrische Achse der Stadtanlage. So ergeben sich entlang der beiden Langseiten des Platzes je zwei Baublöcke (Viertel). Die Bebauung der Randzeilen folgt der Ummauerung.
Die quadratähnlichen, von Haupt- und Wohnstraßen umschlossenen Bauflächen, die ausgeglichenen Straßenbreiten und der nach zwei Hauptachsen des Stadtgrundrisses symmetrische Marktplatz bilden eine regelmäßige Anlage mit annähernd rasterförmigem Grundriss.
Die Waasenbrücke (auch Mautbrücke) verbindet ab die Stadt mit der Vorstadt, das rechte mit dem linken Murufer. In der Waasenvorstadt siedelten sich entlang der Hauptstraßen gewerbliche Betriebe und an den Ufern des Mühl- und Vordernbergerbaches entstanden Hammerwerke und Mühlen.
Durch die optimale Nutzung der naturräumlichen Gegebenheiten und ihre städtebauliche Umsetzung ist die Stadtanlage von Leoben eine bemerkenswerte Leistung und das klarste Beispiel einer planmäßigen Stadtanlage des Mittelalters in der Steiermark.
Die Stadtverlegung von Leoben
In der Absicht organisatorische und fortifikatorische Maßnahmen zur Festigung seiner Herrschaft in der Steiermark zu treffen, veranlasst König Ottokar II. Premysl die Befestigung des Marktes Leoben. Dazu nennt die Chronik des Anonymus Leobiensis die Jahreszahl 1268. Der alte Straßenmarkt (forum Liuben) befand sich um die Jakobikirche unterhalb der Massenburg und unweit des alten Murüberganges. Ausschlaggebend für die Wahl dieser Siedlungsstelle war die Lage an der Einmündung der Eisenstraße von Vordernberg her in die Italienstraße im Murtal. Da die Altsiedlung Leoben am Fuße des Massenbergs für eine Befestigung strategisch ungünstig gelegen ist, wird die Stadt knapp 300 Meter nördlich auf der grünen Wiese neu gegründet. Mit vergleichsweise geringem baulichem und finanziellem Aufwand konnte durch die Errichtung einer 380 Meter langen Mauer ein 45 Hektar großes ebenes Areal innerhalb des Murmäanders abgetrennt werden. Rund 10 Hektar werden besiedelt und in den nachfolgenden Jahrhunderten an den übrigen drei Seiten befestigt. Lediglich das Dominikanerkloster und die landesfürstliche Stadtburg gehen auf die Zeit der Stadtgründung zurück. Die verbleibenden Freiflächen werden als landwirtschaftliche Flächen von den Stadtbewohnern und im Kriegsfall als Lagerplatz von Truppen genutzt.
Mit der Verlegung von Leoben geht auch die Verlegung der Murbrücke und des Handelsweges einher. An der Westseite tritt die Landstraße von der Waasenvorstadt über die Mautbrücke ein und verlässt die Stadt nahe der Südostecke, beim Jakobstor, um wieder Anschluss an den Landesstraßenzug zu gewinnen.
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Das Modell zeigt die Stadt Leoben um 1600 in einen größeren naturräumlichen Ausschnitt gestellt, um ihre Lage und die Vorteile der Verlegung an die engste Stelle der Murschleife zu zeigen. Dadurch ergibt sich ein Maßstab, der selbst das für die Stadt Leoben Typische nur symbolhaft festhalten kann. Die Darstellung der für eine mittelalterliche Stadt essentiellen architektonischen Elemente wie Wehranlage und Sakralbauten basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Profanbauten sind als Blockbebauung mit einer Durchschnittshöhe angedeutet. Als Grundlage für das innere Gefüge und die Waasenvorstadt dienen der Franziszeische Kataster.
So ergibt sich ein geschlossenes Bild, das die Stadt als geordnetes Ganzes in die sie umgebende ungeordnete Natur stellt.
Oberwölz geht nicht auf eine bewusste Gründung zurück, sondern entwickelte sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte aus einer dörflichen Niederlassung zu einem Markt und in weiterer Folge zu einer Stadt. Dieser Entwicklungsprozess lässt sich anhand des Grundrisses nachzeichnen.
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Der Mühlgang trennt die Stadt in zwei unterschiedliche Teile, von denen der ältere Bereich rund um den Hauptplatz zwischen Schöttlbach und Mühlgang eine, den Bedürfnissen einer markttreibenden Bevölkerung entsprechende, dichte Bebauung aufweist. Der östliche, jenseits des Mühlganges gelegene Teil der Stadt zeichnet sich durch eine lockere Bebauung mit ländlichem Charakter aus. Dieses Areal wurde zur landwirtschaftlichen Produktion genutzt: Dort befinden sich Höfe und Scheunen, Ställe, Heu- und Lagerräume sowie kommunale Speicher. Hier ist für die Gärten und Gartenhäuser der Oberschicht ebenso Platz wie für die Anlage von Gewerben, die aus polizeilichen Gründen wegen Lärm- und Geruchsbelästigung und Feuergefahr nur ungern in der inneren Stadt duldet. Die Nennung eines Webers Perlin im Urbar aus dem Jahr 1316, der eine Hofstätte Im Sack besaß, unterstreicht diese Vermutung. Die bürgerlichen Gewerbetreibenden ließen sich um den Hauptplatz, in der Herren- oder Pfarrgasse und in der Neugasse nieder; die nichtbürgerlichen Handwerker und Keuschler wohnten Im Sack, Am Hozenbichl und in der Vorstadt.
Oberwölz kann somit nicht als geistige Schöpfung eines Einzelnen gesehen werden. In städtebaulicher Hinsicht erscheint Oberwölz als linear, sozusagen als Addition der
Füllmaterial: Das innere Gefüge von Oberwölz
Erstmals in einer Schenkungsurkunde des späteren Kaiser Heinrich II. an Bischof Egilbert von Freising 1007 urkundlich genannt, entwickelt sich Oberwölz im Laufe der Jahrhunderte über einen Markt (1256) hin zu einer Stadt (1305).
Durch die Ummauerung (1315/16) werden die äußeren Grenzen von Oberwölz gezogen und es kommt zur Ausformung des inneren Gefüges und zur Füllung des Stadtkörpers. Zunächst ergibt sich der Bedarf an Quergassen an der östlichen Langseite des Marktplatzes, um die dahinterliegenden Freiflächen zugängig zu machen. Diese werden parallel zum Marktplatz mit einer Wirtschaftsgasse verbunden, um den steigenden Wirtschaftsverkehr vom Markt fernzuhalten.
Spätestens mit der Erbauung des neuen Amtshofes des Bischofs von Freising (1335) erfolgt auch die Anlage der Herrengasse, die aufgrund ihrer verkehrstechnischen Bedeutung als Hauptstraße angelegt wird. Ihre Verlängerung bildet die Neugasse, ihren Abschluss das Neugassentor. Im Spätmittelalter werden in Oberwölz die Neugasse, Riemergasse, Sattlergasse, Schmelzgrubergasse, Im Sack, Herrengasse und Pfarrgasse eigens genannt.
Die Erbauung des Admonter Abthofes (1415) südlich der Martinskirche und der Neubau der Sigismundkirche im späten 15. Jahrhundert lassen ein geistliches Zentrum innerhalb der Stadt entstehen, das mit dem Markt einen topografischen Dualismus zwischen kirchlichem Kultbau und bürgerlicher Siedlung bildet.