Ziel der Arbeitsmigration aus dem Südosten Europas war aber nicht nur Österreich, sondern vor allem die Bundesrepublik Deutschland. Auch dort wurde in den Sechzigerjahren der Zuzug aus dem Süden Italiens von „Gastarbeitern“ aus Jugoslawien und der Türkei abgelöst. Diese Arbeiter waren zu den Feiertagen meist auf dem Weg in ihre Heimat. Der günstigste und vor allem weitgehend alpenpassfreie Weg führte dabei von München über Salzburg, das Ennstal, den Schoberpass, Bruck an der Mur, Graz und Spielfeld. Für gut zwei Jahrzehnte wurde diese Route zur europäischen Todesstrecke. Wenig Autobahn, kaum Überholmöglichkeiten, übermüdete Fahrer in oftmals technisch mangelhaften Autos machten vor allem die Strecke zwischen Schladming und Bruck zu einem Hotspot. Der Ausländeranteil unter den Fahrern und Fahrzeugen betrug zu den Stoßzeiten bis zu 70 %. Allein auf der nur 12 Kilometer langen Umfahrung von Leoben gab es zwischen 1965 und 1975 nicht weniger als 62 Verkehrstote und 178 Schwerverletze. Im gesamten steirischen Abschnitt dieser Route gab es damals mehr als 5.000 Verkehrsunfälle pro Jahr. Nicht unbeträchtlich waren allerdings auch die Abfallmengen, die sich am Straßenrand anhäuften. Dass es keine ausreichenden Toilettenanlagen gab, trug zusätzlich zur Verschärfung der Lage bei. Das echte Nadelöhr auf dem Weg in den Süden war aber dann der Grenzübertritt nach Jugoslawien in Spielfeld. Kilometerlange Staus und stundenlange Wartezeiten ließen oftmals die Nerven aller Beteiligten blank liegen. „Stau“ wurde zur oft gehörten Spitzenmeldung in den Verkehrsnachrichten.
Erstmals trat das Phänomen Grenzstau zu Weihnachten 1969 auf. Es gab heftigen Schneefall und die Straße war vereist, sodass ohnehin nur langsames Fahren möglich war. Die langsame Zollabfertigung auf jugoslawischer Seite führte bei den Wartenden zur Unruhe, die sich auch in Gewalt entlud. Letztlich musste das Bundesheer mit 120 Mann vor Ort erscheinen, um die Ordnung wiederherzustellen. Obwohl die jugoslawischen Grenzer in Stoßzeiten etwa 20 Fahrzeuge pro Minute abfertigten, war dies deutlich zu wenig, um die heranfahrenden Massen zu bewältigen. Trauriger Höhepunkt waren die Weihnachtsfeiertage von 1974, als der Grenzstau eine Länge von 70 Kilometern erreichte und damit bis nach Graz zurückreichte.
Die „Gastarbeiterroute“, die ja auch den lokalen Verkehr behinderte und ein sicheres Queren nicht immer leichtmachte, trug nicht gerade dazu bei, die Fremdenfeindlichkeit im Lande zu reduzieren. Die türkische Arbeitsmigration lebte meist in isolierten Subkulturen. Aber auch die jugoslawischen Arbeitskräfte fanden nur sehr wenig Anerkennung. Unabhängig von ihrer regionalen Herkunft sprach man von diesen Menschen als „Jugos“, nannte die Gastarbeiter „Tschuschen“ und integrierte sie lange Zeit nur zögerlich bis gar nicht in die österreichische Gesellschaft. Und an der Grenze beförderten diese Vorurteile nicht gerade das gedeihliche Zusammenleben im sogenannten kleinen Grenzverkehr. Die Grenze war auch Vorurteilsgrenze, man sah sich im Norden auf der überlegenen Seite. Dennoch, die Tabakwaren waren südlich der Grenze billiger – manchmal schon ein Grund, die Trennlinie zu überschreiten.
Es gab aber auch positive Initiativen. 1978 wurde die Arbeitsgemeinschaft Alpe-Adria gegründet, an der neben anderen Ländern auch Slowenien und die Steiermark beteiligt waren. Und sogar schon 15 Jahre früher startete durch eine Initiative des damaligen Kulturlandesrats Hanns Koren das Experiment „trigon“, bei dem in Biennalen Künstlerinnen und Künstler aus Jugoslawien, Italien und Österreich ihre Positionen zu definieren versuchten. Protest blieb freilich nicht aus.
An der „grünen Grenze“ wurde etwa bei der Weinernte auch grenzüberschreitend zusammengearbeitet. Außerdem gab es gemeinsame kirchliche Feste, etwa in Sveti Duh/Heiliggeist. 1980 besuchte die österreichische Staatsspitze Titos Begräbnis. 1984 fanden die Olympischen Winterspiele in Sarajewo statt.