Der Versuch, die Aktivitäten von Uto Laur als Amateurfotograf zu rekonstruieren, führt freilich zuerst zu einer intensiven Analyse seines in den Multimedialen Sammlungen verwahrten, mehr als 7.500 Aufnahmen umfassenden fotografischen Nachlasses. Erinnert sei an dieser Stelle auch daran, dass Uto Laur selbst in einem Schreiben aus dem Jahr 1990 von seinem nur noch teilweise erhaltenen Fotoarchiv sprach. Die Quellenlage darf demnach als äußerst mangelhaft bezeichnet werden, findet sich darüber hinaus doch neben den bereits zitierten Briefen nur ein wenige Zeilen umfassender Text zu Laurs Biografie, der aufgrund seines Inhaltes und der Schreibweise die Vermutung nahelegt, dass die darin enthaltenen Informationen von einem Gespräch mit Uto Laur selbst stammen dürften. Offensichtlich wurde leider, wie damals im Bild und Tonarchiv durchaus üblich, mit Laur kein biografisches Interview geführt und auf Tonband aufgenommen.
Wenngleich nur ein Bruchteil der Fotografien Laurs mit oft nicht korrekten Datumsangaben versehen ist, zeigte sich doch bald, dass sie in einem Zeitraum von Mitte der 1930er-Jahre bis in die 1980er-Jahre entstanden sind. Unter Berücksichtigung der biografischen Daten von Uto Laur mag es wenig überraschen, dass der überwiegende Teil der Fotografien aus den ersten 25 Jahren nach Kriegsende im Mai 1945 stammt. Wenngleich wir von keinerlei fotografischer Ausbildung des Uto Laur wissen, gelang es dem offensichtlich passionierten Amateurfotografen bereits ab Mitte der 1930er-Jahre, dass vereinzelte seiner Fotografien in Zeitungen und Zeitschriften, etwa in der „Bilder-Welt“ oder in „Das interessante Blatt“, publiziert wurden.
Die Anzahl der erhaltenen Fotografien aus den Jahren vor dem Kriegsende 1945 ist sehr gering. Und doch dokumentieren sie – aus heutiger historischer Distanz betrachtet – punktuell nicht nur einen dem Ende geweihten autoritären Ständestaat, sondern auch, um eine Bezeichnung Uto Laurs zu verwenden, jene „Umbruchszeit“, die am 12. März 1938 in den sogenannten „Anschluss“ mündete. Marschierende illegale Nationalsozialisten in der Grazer Herrengasse zählen ebenso dazu wie die einzigen zwei bekannten Aufnahmen, die NS-Posten zeigen, welche Passantinnen und Passanten am Einkauf in Geschäften jüdischer Eigentümerinnen und Eigentümer hinderten. Als bildliche Zeugen eines massenmörderischen, rassistischen, antisemitischen und diktatorischen Unrechtsystems verlieren sie ihre bildinhaltlich scheinbar banale Alltäglichkeit oftmals erst auf den zweiten Blick. Ob es sich bei diesen teilweise sehr raren Fotografien tatsächlich um die einzigen handelt, die Laur in diesen Jahren produzierte, darf bezweifelt werden. Die wenigen Aufnahmen aus den Jahren 1940 bis Kriegsende 1945 zeigen ihn als Hilfszollassistenten an der steirischen Südgrenze.
Bereits kurz nach Kriegsende war Uto Laur wieder mit seiner Fotokamera in Graz und der Steiermark unterwegs, um „Aktuelles Zeitgeschehen und Diverses“, so schrieb er am 28. Februar 1990, auf seinen Bildern festzuhalten. Ab 1946 finden sich Fotografien von Uto Laur über mehrere Jahrzehnte in verschiedenen Zeitungen (z. B. „Österreichische Zeitung“, „Neue Zeit“, „Kleine Zeitung“, „Grazer Montag“) abgedruckt. Zwei Aufnahmen des zu diesem Zeitpunkt noch als „minderbelastet“ eingestuften Uto Laur, nämlich jene von der Enthüllung des „Ehrenmals für die Freiheitskämpfer“ am Grazer Zentralfriedhof, schafften es sogar auf die Titelseite der Ausgabe des Organs der Sozialistischen Partei Steiermarks „Neue Zeit“ vom 3. November 1946. In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten begleitete Uto Laur als lokaler Bildchronist den Alltag seiner Mitmenschen mit der Kamera. Zurückhaltend und von den Fotografierten oft unbemerkt oder kaum beachtet, galt sein Interesse der allmählichen Rückkehr einer lange entbehrten normalen Lebenswelt. Graz, die einstige „Stadt der Volkserhebung“, in der die Folgen des Krieges nicht nur baulich in Form der Bombenruinen noch Jahrzehnte sichtbar sein werden, ist als Hintergrundkulisse auf seinen Fotografien omnipräsent.
Seine Fotografien – vor allem jene aus den 1950er- und 1960er-Jahren – zeigen auf den ersten Blick nicht die „große Geschichte“. Nur selten finden sich prominente Persönlichkeiten abgebildet. Und obgleich Hunderte seiner fotografischen Aufnahmen in den ausgehenden 1950er-Jahren bis Ende der 1960er-Jahre im Lokal- und Chronikteil des „Grazer Montag“, bei dem er nach eigenen Angaben „freier Mitarbeiter“ war, erschienen sind, ist Uto Laur als Fotograf völlig unbekannt und unbeachtet geblieben. Vielleicht liegt dies vor allem in der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung alltäglichen Belanglosigkeit seiner Bildinhalte. Im „Grazer Montag“ illustrierten seine Fotografien, im Regelfall kleinformatig abgedruckt und unattraktiv präsentiert, Kurzbeiträge, die von Veränderungen des Grazer Ortsbildes wie etwa dem Abriss von alten Häusern, dem Neubau von Brücken und ersten Hochhäusern ebenso wie von der Einführung von Zigarettenautomaten oder auffällig gestalteten Schaufenstern berichteten.
Ein weitere Ursache liegt sicherlich darin, dass Uto Laur, wenngleich er in der Wochenzeitung „Grazer Montag“ in den Jahren 1958 bis 1968 mit mehr als 400 Fotografien auf mindestens 383 Seiten vertreten war, kein einziges Mal als Fotograf in einem Fotocredit namentlich genannt wurde.
In der Tageszeitung „Neue Zeit“ erscheint Uto Laur Anfang der 1960er-Jahre auch wiederholt als Verfasser von Beiträgen wie beispielsweise „Ein Land in der Mühle der Geschichte“, „Als es noch ,Mondferien‘ gab“, „Das Lied – Spiegelbild der Volksseele“, „Ein Jahrtausend Berg- und Hüttenwesen“, „Er entriß dem Himmel den Blitz“, „,Der Wunderaffe‘ im Grazer Schauspielhaus“. Im Regelfall steuerte er eine seiner Fotografien als Bebilderung bei.
Wobei hinzugefügt werden muss, dass nur jene Fotografien, von welchen sich die Negative oder die Papierabzüge in den Multimedialen Sammlungen finden, gezählt werden konnten. Es darf als wahrscheinlich angenommen werden, dass er auch die Kurztexte/-artikel verfasst hat, welche die Fotografien begleiteten. Das Außergewöhnliche an der nur vermeintlich belanglosen „chronischen“ Bilderwelt des Grazer Uto Laur ist, dass er – oftmals unbemerkt von den Protagonistinnen und Protagonisten seiner Bilder – Menschen nicht nur in ihrem Alltag, sondern auch in Momenten zwischen Euphorie, Verzweiflung und Zuversicht festhielt. Im Mittelpunkt seiner Bilder stehen die Menschen, denen er stets mit Respekt und Feingefühl in deren jeweiliger Lebenssituation begegnete. Seine Aufnahmen scheinen frei von jeglicher Manipulation oder Inszenierung. Uto Laur ist „einer von ihnen“, und so fotografierte er seine Mitmenschen weder von oben herab noch verklärt, sondern stets auf Augenhöhe.