Unter Ausschaltung der eigenen Handschrift – stattdessen unter Sichtbarmachung grundlegender Mechanismen – entwickelt Michael Schuster seine Kunst, mit der er uns sagt: Es gibt kein Geheimnis. Isaac Newton ließ 1671 Sonnenlicht durch ein gläsernes Prisma fallen, in dem es sich in mehrere Farben aufspaltete. Das Licht, von dem bisher geglaubt wurde, dass es weiß sei, wurde also naturwissenschaftlich aufgefächert und entschlüsselt. Ausgehend von dieser Entdeckung baut Michael Schuster zwei Prismenwender, die im rechten Winkel die beiden Seiten eines Balkons des dem Joanneumsviertel zugewandten Gebäudes einnehmen, und in denen er die Primärfarben Rot, Gelb und Blau analog anwendet: Auf der längeren Seite blättern sich jeweils zwei Primärfarben auf, an der kürzeren entfaltet sich die daraus resultierende Mischfarbe. Im Drehen der dreiseitigen Prismen kann der Mischvorgang wie ein Farbkreis unmittelbar mitverfolgt werden. Dabei rotieren die einzelnen Prismen leicht zeitversetzt, wodurch eine Art Dominoeffekt entsteht.
Michael Schuster präsentiert uns in hoher Präzision und Ästhetik nicht das Changieren im Pinselgestus oder die meisterliche Genialität, sondern das maschinell hergestellte gesamte Spektrum unter konsequentem Ausblenden subjektiver Komponenten, innerhalb dessen sich alles Sichtbare zeigt. Die Farben bleiben ohne Vermischung als Potenzial für alle Bilder verfügbar, zeigen aber kein konkretes Abbild. Denn es geht um Fragen der Wahrheit und der Wahrnehmung von Wirklichkeit, aber auch um die Konstruktion von Wirklichkeit, mit denen wir ständig konfrontiert sind. Damit reflektiert diese Skulptur gleichermaßen alle Möglichkeitsformen der Kunst und der Natur, die im Joanneumsviertel gezeigt, gesammelt und bearbeitet werden. - Elisabeth Fiedler
Standort:
Joanneumsviertel, 8010 Graz
47°04'08.0"N 15°26'15.6"E