Der international tätige Komponist, Regisseur und Installationskünstler Georg Nussbaumer präsentierte am 14. Oktober sein Ergebnis der Auseinandersetzung von Kunst und Landwirtschaft am Wolfbauerhof von Barbara Hofer und Andreas Wolf in Johnsbach im Gesäuse.
"Schweigen" heißt der Ort der mysteriösen Handlung in Hans Leberts Roman Die Wolfshaut. Von Elfriede Jelinek als „eines der größten Leseerlebnisse ihres Lebens“ bezeichnet, ist dieses Buch derzeit nur antiquarisch erhältlich. Für das Projekt SCHWEIGEN & MUh wurde aus Leberts Roman nur der 'sprechende' Name des Dorfes, der ländliche Schauplatz und die zwischen Komik und Horror schwankende Stimmung übernommen. Die Geschichte wurde nicht nacherzählt, das Projekt stellte aber einen ähnlich rätselhaften Zustand her, ein Verharren und Erstarren in dunkler Nacht. Man war als Besucher*in kaum Sichtbarem und plötzlich Hörbarem, Gerüchen, der Temperatur und dem Wetter ausgesetzt. Eine von seltsamen Vorgängen durchlöcherte Neumondnacht.
SCHWEIGEN & MUh war ein Musiktheater, in dem der nächtliche Wolfbauerhof in Johnsbach gleichzeitig Bühne, Kulisse, Theatermaschine und Zuschauerraum war.
Im ersten Teil (MUh) spielte der Pianist Marino Formenti („a Glenn Gould for the 21st Century“, Los Angeles Times) auf einem Konzertflügel inmitten von Kühen im Stall Nussbaumers Die Vollendete, 2ter Satz – ein Wiederkäuen von Schuberts Winterreise. Die Reaktion der Kühe beeinflusste dabei den Verlauf der Musik. Da der Wolfbauer ein Bio-Mutterkuhbetrieb ist, lag es nahe, die Gegenüberstellung von Kuh und Klavier in das Projekt aufzunehmen. „Kuh und Klavier ähneln sich in Gestalt und Gewicht, sind beide Paarhufer und Wiederkäuer. Die Kuh hat 32 Zähne, das Klavier 88. Das ‚Muh‘ kennen wir aus der Sprache der Kuh. Das kleine ‚h‘ in MUh hebt das japanische ‚mu‘ (nicht(s) oder ohne) hervor, einen der Schlüsselbegriffe des Zen, die Leere.“ so Nussbaumer augenzwinkernd.
Im zweiten Teil (Schweigen) wandelte das Publikum in der Finsternis (Neumond) zwischen den Gebäuden über den Hof. Die Darsteller*innen tauchten in der Finsternis immer wieder in Fenstern und Toren und im Gelände auf – immer nur kurz für Sekunden 'belichtet'. Als 'Erscheinungen' in einem langsamen Stroboskop verwandelten sie den Hof und seine Umgebung in eine surreale Szenerie. Mikro-Szenen, welche sich auf die Umgebung, alte Sagen und neue Geschichten aus der Gegend beziehen, blitzten im Finsteren auf, kaum hörbares Summen und Stimmen, Klänge aus der nächtlichen Ferne.
Die ca. fünfzigminütige Choreographie wurde von Georg Nussbaumer gemeinsam mit „unhörbaren Opernsänger*innen, Primadonnen und Heldentenören des Schweigens, Königinnen der Nacht und Fürsten der Finsternis“ (Nussbaumer 2023) aus der Region Gesäuse erarbeitet.
Mit: Marino Formenti, Darsteller*innen aus dem Gesäuse, Chor des Stiftsgymnasiums Admont, Männergesangsverein Admont (Ltg.: Bernhard Ehrenfellner), Jana Rothleitner & Michael Gröschl (Posaune) | Stefan Stangl (Tuba) und den Wolfbauerkühen.