Die Geschichte und Gegenwart von Menschen und Tieren ist auf das Engste miteinander verwoben.
Donna Haraway schreibt in ihrem The Companion Species Manifesto (2003) darüber, dass die Grenzziehungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren brüchig, ja geradezu absurd werden, wenn man genau hinsieht; wenn man beachtet, wie wir Viren, Bakterien, Lebensraum und Gewohnheiten teilen und uns gegenseitig prägen.
"Die Kuh ist eine Companion Species par excellence. Ohne den Menschen keine heutige Kuh, ohne die Kuh, kein heutiger Mensch. Nicht nur die evolutionäre Entwicklung von Mensch und Kuh ist untrennbar miteinander verbunden, auch unsere individuellen Körper sind vermischt." (Julia Grillmayr)
Eva Seiler interessieren Praktiken, Architekturen und Werkzeuge, die das Leben einer Kuh aber auch das des Menschen in der Landwirtschaft prägen: Gerätschaften, die an den jeweiligen Körper, menschlich oder nicht menschlich, angepasst sind und die Lebewesen in physische Beziehung zueinander setzen. Die Kommunikation findet aber nicht nur auf der körperlichen, sondern auch auf der vokalen Ebene statt. Lock- und Leit-Rufe werden seit jeher eingesetzt, um Mitteilungen zwischen Menschen und Tieren zu verbalisieren. Dabei werden Lautsilben intoniert Stimmen variiert, sodass diese fast wie Jodeln klingen. Genauso wie es üblich war, Arbeitswerkzeuge und Geräte zu verzieren, wurden auch Lockrufe und Gesänge beim Weiden verschönert.
Die Künstlerin verbrachte im Sommer 2022 einen Monat am Hof von Agnes Harrer in Semriach. Die Landwirtin betreibt eine kleine Bio-Landwirtschaft mit schottischen Hochlandrindern. Für die Ausstellung arbeitete Eva Seiler an neuen Objekten. Dafür haben ihr Vinzenz und Agnes Harrer die alten Gerätschaften und Werkzeuge auf dem Hof zur Verfügung gestellt. Diese Artefakte bildeten die DNA beziehungsweise die Blaupause für die neuen Skulpturen, erfuhren aber gleichzeitig eine Neubetrachtung. So wurden ausgediente Kuhbürsten, eine Spindel, ein Kupferbecken, Kuhtränken und Tragegestelle in andere Kontexte übersetzt. Entsprechend den hybriden Beziehungsmodi verwendete die Künstlerin sowohl organische Materialien als auch Industrieprodukte. Das Zusammenleben von Kühen und Menschen in eine neue spekulative Erzählung zu bringen, war ihr Anliegen.