On the Road

Ein Kontinent in Bewegung

Der allgegenwärtige Krieg versetzt Europa auch in Bewegung. Heereszüge und Trosse durchziehen den ganzen Kontinent. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung, machen die Straßen unsicher. Wer seine Existenz verliert, sieht sich zum Räuberdasein gezwungen. Ganze Landstriche werden von brutalen Banden heimgesucht. Trotz aller Gefahr und Mühsal scheint alle Welt unterwegs zu sein: Kaufleute bevölkern mit ihren Waren die Handelsrouten Europas. Nicht weniger mobil sind die Handwerksgesellen und Künstler. Pilger brechen zu Wallfahrten auf, auf der Suche nach ihrem Seelenheil.

Andere zwingt der Kampf um die nackte Existenz zu ständigem Wandern: die Hausierer, die nicht mehr besitzen, als sie auf dem Rücken tragen, Scharen von Bettlern, Gauklern und „fahrendem Volk“. Sie alle müssen stets mit Inhaftierung und Ausweisung rechnen. Diese Welt kennt den Typus des modernen Touristen noch nicht. Eine Vorstufe ist der junge Aristokrat, der zur Grand Tour aufbricht, einer großen Bildungsreise, die ihm Weltkenntnis verschaffen soll.

Doch sind es nicht nur grandiose Ausblicke und berühmte Monumente, die das neugierige Auge vieler Reisender fesseln. Auch die tägliche Mühsal des Fortkommens, der Alltag in der Fremde, Verfall und Armut, Folgen ständiger Krisen und Konflikte, finden sich in den Berichten der Zeitgenossen wie in der Kunst.

 

Bildinformationen

Kunstwerke im Überblick

Landschaft mit Bergwerk

Der aus dem Maasgebiet stammende Herri met de Bles zählt zu den Pionieren der nachmittelalterlichen Landschaftsmalerei, die in den südlichen Niederlanden aufkommt. Höchste Präzision im Detail sowie nahezu visionäre Weite in der Herausbildung eines panoramaartigen Bildraumes sind hierfür kennzeichnend und dokumentieren auf höchstem Niveau den fundamentalen Beitrag Flanderns zur Entwicklung der europäischen Malerei.

Flämische Dorfstraße mit Blick auf Antwerpen

Der Antwerpener Joos de Momper d.J. zählt dank eines florierenden Werkstattbetriebs zu den produktivsten Vertretern der flämischen Landschaftsmalerei in der 1.Hälfte des 17.Jhs. Neben Gebirgs-, Fluss- oder Küstenlandschaften standen dabei bald auch Dörfer und Städte als Orte vitalen Lebens im Mittelpunkt des künstlerischen Interesses.

Nur wenige Länder Europas wiesen eine derart große Dichte von Städten auf wie die Niederlande. Seine Handelsmetropolen wurden zu einem beliebten Motiv und kündeten vom hart erkämpften Ruhm und Wohlstand des Landes, das sich zu einer der führenden Handelsmächte des Kontinents emporgearbeitet hatte. Besonders Antwerpen, bereits im 16. Jh. ein Zentrum des Welthandels, bot einen imponierenden Anblick, überragt vom charakteristischen Turm der Liebfrauenkathedrale.

Hafenansicht

Die bruchlose Verbindung von Land und Meer, der gleitende Übergang von einem Element zum anderen ist ein Hauptthema der holländischen Landschaftsmalerei. Hintergrund ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Aus einer Randlage heraus gelingt dem Land der Aufstieg zur weltumspannenden See- und Handelsmacht. Dieser Erfolg ist teuer erkauft: Erst nach jahrzehntelangem Krieg gegen Spanien wird die politische und religiöse Unabhängigkeit erreicht. Das prosperierende Amsterdam wird zum wichtigsten Zentrum des internationalen Handels. Wesentlichen Anteil an dieser Expansion zur See hatten die niederländischen Ostindienfahrer, die Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC), ein Zusammenschluss holländischer Kaufleute, der - mit weitreichenden Monopolen ausgestattet - fast wie ein selbständiger Staat agieren und mit oft brutalen Methoden in Südostasien ein großes Kolonialreich aufbauen konnte.

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich das Meer zu einem eigenständigen Thema der Kunst, die in zahlreichen „Marinen“ sowohl die militärischen und wirtschaftlichen Erfolge der jungen Nation feiert, als auch von den Gefahren der Seefahrt berichtet. Die im Hafen von Amsterdam, der Heimatstadt Beerstratens, vor Anker liegenden Schiffe stehen nicht nur für die weltumspannende Seefahrt; sie symbolisieren auch das glückliche, der Gnade Gottes zugeschriebene Ende der gefahrvollen Reisen.

Holländische Küstenlandschaft

Die überragende Rolle, die das Meer für das Wachstum der Niederlande spielte, ließ im Goldenen Zeitalter einen eigenen Bildtypus entstehen: die Küstenlandschaft. Die Darstellung der Küstenschifffahrt bietet ein ganz anderes Bild als die großen Seefahrten und - siege Hollands, dem jegliches propagandistische Element abgeht. Die einfachen Transportschiffe mit ihrem geringen Tiefgang, wie sie Küsten, Flussläufe und Kanäle beherrschten, stellten die Verbindung zwischen den einzelnen Zentren her und sicherten die Versorgung des Landes. Von unspektakulärer Erscheinung scheinen die trägen Fahrzeuge eins mit dem tragenden Element zu sein, repräsentieren aber die Logistik und Infrastruktur eines Staates, der ganz vom Warenverkehr abhing.

Jan van Goyens Szenerie wirkt ruhig und verhalten. In Verbindung mit dem dramatischen Wolkenhimmel erzielt der Maler eine wirklichkeitsnahe Charakterisierung jenes dunstigen, feuchten Meeresklimas, wie es für die Niederlande noch heute bezeichnend ist.

Flusslandschaft bei Dämmerung

Die niederländische Landschaftsmalerei hat in ihrer großen Blütezeit um die Mitte des 17. Jhs. stets das tatsächliche Aussehen des Landes im Blick. Nicht immer liefert sie ein in jeder Hinsicht detailgetreues Abbild. Vielmehr stellt sie einen ständig variierten Reflex einer intensiv beobachteten Wirklichkeit dar.

Wie kein anderer Künstler seiner Zeit hat der in Amsterdam wirkende Aert van der Neer dem Typus des Nachtbilds sein Gepräge verliehen. Seine wasserdurchzogene, flache Landschaft im Dämmerlicht erinnert zwar an das Lebensende, strahlt aber auch Geborgenheit und Ruhe aus. Sie steht nicht nur beispielhaft für die Lebenswelt der Niederländer, sondern auch für deren religiös gestärktes Bewusstsein, den Gefahren des Meeres durch technische Erfindungskraft erfolgreich Widerstand geleistet und das eigene Land durch Trockenlegung neu geschaffen zu haben.