Der Traum vom Überfluss

Natur als Thema der Kunst

Das gesteigerte Interesse an der Natur lässt diese selbst zum Thema der Kunst werden. Naturstudium führt zur Nachahmung, der imitatio. Die detaillierte Wiedergabe von Pflanzen und Tieren soll ein Beweis für das technische Können des Malers sein. Feldfrüchte und Jagdbeute gewinnen greifbare Gegenwart, als seien sie eben erst geerntet oder erlegt worden. Daraus spricht auch eine tiefe Sehnsucht nach Sättigung, nach der Erfüllung eines menschlichen Grundbedürfnisses – keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, die von Mangel geprägt ist.

Die Fülle der Natur wird zum Mittel der Repräsentation: Ihre Darstellung soll ein gut regiertes Land widerspiegeln. Üppige Jagdstillleben, der quellende Überfluss der Feldfrüchte dienen auch als Beweis für die Fähigkeit des Regenten, zum Wohle des Landes zu handeln.

 

 

Bildinformationen

Kunstwerke im Überblick

Jagdstillleben mit Hase

In den Niederlanden des Goldenen Zeitalters gelangt eine Blumen- und Stilllebenmalerei zur Blüte, die mit noch nie dagewesener Virtuosität und Detailfreude ein neues Bild der Natur liefert. Die überbordende Pracht der Gemälde erweckt die Vorstellung von unerschöpflichem Reichtum und paradiesischen Zuständen, die jedoch von der Realität weit entfernt ist. In dieser von Konflikten erfüllten Epoche war ein unbeschwertes Leben ohne Hunger und Not ein ferner Traum, der in solchen Gemälden beschworen wurde.

Dazu zählen auch Tierstillleben, wie dieses virtuos gemalte Werk des einschlägigen Spezialisten Dirk Valkenburg. In solch kostbaren Jagdstillleben spiegelt sich ein Luxusbedürfnis, das für die Amsterdamer Oberschicht des Goldenen Zeitalters typisch war. Der enorme, aus dem Überseehandel erwachsene Wohlstand, den diese Patrizier genossen, hat sie einen aristokratischen Lebensstil annehmen lassen, der sich in prunkvoll ausgestatteten Häusern äußerte.

Stillleben mit Glaspokal

Der aus Berchem bei Antwerpen stammende Pieter Claesz übersiedelte wie viele seiner flämischen Landsleute in den protestantischen Norden der Niederlande. 1621 gelangte er nach Haarlem, wo er eine andere, für ihn charakteristische Spielart des Stilllebens entwickelte.

In wenigen gedämpften Grau- und Ockertönen gehalten, formen nur wenige Nahrungsmittel, zusammen mit dunklen, durch subtile Lichtreflexe hervorgehobenen Trinkgläsern ein schlichtes, aber eindringliches Ensemble, das mit Fisch, Brot und Wein auch religiöse Bezüge enthält. Diese karg wirkende Komposition repräsentiert beispielhaft den Typus des monochromen Banketje (nl. für kleine Mahlzeit), der die Sonderstellung von Pieter Claesz in der Entwicklung des niederländischen Stilllebens bezeichnet. Der ökonomische Einsatz weniger Farben von geringer Leuchtkraft ist weit entfernt von den üppigen, in überbordender Farbenpracht geschilderten Prunkstilleben, die zugleich eine Warnung von maßloser Lebensweise enthalten. Im streng protestantischen Milieu der Niederlande, die sich auf einem biblischen Fundament, ja als auserwähltes Volk Gottes begriffen, wurden solche Botschaften problemlos verstanden.