Wer mit Songs aufwächst, wird später bei deren Wiederhören Klangbilder, wie beschrieben, entwickeln. Diese verinnerlichten Klangbilder bestimmen, behaupte ich, das Handeln von Personen nicht unwesentlich mit.
Branko Lenarts Projekt "Vitalogy: Schwarz & Silber, Vintage 1965–1997" aus Bildern und Tönen gedoppelten Serie ist nicht, kann nicht auf Vollständigkeit ausgelegt sein. Sie ist ein inspiriertes Spiel mit Fragmenten einer Biografie. Genauer gesagt, mit gut drei Jahrzehnten eines, seines Lebens. Was Lenarts Klangbilder so besonders macht, ist das Faktum, daß der Musikfan auch Fotograf ist. Sich also die Bilder gewissermaßen "selbst" macht. Die Koppelung von Songs aus 33 Jahren mit Fotografien aus dem nämlichen Zeitraum ist eine ganz persönliche Bilanz, in die freilich jeder Betrachter sein eigenes Klangbilder-Archiv einbringt. "Vitalogy" ist auch eine reflektierte Meditation über die Veränderung "scharfer" (Klang)Bilder im "unscharfen" Medium der Erinnerung.
Brank Lenarts "klassische" Vintage-Fotos und seine individuelle Kollektion klassischer Pop- und Rocksongs formiert sich zum Panorama einer Epoche der enormen Umbrüche. Ohne die Symbolik, die sich aus der Verschränkung jeweils eines Bildes mit jeweils einem Lied zwangsläufig ergibt, über die Maßen strapazieren zu wollen: die Zeitreise vom Grazer Paar, welches von The Who als "My Generation" definiert wird, bis zum Pariser Plakatfragment, dessen "Soundtrack" "The Drugs Don't Work" von The Verve ist, kann eine gewisse Melancholie nicht verleugnen. (Walter Titz)
Branko Lenart, geb. 1948 in Ptuj, lebt in Graz