POP 1900–2000

Populäre Musik in der Steiermark

15.03.2019 - 26.01.2020

Bildinformationen

Laufzeit

15.03.2019 - 26.01.2020

Eröffnung

14.03.2019, 19 Uhr mit DJ Al Bird Sputnik (Trash Rock Archives, FM4 Schnitzelbeats)

Ort

Museum für Geschichte

Kuratiert von

Maria Froihofer, David Reumüller und Karl Wratschko

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Über die
Ausstellung

​​​​​​​Die Ausstellung gibt Einblicke in das steirische Musikschaffen im Bereich der U-Musik.


Wer waren die steirischen „Popstars“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Was haben die Comedian Harmonists mit der Steiermark zu tun? Welche Musikgruppe aus Gradenberg deklassierte in der österreichischen Hitparade einst sogar Elvis Presley? Und: Was war die steirische Antwort auf Woodstock? 

POP 1900–2000 nimmt sich populäre Musik in der Steiermark im 20. Jahrhundert zum Thema. Im Fokus stehen dabei steirische Protagonistinnen und Protagonisten sowie Bands, deren Musik und die Orte, an denen sie aufgeführt und gehört wurde, deren Lebensstile und -welten, beleuchtet im Wechselspiel und Kontext einer (steirischen) Zeit- und Mediengeschichte sowie Alltagskultur.

Die Ausstellung gibt damit Einblicke in das steirische Musikschaffen im Bereich der U-Musik, sie schafft Brücken zwischen kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen, legt den Fokus auch auf weniger Bekanntes oder mitunter Vergessenes und berührt ein ganzes Ensemble oft nicht eindeutig abgrenzbarer Musikgenres und -gattungen.

Erzählt wird dies anhand einer Vielzahl an Fotografien, Film- und Videoaufnahmen, anhand technischer Geräte bzw. medienhistorischer Artefakte, anhand der Musik und mithilfe der Menschen, die sie „gemacht“ haben.

Rahmenprogramm

„Tonbilder“

In sogenannten „Tonbildern“ – eine Vorform der späteren Musikvideos – traten Musiker/innen vor die Kamera und sangen lippensynchron zu einer Schellackaufnahme. Diese wurde dann gemeinsam mit dem projizierten Film im Kino gezeigt. Weltweit sind nur sehr wenige Tonbilder in Bild und Ton überliefert.

Eine kleine Sensation ist deswegen ein erhaltenes Tonbild aus der Zeit um 1908 - ein Filmdokument aus der Sammlung des Filmarchiv Austria: Zu sehen und zu hören ist Mirzl Hofer, eine preisgekrönte Jodlerin aus Graz, die auf verschiedenen Bühnen sowohl in Österreich als auch im Ausland das Publikum begeisterte. Es zeigt eine Inszenierung des »Steinklopfer-Marsches« mit Mirzl Hofer als Protagonistin sowie vier weiteren NebendarstellerInnen. In der 2019 durch das Filmarchiv Austria ausgeführten Restaurierung wurde deren hauseigene Filmquelle des »Steinklopfer-Marsches« mit einer Schallplatte aus der Sammlung Familie Wegscheidler kombiniert.

Tonbild mit Mirzl Hofer: Steinklopfer Marsch, 1908, Filmarchiv Austria

Ausstellungsrundgang

1900 bis 1918 . 1918 bis 1945 . 1945 bis 1960er . 1960er bis 1975 . 1975 bis 1990 . 1990 bis 2000 

1900 bis 1918

Mit dem Knistern und Rauschen von Phonograph und Grammophon begann eine neue Ära in der Welt der Musik. Die Möglichkeit, Schall in eine dauerhafte und reproduzierbare Spur zu verwandeln, machte sich die Unterhaltungsindustrie rasch zunutze.

Bereits in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Stimmen bekannter steirischer Künstler/innen wie Alexander Girardi, Mirzl Hofer oder jene der „Obersteirer“ auf den neuen Medien Tonwalze oder Schellackplatte veröffentlicht. Ihre Operettenschlager, Volkslieder und Jodler konnten damit von einem Massenpublikum konsumiert werden. Das Phänomen Pop war geboren!

Geschickt setzte die Unterhaltungsindustrie auch auf das neue Medium Film: In den Kinos wurden durch mechanische Koppelung von Filmprojektor und Grammophon sogenannte „Tonbilder“ – eine Vorform der späteren Musikvideos – gezeigt.

1918 bis 194

Die viel gerühmten „wilden 20er-Jahre“ waren ein Phänomen der Metropolen. Vor allem nach Berlin zog es all jene, die mit der „leichten Muse“ Erfolg hatten oder haben wollten. Neue Modetänze und Rhythmen verbreiteten sich, Schlager und Tanzmusik wurden Synonyme füreinander.

Radio und Tonfilm – die neuen Massenmedien der 1920er-Jahre – waren wichtige Multiplikatoren und steigerten die Popularität der Künstler/innen. Auch steirische Musikschaffende profitierten davon, so etwa Austin Egen, Robert Stolz oder die Comedy Harmonists – eines der Nachfolgeensembles der berühmten Comedian Harmonists.

Während des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs kam der Unterhaltung und Ablenkung vom kriegsbedingten Alltagsleben große Bedeutung zu. Unterhaltungsmusik und Tanzschlager erlebten einen ungemeinen Aufschwung. Zugleich kam es zu einem massiven Aderlass in der Musikbranche: Viele Künstler/innen verloren ihre Arbeitsgrundlage und mussten emigrieren, andere wurden in Konzentrationslagern ermordet.

1945 bis 1960er

Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten die Alliierten das steirische Kulturleben. Jazz, kurz zuvor noch als „entartet“ diffamiert, war wieder angesagt und wurde live im Radio und in Lokalen von heimischen Jazzensembles gespielt. Der Zuspruch der Bevölkerung war groß, stand Jazz doch auch für ein neues Lebensgefühl voll Offenheit und Freiheit.

Nach Jazz lief bald Rock ’n’ Roll über den Äther, aber auch volksmusikalische Klänge nahmen in der Programmgestaltung des Rundfunks einen wesentlichen Platz ein. Lokale steirische Volksmusikgruppen wie das Edler Trio oder die steirische Meisterjodlerin Gisela Meissenbichler wurden dadurch überregional und international bekannt.

Das Fernsehen verstärkte diesen Effekt zusätzlich. Die Kern Buam, die schon 1954 einen Radio-Talentewettbewerb gewonnen hatten, traten ab Ende der 1960er-Jahre regelmäßig im ORF auf. Einen Aufschwung erlebte das Radio auch durch die Rundfunkindustrie, die ab den 1950ern Koffer- und Transistorradios auf den Markt brachte.

1960er bis 1975

Die Beatmusik brachte in den 1960er-Jahren eine wahre „Lärmrevolution“. Tanzbands und Jukeboxen holten den neuen Sound in die steirischen Wirtshäuser, die Konsumenten wurden zu Akteuren – vor allem in der Oststeiermark und speziell in Fürstenfeld. Politische Forderungen oder gesellschaftskritische Botschaften blieben dabei allerdings meist aus. Die „Revolution im Kleinen“ zeigte sich eher in provokanten langen Haaren.

Der Übergang von Tanzbands zu reinen Beat- und später Rockbands wie Music Machine, Magic oder Hide & Seek gestaltete sich fließend und dauerte bis Ende der 1960er-Jahre an. Erster Höhepunkt des gemeinsamen Auftretens in der regionalen Szene war das Woodstock-Imitat „Popendorf“ in der Oststeiermark mit 20 heimischen Bands, rund 3.000 Fans und einem riesigen Gendarmerieaufgebot.

1975 bis 1990

Wurde bis Mitte der 1970er-Jahre Beat- und später Rockmusik vor allem live dargeboten, stand nun das Aufnehmen und Produzieren von Platten im Mittelpunkt. In einem der ersten steirischen Studios, dem Grazer „Magic Sound Studio“ von Andi Beit und Boris Bukowski, entstanden ab 1978 Produktionen der Band Magic, aber auch erste Aufnahmen von STS, EAV oder Blizz Frizz. 

In den 1980er-Jahren wurde die Musiklandschaft vielfältiger: Bands und Sänger/innen wie OPUS, STS, EAV, Stefanie Werger, Joy, Boris Bukowski oder Carl Peyer feierten große Erfolge – die steirische Musikszene entwickelte sich für einige Jahre zur Keimzelle des „Austropop“ und wurde im gesamten deutschsprachigen Raum intensiv rezipiert. Aber auch neue internationale Genres wie Heavy Metal, New Wave oder Punk fanden ihren Weg in die Steiermark und machten die Bandszene bunt.

Mit „rosi lebt“ und Eva&Co traten auch Frauen als musikalische Protagonistinnen in den Vordergrund. Es wurde mehr und mehr experimentiert, erste Musikvideos entstanden und neue Instrumente wie die Drummachine erlaubten völlig neue Sounds.

1990 bis 2000

In den 1990er-Jahren ebbten die kommerziellen Erfolge der großen steirischen Bands ab. Heimische Musik war im wichtigsten Pop-Sender Österreichs Ö3 nur noch selten zu hören. Zugleich wurden Instrumente und Aufnahmemöglichkeiten leistbarer und somit Produktionen im eigenen Proberaum möglich. Es entstand eine Vielzahl an neuen Rock-, Pop-, Indie-, Punk-, Metal- und Hardcore-Bands, meist aus der alternativen Szene kommend. Einige davon wurden auch international wahrgenommen, etwa Orange Baboons, Sans Secours und Fetish 69. Geprägt waren sie oft von den nun leichter erhältlichen Tonträgern und seit 1995 vom Radiosender FM4.

Auch der Fernsehkanal MTV erreichte in den 1990er-Jahren fast jedes steirische Jugendzimmer. Davon beeinflusst, produzierten viele Bands erste Musikvideos, die ebenfalls über die Landesgrenzen hinaus wirkten. Nicht zuletzt eroberte der Computer in diesen Jahren endgültig die Musikwelt – als Soundlieferant, Aufnahmegerät und erstmals auch als Live-Instrument.