Im Februar 2022 begann Russland das gesamte Territorium der Ukraine zu bombardieren. Obwohl der Krieg bereits 2014 mit der Besetzung der Krim anfing, war eine großangelegte Invasion ein schwerer Schlag für alle Ukrainer*innen. Viele von uns haben unsere Häuser, Familien, Träume und Hoffnungen für die Zukunft verloren. Das Projekt Witnesses erzählt, wie Ukrainer*innen über einen mehr als hundert Tage andauernden Krieg denken.
Beide Künstler*innen, deren Werke im Projekt präsentiert werden, lebten und arbeiteten vor dem Krieg in Charkiw. Jetzt sind beide nach Lemberg gezogen, um weiterzuarbeiten.
Eduard Balula ist 1999 geboren und studierte an der Staatlichen Akademie für Design und Kunst Charkiw. Seine künstlerische Praxis konzentriert sich auf das Erlernen von Grafiktechniken und die Erweiterung ihrer Möglichkeiten. Eduards Werke sind poetisch, nachdenklich und spiegeln innere Erfahrungen wider.
Margo Sarkisova ist eine junge assyrische Künstlerin ukrainischer Abstammung. Sie ist eine der vielen Teilnehmer*innen, die das Projekt The Shadow of Dream (Mriya) Cast Upon Giardini Della Biennale im ukrainischen Pavillon während der 58. Biennale in Venedig unterstützte. In ihrer Arbeit erforscht Margo das Thema der nationalen Identität und wie die Gedanken und das Leben der Menschen von dem kulturellen Kontext beeinflusst werden, in dem sie sich befinden.
Eduard Balulas Werk Storch zeigt einen toten Vogel – ein Symbol der Ukraine. Dieser Storch steht für alle Ukrainer*innen, die vor dem Krieg geflohen sind oder gezwungen waren, sich in Kellern zu verstecken, die starben und in Angst leben und die Freiheit verteidigen, oft auf Kosten ihres eigenen Lebens. Die Platzierung der Arbeit ist nicht zufällig: Das Landeszeughaus – ein Waffendepot –, ein wunderschönes Gebäude mit Skulpturen antiker Kriegsgötter und -göttinnen an der Fassade, stellt militärische Operationen als etwas Fernes und Heldenhaftes dar. Aber jetzt ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Krieg etwas anderes ist als Ritter in Rüstung, die auf dem Cover eines historischen Romans in die Schlacht galoppieren, heute ist Krieg für Millionen von Ukrainer*innen eine schreckliche Realität. Deshalb stellen wir den Donner des Krieges und das Opfer des ukrainischen Volkes metaphorisch dar und fordern die Betrachter*innen auf, sich vor Augen zu halten, was jetzt in der Ukraine passiert.
Der zweite Teil des Projekts befindet sich im Museum selbst. Dort sind die Tagebücher von Margo Sarkisova ausgestellt – Zeichnungen in einem Notizbuch, an denen sie seit drei Monaten, seit Beginn der Invasion, arbeitet. Sie erzählen Margos persönliche Geschichte – ihre Angst, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung bei dem Versuch, aus dem unter Dauerfeuer stehenden Charkiw zu fliehen, die Hoffnung, in Lemberg einen sicheren Ort in der Westukraine zu finden, und die Erkenntnis, dass es in der Ukraine keine sicheren Orte mehr gibt.
Text: Nastia Khlestova, Kuratorin