Katharina Klement

Ökophonie – jede Stimme zählt. Eine akustische Bodenuntersuchung | OFFENE FELDER – Kunst und Landwirtschaft

Stationen des Klangwanderweges in Altaussee

Die österreichische Komponistin Katharina Klement hat ab August 2022 mehrere Wochen am Mühlberghof von Eva Schartner verbracht und sich intensiv mit der Landwirtschaft in der Region und den damit verbundenen Klangphänomenen beschäftigt. Am 13. Mai 2023 wurde das Ergebnis dieser Auseinandersetzung in Form eines Klangwanderweges präsentiert. Mit insgesamt 14 Stationen macht er den Hof in Altaussee, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sowie die ihn umgebende Landschaft für alle hör- und erlebbar. 

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Station 1

Start (Ökophonie)

Was macht den Klang, die gesamte Klang- und Geräuschvielfalt einer Hofgemeinschaft, eines „oikos“ (griechisch für Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft) aus? So wie es Profilschnitte durch einen Bodenkörper gibt, der die verschiedenen Bodenhorizonte zeigt, wird in dieser Arbeit ein Bauernhof und dessen Umgebung akustisch untersucht und in dessen Klanghorizonte eingedrungen. In einem Klangweg mit insgesamt 14 Stationen wird das Kaleidoskop von gegenwärtigen Klängen, Geräuschen, Gesprächen und Lauten, die zu einer Land(wirt)schaft gehören, hörbar gemacht.

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Station 2

Loser (Ökophonie)

Loser – so heißt der Hausberg und das Wahrzeichen von Altaussee – bedeutet in der Jägersprache „Lauscher“. Wie ein großes Ohr thront er über dem Ort, verbirgt sich bei Schlechtwetter und hat in seinem Inneren wie Äußeren klanglich einiges zu bieten. Ein riesiges Höhlensystem durchzieht das Innere des Bergs, woraus Tropfen als Klangmaterial für diese Komposition entnommen sind. Das Äußere ist besser bekannt: der Wind, Kuhglocken im Sommer, verschiedenste Tierlaute und nicht zuletzt der Mensch drücken dem Berg ihren akustischen Stempel auf. Man kann das Naturschutzgebiet Loser über die Panoramastraße oder zu Fuß erreichen. An der neu gebauten Gondel scheiden sich die Geister.

Lassen Sie sich auf eine klangliche Reise in eine der Höhlen ein! Am Ende führt diese wieder ins Freie auf eine Wiese mit zirpenden Feldgrillen.

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Station 3

Horizonte (Ökophonie)

Das Ausseerland zeichnet sich geologisch durch verschiedene Schichtungen aus, die im Lauf von Jahrmillionen verfestigt und gefaltet wurden. Kalk, Dolomit, Marmor und Salz bilden sogenannte Bodenhorizonte. In dieser Station überlagern sich sechs in Altaussee aufgenommene Klänge und bilden in Analogie dazu „Klanghorizonte“.

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Station 4

Bienen (Ökophonie)

Bienen (be-)stimmen das Leben der Pflanzen – und damit auch unseres durch ihr unermüdliches Einsammeln von Nektar und Blütenpollen. Drei verschiedene Aufnahmen von Bienenvölkern und ein Interview des Altausseer Imkers Franz Hütter bilden die Grundlage für diese Klangstation. Die unterschiedlichen Tonhöhen des Summens wurden herausgelöst und dadurch betont. Wird unser Gemüt vielleicht unbewusst auch von Bienentonskalen gestimmt?

Lassen Sie sich mitten in die Klänge der Bienenschwärme entführen und hören Sie, was der Imker zu erzählen weiß.

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Station 5

Mühlberg Hof (Ökophonie)

In dieser Station stehen der Mühlberg Hof und seine Eigentümerin Evi Schartner im Mittelpunkt. Hier fand die künstlerische Arbeit ihren Ausgangspunkt – Evi Schartner und Katharina Klement hatten sich jeweils bei der Projektausschreibung OFFENE FELDER – Kunst und Landwirtschaft des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark gemeldet und wurden miteinander in Verbindung gebracht. So entstand dieses akustische Porträt eines besonderen Hofs im Ausseerland.

Dank an Diether Ribitsch, Evi Schartner (Interviewpartner*innen)

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Station 6

Pferde (Ökophonie)

An einem der schönsten Arbeitsplätze der Welt mit Ausblick auf den Zinken, Dachstein und Sarstein kann man mindestens dreizehn Pferde und einen Ziegenbock beobachten. Hier erteilt die Bäuerin und kundige Reiterin Evi Schartner Reitstunden, und Praktikant*innen erlernen den Umgang mit Pferden. Diese sind ganz besondere Tiere in Bezug auf ihre Sensibilität und ihren Gehörsinn. Pferde nehmen Geräusche wesentlich früher wahr als wir und sie hören nicht nur mit den Ohren, sondern mit dem ganzen Körper. Der Hörsinn des Pferdes ist unentwegt aktiv. Pferde sind in der Lage, Klänge und Geräusche sehr genau zu lokalisieren. Sie können mittels vieler Ohrmuskeln ihre Ohren um fast 180 Grad drehen und Töne mit einer Frequenz von 33 kHz oder höher wahrnehmen. Dies ist mehr als eine halbe Oktave höher als unsere obere Hörschwelle. Auf alles, was die Wahrnehmung und Ortung von Geräuschen erschwert, reagieren Pferde nervös oder scheuen. Dazu gehört beispielsweise Wind. Tomsy, der Ziegenbock, ist festes Mitglied der Herde. Er hält sich nicht nur für ein Pferd, sondern sieht sich als Anführer. Die Pferde lassen ihm seine Eigenarten und spielen mit.

Dank an Nadja Zeh, Lilli Jetzl, Evi Schartner (Interviewpartnerinnen)

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Station 7

Mühle (Ökophonie)

Die namensgebende Mühle gehört zum Mühlberggut. Da sich der Bauernhof auf einem Hügel befindet, ist der Vulgo-Name Mühlberg entstanden. Früher wurde hier trotz dünner Humusschicht vor allem Roggen angebaut. In der Mühle wurde er durch die Kraft des Mühlbachs zu Mehl vermahlen und daraus Brot gebacken. Vor einigen Jahren wurde die Mühle durch den Verein „Initiative Natur erleben in Altaussee“ generalsaniert. In den Sommermonaten findet ein Schaumahlen statt, mit der Möglichkeit, eigenes Brot zu backen. Aus dem Klang- und Geräuschmaterial, sowohl des Mühlbachs als auch der Mechanik des Wasserrads ist diese Klangstation entstanden. Wie ein pochendes Herz läuft das Rad nach dem Lauf des Wassers und ist mit ihm in ständiger Zwiesprache.

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Station 8

WindWasserWald (Ökophonie)

Bei dieser Station bietet sich die analoge Umgebung ganz ohne QR-Code und Smartphone zum Hören an. Bleiben Sie stehen, setzen Sie sich auf einen Baumstumpf oder legen Sie sich bequem auf den weichen Waldboden und lauschen Sie. In der Natur gibt es immer etwas zu hören: sei es der Wind, der den Wald zum Rauschen bringt, die Rufe der Vögel, der Regen oder das Summen der Insekten. Auch die Geräusche des Menschen wie Verkehr oder andere Maschinen drücken einer sogenannten Klanglandschaft ihren besonderen akustischen Stempel auf. Was passiert, wenn man einfach sitzt oder stehen bleibt und hört? Nehmen Sie sich Zeit dafür. Wenn Sie wollen, notieren Sie Ihre Hörerfahrungen in das kleine Buch in der Plexiglasbox. Vielleicht stören Sie auch manche Geräusche und Sie wünschen sich andere. Nehmen Sie sich die Freiheit und entwerfen Sie Ihre ideale Klanglandschaft!

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Station 9

Identität (Ökophonie)

Das Ausseerland zeichnet sich im Besonderen durch Brauchtum und Tradition aus, die Teil seiner lebendigen Kultur sind. Konrad Mautner und Hans Gielge haben hier zum Aufspüren, Aufzeichnen und Fortsetzen der Volksmusik beigetragen. Diese wird längst in einer lebendigen Auseinandersetzung fortgeschrieben und mit neuen Einflüssen durchmischt. Die Klangkünstlerin verwendet hier unter anderem das Volksinstrument Zither, spielt es aber mit einer zeitgenössischen Technik wie ein Streichinstrument. Stimmliche Rufe mischen sich dazu, die an „Almschreie“ erinnern, welche früher zur Verständigung über weite Distanzen dienten.

Dank an Isabelle Duthoit (Singstimme), Hans Fuchs und Monika Werner (Interviewpartner*innen).

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Station 10

Landschaft (Ökophonie)

Die Bauern und Bäuerinnen sind die Pfleger*innen, Erhalter*innen und Gestalter*innen der Landschaft. Seit Jahrhunderten machen sie Gebiete urbar, legen Wiesen, Äcker und Gärten an, treiben ihr Vieh auf die Almen. Das Ausseerland ist aufgrund seiner Kleinteiligkeit stark durch Kleinbauern geprägt, die seit geraumer Zeit stark gefährdet sind. Obwohl oder gerade weil wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, verschwinden diese Höfe sukzessive. Franz Steinegger, selbst Bauer und Bürgermeister in Grundlsee, hat einen Landschaftspflegefonds eingerichtet, der sich für ein Grundeinkommen von Landwirt*innen einsetzt. Um die Naturlandschaft weiträumig zu schützen, gibt es das Vorhaben, einen Biosphärenpark im Raum Dachstein–Salzkammergut–Totes Gebirge einzurichten.

Dank an Franz Steinegger und Diether Ribitsch (Interviewpartner)

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Station 11

Vergangenheit (Ökophonie)

Die Bedeutung des Ausseerlands im Zweiten Weltkrieg ist vielschichtig. Unter anderem wurden zahlreiche Sommervillen berühmter jüdischer Persönlichkeiten von den Nazis enteignet. Hochrangige NSDAP-Angehörige quartierten sich ein und übten hier ihren Dienst aus. Die Widerstands- und Partisanenbewegung nützte die schwer zugängliche Berglandschaft, um sich zu verstecken. In dieser Station werden Fragmente einer Niederschrift des Altausseer Deserteurs und Widerstandskämpfers Karl Lackner verwendet. Er wurde verraten und ins KZ Mauthausen deportiert. Nur dank seines Einfallsreichtums konnte er überleben: Lackner vertauschte unter anderem seine Anstaltsnummer und versteckte sich in einem leeren Heringsfass. Immer wieder ringt man um Worte, wenn es um die Gräueltaten der Nazis geht. Vieles konnte oder durfte lange nicht ausgesprochen werden, manches wurde und wird immer noch verschwiegen. Das Unsagbare hat viele Gesichter. Karl Lackner wird hier eine Stimme verliehen, die aber immer wieder ins Stocken gerät. Sie wird manchmal in Partikel zerstäubt und dadurch mehrdeutig beziehungsweise nur mehr klanglich wahrnehmbar.

Dank an Christoph Auerböck und Edith Friedl, die mir den Text von Karl Lackner zukommen ließen.

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Station 12

Kühe (Ökophonie)

Kühe gestalten den Landschaftsraum im Ausseerland stark mit. Sie werden im Sommer auf die Almen getrieben, grasen sie ab, düngen sie und wirken damit einer Bewaldung entgegen. Eine Massentierhaltung lässt die kleinteilige bergige Landschaft nicht zu. Jeder Hof hat bestimmte Almrechte, die meistens schon vor Jahrhunderten ausgehandelt wurden. Eine große Herde ist aus Tieren von mehreren Höfen zusammengesetzt und wird auch gemeinschaftlich gehütet. Vorwiegend wird sogenannte Mutterkuhhaltung betrieben, die auf Fleischproduktion oder Zucht ausgerichtet ist. Das vielstimmige und mikrotonale Geläute der Herde auf der Loseralm ist die klangliche Basis für die Komposition zu dieser Station.

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Station 13

See (Ökophonie)

Der Altausseer See hat besondere Merkmale: Gespeist aus Karstquellen am Seegrund bietet er vor allem Fischen, Wasservögeln und zahlreichen Pflanzen Zebensraum. Sein gänzlich unverbauter Zugang lässt Naturbeobachtungen zu jeder Witterung und Zeit zu. Himmel, Wolken und die umgebenden Berge und Wälder spiegeln sich im See in immer neuen Variationen. Auch akustisch gibt es einiges zu entdecken: vom zarten Glucksen auf der Seewiese bis hin zum schnellen Geplätscher des Abflusses der Altausseer Traun oder dem Rauschen der „Liaga“ weiß das Wasser viel zu erzählen. Meine Interviewpartner*innen Christa Radler und der Plättenbauer Felix Suchanek berichten unter anderem wie früher Salz über den Wasserweg bis ans Schwarze Meer transportiert wurde.

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Station 14

Offener Raum (Ökophonie)

An dieser Station wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, einen relevanten Klang bzw. ein Geräusch oder eine sprachliche Aufnahme zu einem oder mehreren Themen der Stationen mit dem Smartphone oder einem anderen Audiogerät aufzunehmen.

1. Audiobeitrag
Feldaufnahme bei der Station 6 des Klangwanderwegs im Juni 2023. Sommergrillen und einige Vögel bilden eine typische frühsommerliche Klanglandschaft von Altaussee.
Die Aufnahme wurde von Eric Treml eingereicht.

2. Audiobeitrag
Aufnahme des Musikstücks „Menuett aus Bad Aussee“, aufgeführt am 18. Juni 2023 im Künstlerhaus Wien. Diese musikalische Darbietung wurde während der Buchpräsentation „Präzises Chaos“ von Hubert Sielecki aufgenommen. Luise Buisman an der Drehleier und Hubert Sielecki an der Bockspfeife.

3. Audiobeitrag
„Neighbours in progress“ eingereicht von Rainer Kremser:
„Ein bereits hochgeladenes Stück auf der Station 14, nämlich Naturaufnahmen OHNE humane Lärmverunreinigung haben mich zu diesem Beitrag inspiriert. Fieldrecordings von frühmorgendlicher samstäglicher Idylle aus meinem Wohnort in Niederösterreich, ein Hämmern der Nachbarn und zornige Vögel (Eichelhäher) im Wind sind das klangliche Ausgangsmaterial, welches zum Teil elektronisch weiter bearbeitet wurde. Wie man sich halt so fühlt, wenn es still und beeindruckend sein könnte, aber überbordende männliche nachbarliche Schaffenskraft Natur- und Kulturlandschaft wie einen Schrebergarten behandelt.“

Bildinformationen

Station 14 - 1. Audiobeitrag

Station 14 - 2. Audiobeitrag

Station 14 - 3. Audiobeitrag