Im Zeichen der Fortuna

Ein Zeitalter zwischen Tanz und Tod

 

Die Jahrhunderte zwischen 1500 und 1800 – die Frühe Neuzeit – markieren den Übergang vom christlichen Weltbild des Mittelalters hin zur Aufklärung am Vorabend der Moderne. Meist verbinden wir sie mit der Pracht von Renaissance und Barock. Doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine grausame Realität. Das Doppelgesicht der Epoche, so scheint es, steht im Zeichen Fortunas, der launischen Göttin des Glücks, stets wandelbar, nie von Dauer.

Auf der einen Seite blenden Prunk und festlicher Glanz, Feste in Stadt und Land, die Tage und Wochen dauern können, Warenströme, die aus allen Teilen der Welt nach Europa fließen, Gelehrsamkeit, die ganze Bibliotheken füllt.
Auf der anderen Seite herrschen bittere Not und unsägliches Elend: Der Krieg entvölkert ganze Landstriche, die zur Wüste werden, Hunger, Armut, Krankheit und Tod sind allgegenwärtig. Und dennoch bestimmt ein unbändiger Lebenswille die Epoche. Gerade weil jeder Moment der letzte sein kann, wird jeder glückliche Augenblick zum Fest.

 

 

Bildinformationen

Vom Leben in der Frühen Neuzeit

Kunstwerke im Überblick

Triumph des Todes

Die Allgegenwart des Todes in Zeiten der Not ist eine Grunderfahrung der Epoche. Das Buch der Geheimen Offenbarung beschwört die Endzeit und das göttliche Strafgericht. Die Stunde des Gerichts hat geschlagen, von seinem fahlen Ross mäht der Tod mit der Sense seine entsetzten Opfer nieder. Kein Stand wird geschont, weder Kaiser noch Kardinal, weder Ritter noch Bauer, sie alle werden vom Tod überrascht.

Schonungslos führt Brueghel die Allmacht des Todes vor Augen, dessen Heerscharen eine gepeinigte Menschheit in die Falle treiben. Darauf verweisen der Totenkarren und die brennende, von Dämonen bevölkerte Höllenstadt im Zentrum des Bildes. Historischer Hintergrund des Gemäldes ist ein Glaubenskonflikt: Spaniens mit äußerster Brutalität geführter Kampf gegen die nach religiöser Freiheit strebenden Niederlande. Der Streit mündet in endlose Heimsuchung und Verwüstung. Es gibt kein Zeichen der Hoffnung und Erlösung in diesem Gemälde, allein der Tod ist Sieger.

Elend ohne Ende – ein Kontinent im Krieg

Der Krieg ist ein Hauptkennzeichen des Zeitalters. Viele Konflikte ziehen sich über Jahrzehnte hin. Friedenszeiten sind oft nicht mehr als Waffenstillstände. Zumeist unter dem Vorwand der Religion geführt, geht es in Wirklichkeit um Macht und Dominanz: Katholiken kämpfen gegen Protestanten, die Großmächte um die Vorherrschaft in Europa. Tiefe Risse verlaufen durch den Kontinent. Während Spaniens Stern sinkt, wächst Frankreichs Macht. Holland und England werden Big Player des Welthandels.

Rohe Gewalt bestimmt das Leben der meisten Menschen, seien es wehrlose Bürger, Bauern oder einfache Soldaten. Opfer werden zu Tätern, Täter zu Opfern. Sie alle sind nur Figuren auf dem Schachbrett der Politik. An die Stelle der alten Aufgebote treten stehende Heere, Organisationen, die viel Logistik erfordern und Unsummen kosten.

Die Waffentechnik entwickelt sich weiter, zur Hightech der Zeit. Ein neues Lehrfach entsteht: die "Kriegswissenschaft", die ein wichtiger Teil der fürstlichen Erziehung wird.

Nichts auf Erden hat Bestand – Vergänglichkeit

Kaum ein Gedanke prägt die Epoche so sehr wie das Wissen um die Vergänglichkeit alles Irdischen. Kunst und Literatur des Barock sind voll von Anspielungen auf die Endlichkeit aller Dinge, die Vanitas. Auch die Stilllebenmalerei enthält zahlreiche Symbole, die mahnend auf die Hinfälligkeit des Menschen verweisen. Eine Grunderfahrung der Zeit, der endlose Krieg, der nichts als Tod und Verwüstung stiftet, bestätigt diese Erkenntnis immer wieder.

Nichts auf Erden hat Bestand, weder die Macht des Kaisers noch die Bücherweisheit der Gelehrten.

Leben heißt Mühsal

Der zumeist von Härte geprägte Lebensweg des Menschen wird in der Bildsprache der Renaissance zu einer Formel, die heroische Überhöhung an die Stelle der Realität setzt. Im jugendlichen Alter verlässt der Mensch die elterliche Geborgenheit mit leichter Bürde. Der erwachsene Mann jedoch geht unter der Last des Lebens in die Knie, Chronos, die Personifikation der Zeit, zwingt ihn nieder. Allein die Hoffnung mit dem Anker und die Geduld mit dem Lamm halten ihn aufrecht. Das Lebensende ist hier Erlösung von irdischer Mühsal. Den Greis empfängt die Verkörperung des Alters, begleitet vom geflügelten Tod.

Die im Dunkeln – Ausgestoßene

Trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren sind im Europa der frühen Neuzeit viele Reisende unterwegs. Dazu kommt eine Vielzahl von Menschen, die zu einem Leben auf der Straße gezwungen sind. Man nennt sie Vaganten oder fahrendes Volk. Dieses Heer der Armen steht verachtet und verunglimpft am Rande der Gesellschaft und wird beinah zwangsläufig in die Illegalität getrieben. Diese Außenseiter bilden eine Art Parallelgesellschaft, die für zahlreiche Künstler ein attraktives Sujet darstellt. Der aus Feldkirch in Vorarlberg stammende Jakob Franz Zipper verbrachte den Großteil seines Lebens in Mailand, wo er sich mit zahlreichen Darstellungen aus dem Leben der Unterschichten und Randgruppen erfolgreich am  Markt zu behaupten verstand.

Hier schildert er eine Familie von Scherenschleifern, die ihre Gerätschaften am Straßenrand aufgebaut haben. Das Bild denunziert die Gruppe jedoch auch als Betrüger, die dem naiven jungen Mann im Hintergrund mit zweifelhaften Weissagungen und Tränklein das Geld aus der Tasche zu ziehen versucht.

Die im Dunkeln – Ausgestoßene

Oben und Unten sind damals wie heute ein Thema der Zeit. Doch kennt die Vergangenheit weder Sozialstaat noch Rechtsschutz. Die „Zigeuner“ genannten Volksgruppen leben beständig am Rande. Diese Menschen ohne festen Wohnsitz heißen auch „fahrendes Volk“. Sie gelten als unbeständige Gesellen ohne moralischen Halt. Ständig als Betrüger verunglimpft, stehen sie außerhalb des Rechts. Doch die Outcasts des Barock faszinieren die Kunst ihrer Zeit, die sie freilich stets in der Sphäre des Anrüchigen ansiedelt und in ein buchstäblich schiefes Licht rückt. Wer sich arglos in ihre Nähe begibt, wird schnell zum Opfer, wie dieser junger Stutzer, der sich von einer Wahrsagerin ablenken lässt, während ihm der Geldbeutel gestohlen wird.

Fürstliches Vergnügen in Zeiten des Krieges

Das Angesicht der Epoche kennt jedoch auch eine andere Seite, die von Pracht, Lebensgenuss und einer grandiosen Festkultur geprägt ist.

Freizeit ist eine Erfindung der oberen Schichten, die ihren Lebensunterhalt ohne Arbeit bestreiten. Beliebtester Zeitvertreib der Vornehmen ist die Jagd. Nicht nur das Wild, auch dessen Lebensraum, Wald und Flur, stehen im Eigentum von Dynastie und Adel. Die oft tagelangen Jagdpartien sind nicht nur reines Vergnügen. Wichtige körperliche Fertigkeiten werden dabei geschult wie Waffengebrauch und Ausdauer bei der Verfolgung, allesamt Einübung in das ererbte Kriegshandwerk.

Doch lebt die Oberschicht nicht allein für den Krieg. Neben die alte Rolle des Kämpfers ist die neue des Mäzens getreten. Adelige Residenzen sind oft Schauplatz intensiver Kunstpflege. So steht das Talent des Künstlers stets im Dienst seines Gönners.

Wenn die Waffen schweigen, blühen die Künste

Wer die Künste fördert, sorgt dafür, dass sein Andenken fortlebt. Dies gelingt jedoch nur, wenn Frieden herrscht: Inter arma silent musae – Sprechen die Waffen, schweigen die Künste. Seit der späten Renaissance entstehen überall in Europa erste Kunstakademien als fürstliche Gründungen. Dort pflegt man die Kunst als praktische Wissenschaft, Maler und Bildhauer werden methodisch geschult. Der Künstler kann hier sein Genie beweisen, sein Mäzen die eigene Großzügigkeit und Bildung.

Die Malerei tritt nun gleichberechtigt an die Seite der Dichtung, getreu dem Wort des römischen Dichters Horaz: Ut pictura poesis – die Dichtung sei wie die Malerei. Dafür sind nicht nur Inspiration und Wissen erforderlich, sondern auch eine sorgfältige praktische Ausbildung. Die Kunstpflege wird zur öffentlichen Angelegenheit. Ein Kunstmarkt entsteht, und damit lebhafte Konkurrenz. Hinzu tritt als neue Macht die Kritik, die der Kenner übt.

Das Leben – ein Fest

Abseits der Höfe entwickelt das einfache Volk eine eigene Kultur, die ungeachtet aller Zwänge der Lebensfreude volle Entfaltung lässt. Ernte, Hochzeit und Kirchenfeste bieten eine Fülle von Anlässen. Ansonsten prägt harte Arbeit das Leben der Bauern, hinzu kommt die totale Abhängigkeit vom Grundherrn. Die bäuerliche Existenz ist eingebunden in den Lauf der Natur: Die Folge der Jahreszeiten gibt den Rhythmus der Arbeit vor, stets bedroht durch Gefahren wie Missernte, Willkür und Krieg.

Doch prägen neben der Arbeit ausgelassene Feiern das ländliche Leben. Zahllose gedruckte und gemalte Darstellungen zeugen davon, die jedoch fürs Auge des spottlustigen Städters gedacht sind. Für diesen sind Bauern kulturlos und unmoralisch, fast Tiere, die sich ihren Lastern wie Wollust, Völlerei und Trunk hingeben. So sind auch die Bauerndarstellungen der Familie Brueghel nur auf den ersten Blick heiter und harmlos. Das farbenfrohe Dorfleben steht in Wahrheit für die törichte Welt. Wahrer Herrscher ist der Narr, dem die Kinder folgen. Sie stehen für die verführbare Natur des Menschen.

Blühende Landschaften – Lob der Zivilisation

Die Epoche träumt vom Ideal einer wohlgeordneten Welt, vom harmonischen Zusammenwirken aller Gesellschaftsschichten. Symbol dafür ist wohlbestelltes Land, das reiche Ernten hervorbringt, ein Gegenbild zur Wirklichkeit, die vom Hunger bestimmt wird. Der Mensch ist in den Jahreslauf der Natur eingebunden. Die Sonne, so sie denn scheint, sichert das Wachstum der Feldfrüchte. Die allseits gefürchteten Missernten scheinen fern. Die tägliche Arbeit wird von abhängigen Bauern geleistet. Ihr Leben liegt ganz in den Händen des Grundherrn, dessen Schloss unübersehbar über den Feldern thront.

Der Sonnengott Apoll ist zugleich Schützer der Kultur und der Künste. Dafür steht die Leier, sein klassisches Attribut. Das Gemälde hat wahrscheinlich zu einem Zyklus von Allegorien gehört, die Monate, Tages- oder Jahreszeiten darstellten.

Vorbilder – Lob der Tugend

In der idealen Gesellschaft der Frühen Neuzeit sind die Rollen aller sozialen Schichten festgeschrieben. Regenten und Kirche erwarten gehorsame Untertanen. Ideales Verhalten wird gelehrt und gepredigt, die Kunst führt Tugendhelden als Rollenmodelle vor Augen. Große Vorbilder liefert die antike und religiöse Tradition. Mutiges Handeln, selbstlose Hingabe und standhaftes Erdulden zeichnen die Heldinnen und Helden aus Antike und Bibel aus, aber natürlich auch den guten Untertan. Ohne zu klagen, unterwerfen sie sich dem Willen des Höchsten.

Der junge David ist Inbegriff des biblischen Helden. Kaum bewaffnet, besiegt er den weit überlegenen Goliath. Der Sieg Davids verbindet beispielhaft Mut und List. Seine Leistung erhebt ihn zu einer überzeitlichen Leitfigur, die trotz mancher Verfehlungen als Tugendheld schlechthin gilt.

Lob des Genusses

Nicht nur heroisches Handeln, auch behaglicher Genuss bietet in Zeiten der Bedrängnis eine Zuflucht. Dafür steht Silen, ein Gefolgsmann des Weingottes Bacchus, wohlbeleibt, froh gestimmt und immer dem Trunk ergeben, ein mythisches Gegenbild zu einer vom Hunger geplagten Zeit. Was auf den ersten Blick lasterhaft erscheint, ist in Wahrheit Ausdruck von Gelassenheit und Weisheit. Silen ist der Lehrer des Bacchus und hilft den Göttern, den bedrohlichen Angriff der Titanen abzuwehren.

Die Kunst des Zeitalters, stets auf moralische Mahnung bedacht, entdeckt in der Figur des Silen die Freude am irdischen Dasein. Wer genießt, ist ausgeglichen und friedfertig. Er ist gefeit vor den Gefahren und Lastern, unter denen das Jahrhundert unaufhörlich zu leiden hat: Hochmut und Zorn, aus denen tödliche Konflikte erwachsen.