Mladen Stilinović
Pjevaj! / Sing!, 1980 Collage; Pastell, s/w-Fotografie, Banknote auf Kunstseide 41 x 32 cm; Početnica 1, 2, 3 / Primer 1, 2, 3, 1973, 16-mm Film, stumm, 5:28 min; Edition 1/10
Mladen Stilinovićs Werk bezieht sich auf den ideologischen, wirtschaftlichen und alltäglichen Kontext des ehemaligen Jugoslawiens und Kroatiens. Im Zentrum seines Interesses stehen Sprache, politische Slogans, mediale Manipulation, Straßenbilder und die Sprache der Menschen. Er spielt mit der „Ausbeutung“ der Sprache, um neue visuelle und poetische Dimensionen zu eröffnen.
Početnica 1, 2, 3 / Primer 1, 2, 3 ist eine Trilogie kurzer Stummfilme, in deren Auftakt die Zuschauer*innen aufgefordert werden, die darauffolgenden Texte laut zu lesen. Der erste Teil zeigt Schilder von einem Friseursalon, einer Schlosserei, einer Küferei, einer Tischlerei und anderen Geschäften – aufgenommen in der Vlaška-Straße in Zagreb, zwischen den Hausnummern 57 und 67. Damit eröffnet Stilinović ein zentrales Thema seines Schaffens: die Straßengestaltung – Design, das spontan entsteht, geschaffen von „Schriftmalern“, Menschen ohne professionelle Ausbildung. Stilinović liebte diese Form der Gestaltung: Zwei von ihm 1975 geschaffene Leporellos waren Friseuren und Fotowerkstätten gewidmet.
Im zweiten Teil, betitelt als Der Leser, wird die Bildfunktion vollständig von Wörtern und Buchstaben aus Stilinovićs Gedicht übernommen, wobei in jedem Einzelbild jeweils nur ein Wort erscheint. Da das Wort schneller gelesen wird, als das Bild verweilt, geht die Verbindung zum zuvor gelesenen Wort verloren – am Ende verschwindet so die Bedeutung des eigentlich sehr einfachen Gedichts. Durch die Fragmentierung der Montage bis zur Sinnlosigkeit versuchte der Künstler, die Wirksamkeit von Worten durch Filmzeit zu zerstören.
Der letzte Teil, Das Bilderbuch, richtet sich erneut an die Zuschauer*innen – nun in großen Druckbuchstaben mit der Aufforderung, sowohl den Text als auch die Bilder laut zu lesen. Am Ende fügen sich Text und Bild in die Erzählung von Äsops Fabel über die Löwin und den Fuchs ein, mit einer unmissverständlichen Botschaft: Der Wert liegt nicht in der Menge, sondern in der Qualität!
Wie mit vielen seiner Werke bezieht sich Mladen Stilinović mit der Arbeit Pjevaj! / Sing! auf die Themen Arbeit und Geld. Am besten zitiert man den Künstler selbst: „Ich klebte mir Geld auf die Stirn und befahl mir zu singen. Es ist selbstironisch, aber ich würde auch gerne etwas Geld verdienen. Es war ein Scherz, aber nicht absichtlich. Es hat keine Rolle gespielt, dass es gegen mich selbst gerichtet war. Man muss das singen, was andere wollen, wenn sie einen dafür bezahlen.“
Eine 100-Dinar-Banknote aus Jugoslawien ist auf die Stirn des Künstlers geklebt, mit dem Wort „Pjevaj!“ („Sing!“), was dem Werk einen stark performativen Charakter verleiht. Das Bild verweist auf die Balkantradition, Sänger in Bars zu bezahlen, indem man ihnen mit Klebeband einen Geldschein an die Stirn heftet. Doch es geht nicht nur um die Tradition, sondern auch um die Stellung des Künstlers, der nie angemessen bezahlt oder respektiert wurde.
Courtesy Branka Stipančić, Zagreb