Dem vielseitigen, offenen Charakter des Kunsthauses Graz entsprechend, ermöglicht das Projekt eine dynamische und kollaborative Begegnung mit einem Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst als Raum für öffentliche Partizipation. Wie einer der Architekten des Kunsthauses Graz es ausgedrückt hat, wird ein Gebäude „genauso wie eine Person umso interessanter, je tiefer wir darin eintauchen und je besser wir es kennenlernen“ (Peter Cook). In diesem Sinne lädt Giannotti das Publikum dazu ein, sich auf die Institution einzulassen und ihren Raum durch eine vertraute, körperliche Erfahrung zu erobern.
Wie ein roter Faden, der sich durch Giannottis gesamtes Werk zieht, gilt sein Augenmerk auch hier der Beziehung von Menschen mit ihrer Umgebung. In der Tat besteht eine funktionale Wechselwirkung zwischen der Anordnung des Raumes und der Neigung, sich in diesem auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. In Übereinstimmung mit dem von Jakob Johann von Uexküll entwickelten Umweltbegriff (1), erkundet Giannotti den Ausstellungsraum als Gefüge von Orientierungszeichen, die als Gebrauchsanweisungen dienen und den physischen, objektiven Raum zu einem Bedeutungssystem oder einer Lebenswelt machen. Um ein Museum in ein Fitnessstudio umzuwandeln, ist es also notwendig, jene „Bedeutungsträger“, welche den Handlungsumfang innerhalb der Museumsräumlichkeiten abgrenzen, so zu verändern, dass das Publikum dazu verleitet wird, darin Turnübungen zu machen. Dadurch untersucht der Künstler die Struktur und Funktionsweise des Museums als sozialen Raum.
Im Übergang von einem Bedeutungssystem zum anderen wird jene funktionale Beziehung mit der Umwelt, die das Verhalten des Publikums lenkt, vorläufig angehalten und außer Kraft gesetzt. Diese „Hingehaltenheit“ zwischen verschiedenen Bedeutungswelten lässt jene Regelwerke, die einem Museum oder einem Fitnessstudio eigen sind, in ihrer Kontingenz und Veränderbarkeit erscheinen. Schließlich kann Giannotti durch diesen entwaffnenden Kunstgriff mit Leichtigkeit und Ironie auf jene gemeinsamen Marketingstrategien anspielen, die – in Hinsicht auf Publikums- und Mitgliedschaftsentwicklung – das Museum mit dem Fitnessstudio verbinden.
The Museum as a Gym kann auch als ein Stresstest betrachtet werden, bei dem das Kunsthaus Graz auf funktionale Belastbarkeit und soziale Elastizität geprüft wird. Durch eine aktive Erkundung, die körperliche Beanspruchung und persönlichen Einsatz nicht scheut, erschließt sich die Infrastruktur der Institution als deren symbolische Muskulatur. Diese weist in verschiedene Kontraktionsrichtungen und lässt dadurch ihre potentielle Ausdehnung erahnen. Bei der Vermessung einer solchen Ausdehnbarkeit durch die Nutzung des Museums als Fitnessstudio können die Besucher/innen brachliegende Möglichkeiten im Umgang mit der musealen Umwelt in Gang setzen und dabei die Rolle, die ein Museum zeitgenössischer Kunst in der Interaktion unterschiedlicher Sozialkörper spielt, hinterfragen.
(1) Zu Uexkülls Umweltbegriff siehe die kurze, aber präzise Darstellung von Giorgio Agamben in Das Offene. Der Mensch und das Tier, Frankfurt am Main 2003, S. 49–50