Trouvé (geboren 1968 in Cosenza, Italien, lebt und arbeitet in Paris) ist Trägerin des prestigeträchtigen Prix Ricard (2001) und des Prix Marcel Duchamp (2007) und war an zahlreichen Schauen weltweit beteiligt, wie unter anderem an der Biennale in Venedig (2005), am Centre Georges Pompidou, Paris (2008), an der Manifesta7 (2008) und jüngst erst am migros museum für gegenwartskunst, Zürich (2009). Ihre Arbeiten (hauptsächlich großformatige Installationen, Skulpturen und Zeichnungen) definieren, was die Künstlerin selbst als „Wege, Welten zu schaffen und Wege, in der Welt zu sein“ bezeichnet.
Mit ihrer monumentalen und speziell für das Kunsthaus Graz geschaffenen Installation Il Grande Ritratto wird Tatiana Trouvé die untere Ausstellungsebene des Kunsthauses (Space02) in ein wahrlich subjektives Reich verwandeln: eine innere, post-apokalyptische Landschaft mit räumlicher Autonomie und Kraft, die vom Science Fiction-Roman Il grande ritratto (1960) des italienischen Meisters der literarischen Neoavantgarde, Dino Buzzati, inspiriert ist – einer unheimlichen Geschichte über Wissenschaft und Liebe, Fiktion und Realität, Heimlichkeit und Träume, eine Verquickung von Leidenschaft, Raum und Utopie. Buzzatis Œuvre, das zwischen magischem Realismus und sozialer Entfremdung oszilliert, bildet dabei den Kontext für Trouvés radikale Darstellung von Raum und Zeit, die wiederum die Reise der Betrachtenden durch den Raum weniger in eine physische, als in eine psychische Erfahrung verwandelt. Ihr Il Grande Ritratto konzentriert sich darauf, eine Zone verwischter Grenzen zwischen Innen und Außen zu schaffen: In einem schon beinahe wahnsinnigen Akt der räumlichen Rekonfiguration dekonstruiert die Künstlerin den Raum, sättigt ihn, kondensiert ihn und verlangsamt ihn. Die Installation zeigt performative und partizipatorische Qualitäten: Indem die Besucherinnen und Besucher durch den Raum gehen, wird er Teil der Landschaft, die die Autonomie des Ausstellungsraums stört und ihre eigene räumliche und zeitliche Grammatik verhängt, mit kleinen Gärten mit Steinen und Pflanzen, mit einer Wucherung von Säulen, die einen anderen räumlichen Rhythmus generieren, mit Kabeln, die sich durch die Luft spannen, surrealen Arbeitsplätzen und bizarren automatischen Liften … Trouvés Raum ist eine Art „Antiraum“; eine alternative Umgebung, in der alle normalen räumlichen und zeitlichen Koordinaten entweder negiert oder suspendiert werden: Die Skulpturen agieren als Prothese des Gebäudes und ein paar Objekte sind in den Zustand der Levitation versetzt, sind zum Teil in ihrer Bewegung angehalten oder hinterfragen die Behandlung von Maßstab und Perspektive durch die Künstlerin. Il Grande Ritratto ist jedoch alles andere als ein Portrait von Chaos. Im Gegenteil ist es ein Abbild von Präzision und formaler Einheit, das ein neues und erfrischendes Empfinden von Raumwahrnehmung und –verständnis schaffen will.