Die Reduktion der Formen und Inhalte seiner Arbeit, sowie die prinzipielle Kritik an ihrer Materialität und den Prozessen ihrer Genese stehen in einer Tradition des Konstruktivismus des 20. Jahrhunderts. In eindrucksvoller Konsequenz entwickelte er die abstrakte Skulptur zum minimalistischen Konzept. Wie kein anderer Künstler seiner Generation hat er damit auch einen wichtigen Anstoß zur Idee des Kunstwerks als Konzept gegeben. Damit wurde der klassische Begriff von Autorenschaft endgültig aufgehoben und ein neues Feld von Möglichkeiten künstlerischer Eingriffe und Manifestationen eröffnet. Minimalismus und Konzept bedeuten bei Sol LeWitt nicht eine Reduktion der Möglichkeiten, sondern eine im wahrsten Sinn des Wortes unendliche Variation von Formen und Bildern.
Für das Kunsthaus Graz steht LeWitt am Anfang einer Auseinandersetzung mit dem Raum und seiner Wahrnehmung.
Wurden in der Abstraktion nach Mondrian die Aspekte der Konstruktion von Bildern und der Illusion angesprochen, bedeutet Abstraktion im Minimalismus konkrete Materialität. Das Objekt wird 1:1 in seiner physischen Existenz wahrgenommen, jede Bedeutung wird geleugnet und die Tautologie zum Prinzip erhoben. In diesem genau definierten Raum wird der Betrachter zum handelnden Subjekt, ebendieser Raum aber wird zur Manövriermasse.
Hier setzt unser Interesse am Werk von Sol LeWitt ein. Die großformatige Leichtbetonskulptur, die der Künstler für Space 01 im Kunsthaus entwirft, vermisst den Raum und unterzieht ihn für den Betrachter einem perzeptiven Experiment.
Das Publikum erfährt die gewichtige Mauer zugleich als gebaute Architektur, Grenzlinie zwischen Innen und Aussen, wie auch als minimalistische Skluptur und haptisches Objekt.
Das Wort Wahrnehmung steht damit in den Worten Sol LeWitts für das Erfassen von Sinneseindrücken, einem objektiven Verständnis der Idee und gleichzeitig einer subjektiven Interpretation von beiden.