st die jüngste der drei Künstlerinnen dieser Ausstellung. 2013 gewann sie bei der Biennale in Venedig den Silbernen Löwen für ihren Film Grosse Fatigue. Camille Henrot interessiert sich für die Riten und Bräuche europäischer Gesellschaften, reiste nach Indien, Japan oder Melanesien. Sie denkt darüber nach, wie Geschichte geschrieben wird, wie museale Klassifizierungen vorgenommen werden, wie Menschen kategorisiert werden und wie mit Exotismus umgegangen wird. Anders als eine Ethnologin, geht sie damit aber sehr intuitiv, assoziativ und vor allem sehr visuell vor. Sie nutzt Bilder aus verschiedenen Zusammenhängen und stellt sie in sehr unmittelbarer Direktheit ineinander und zueinander, wodurch sie zum Kern einer westlichen Kulturrezeption vordringt und diesen nach außen spiegelt. Camille Henrots Werk ist geprägt von einem komplexen Synkretismus, von der Synthese religiöser Ideen und Philosophien zu einem gemeinsamen, voneinander abhängigen und sich ständig wandelnden Weltbild.
Der Titel des Films (Le Songe de Poliphile / The Strife of Love in a Dream) („Der Traum des Vielliebers“) geht zurück auf das berühmte, aber vielfach ungelesene Traktat Hypnerotomachia Poliphili aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, das als Traumroman und Kunstwerk in die Geschichte einging.
In einer unglaublichen Bilderflut spannt der Film eine Informationsdichte auf, die zwischen einem dicht bevölkerten Indien und einem klinisch-sterilen Europa pendelt. Der Film verdichtet sich immer mehr zu einem Kampf gegen Ängste, denen einerseits mit Medikamenten, andererseits mit kollektiver Agitation entgegengetreten wird. Als zentrales Symbol tritt dabei die Schlange auf, die der Angst eine körperliche Erscheinung gibt. In rascher Geschwindigkeit tauchen Bilder aus der Kunstgeschichte oder dem Unterhaltungsfernsehen zwischen den beiden Erzählsträngen auf. Das Medikament, dessen hochtechnisierte Produktion man im Film beobachten kann, ist Atarax®. Es dient der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen. Wichtig ist im Film die Musik von Joakim, die zusehends intensiver wird und die Dramatik der immer schneller geschnittenen Bilder unterstützt. Man kann aus diesem Film nicht aussteigen, ist wie hypnotisiert – der Film wird zum Alptraum und lässt die Betrachtenden im Unbehagen alleine zurück.
Ausgangspunkt für die Arbeit Collection Préhistorique war ein Buch über die algerische Frühgeschichte, das noch vor der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich erschienen ist. Es zeigt Objekte und Steine, die von Soldaten und Priestern vor Ort gesammelt wurden. Die Bilder aus dem Buch wirken nostalgisch. Der Blick der 1950er-Jahre auf eine vermeintlich unschuldige Zeit wurde kombiniert mit erotischen Bildern von nackten Körpern sowie mit Objekten, die Camille Henrot via eBay zusammengetragen hatte. Diese Bilder werfen in der unmittelbaren Zusammenschau Fragen von Repräsentation und Illusion, Wissenschaft und Kunst auf.