Geboren 1944, studierte an der Ecole Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris und der Architectural Association School of Architecture in London.
Colin Fournier ist Professor emeritus für Architektur und Stadtplanung an der Bartlett School of Architecture am University College London (UCL), wo er über 18 Jahre lang sowohl Leiter des Architektur-Master-Studiengangs in Urban Design als auch Leiter eines der Diplomlehrgänge war. Erst kürzlich beendete er eine vierjährige Gastprofessur an der Chinesischen Universität von Hong Kong (CUHK). Er war außerordentliches Mitglied der radikal experimentellen Gruppe Archigram und Planungsdirektor der Ralph Parsons Company (jetzt: Parsons Corporation) in Pasadena, Kalifornien, und realisierte mehrere Stadtdesign-Projekte im Mittleren Osten, vor allem in der neuen Stadt Yanbu in Saudi Arabien. Fournier war Bernard Tschumis Partner für das Design des Parc de la Villette in Paris und, mit Sir Peter Cook, Co-Autor des Kunsthauses Graz. Sein „Open Cinema“-Projekt, das er gemeinsam mit der Künstlerin Marysia Lewandowska entwickelte, wurde in Guimarães in Portugal – eine der beiden Kulturhauptstädte Europas 2012 – realisiert. Eine zweite Ausgabe wurde in Lissabon produziert, als Teil der Lissabon Architektur Triennale 2013, und eine dritte 2016 in Hong Kong, im K11 Art Space. Fournier ist Präsident von TETRA, einem Architektur- und Stadtplanungsbüro mit Sitz in Hong Kong.
Statemens Colin Fournier
Travelator
So wird die Erforschung des Kunsthauses zur unausgeglichenen kinetischen Erfahrung, und es entsteht ein weiterer Beitrag zur Unvorhersehbarkeit des Raumes. Es bietet einen Luxus, den sich alle Museen leisten sollten: nämlich Kunst auf zweierlei Art zu erfahren. Einmal ganz nonchalant, im bequemen Gleiten auf der „Pin“, oder das zweite Mal mit mehr Aufmerksamkeit, wenn man langsam durch das Gebäude wieder zum Boden sickert. (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, aus: A Friendly Alien. Kunsthaus Graz, Peter Cook, Colin Fournier Architekten, hg. v. Dieter Bogner/Kunsthaus Graz AG, 2004, S. 110)
Der „Friendly Alien“ schluckt alles mit seinem Travelator. Er ist wie ein gigantischer Staubsauger, wie der Bauch eines Walfisches, und er ruft weit entfernte Erinnerungen aus der Kindheit wach, unbewusste Wünsche, vom Drachen gefressen zu werden, oder das zarte Vergnügen, wenn wir die raue Zunge einer Katze auf unserer Haut spüren. Im schwarzen Loch des Walfischbauches findet man alle möglichen Dinge: alte Stiefel, verlorene Schätze, verirrte Fische, sogar Jonas selbst. Und genau das muss ein Museum sein, ein Ort, der mit unserem Wunsch nach Überraschung und dem Unerwarteten spielt. Bizarre Konfrontation, Dinge, die noch nicht ganz verdaut sind. (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, aus: A Friendly Alien. Kunsthaus Graz, Peter Cook, Colin Fournier Architekten, hg. v. Dieter Bogner/Kunsthaus Graz AG, 2004, S. 116)
Skin
In der Zeit des Wettbewerbs und auch später schrieb ich ein paar Texte über die Träume, die wir verfolgten. Eine der wesentlichen prägenden Ideen, der wir am liebsten folgten, war, dass die Außenhaut unseres Gebäudes in der Lage wäre, sich wie die Haut eines Chamäleons zu verändern, Farbwechsel, Transparenz, Reflektivität etc. Aus der Zukunftstechnologie von Hochleistungs-Yachtsegeln holten wir uns die Anregung dafür, dass die Haut eine nahtlos laminierte Membran sein könnte, innerhalb derer integrierte Photovoltaik Sonnen- und Windenergie aufnehmen und dazu lichtemittierende Dioden enthalten könnte, die eine Verwendung als digitaler elektronischer Bildschirm erlauben würden. Einige dieser ambitionierten Ideen konnten in das finale Design implementiert werden, wohingegen andere auf weitere Entwicklungen der „State of the Art“-Technologien werden warten müssen. Was die Zukunft biomorpher Architektur betrifft, habe ich geschrieben, dass das Kunsthaus einen Wendepunkt markiert: Es definiert nur den Beginn einer Architektur, die der Natur nicht nur was die Form, sondern auch was Verhalten betrifft, analog ist, eine Architektur, die mithilfe von Robotik und künstlicher Intelligenz eines Tages wirklich lebendig werden und auf Umwelteinflüsse und sowohl menschliche Bedürfnisse als auch Wünsche reagieren könnte … (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, Gespräch mit Barbara Steiner, 08.04.2017)
Monster und andere Kreaturen
„Interessante Architekturen sind wie Monster“, schrieb Jean Baudrillard. Der französische Philosoph war fasziniert von dem, was er „monströses Architekturobjekt“ nannte, das Objekt, das in komplettem Widerspruch zu seinem Kontext steht und heraussticht wie eine Erscheinung aus dem All, eine einzigartige Singularität. Wie auch sein eigenes Denken vor dem Hintergrund zeitgenössischer westlicher Kultur als Singularität hervorstach, spürte er Objekte auf, die vergleichbare Monster sind, Abweichungen von der Norm, außerirdische Lebensformen. Die Erfindung solcher Monster impliziert die Fähigkeit, eine kulturelle Leere zu erschaffen und den omnipräsenten Diskurs der dominanten Kultur auszusetzen, sodass etwas anderem erlaubt wird zutage zu treten und Form anzunehmen.“ (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, Vorlesung „Jean Baudrillard and radical architecture“, ZKM, Karlsruhe, 2004)
Und so kennt man das Kunsthaus als Nilpferdbaby, Seeschnecke, Stachelschwein, Walfisch und so weiter. Es soll bewusst wie eine Artenmischung wirken, wie ein nicht klassifizierbares Hybrid, eine biomorphe Präsenz, die fremd und vertraut zugleich ist. Fremd, weil es keine Referenz zu einem bestimmten Tier gibt, sondern weil es aussieht wie eine Kreatur, die die Evolution durch Zufall auf einem anderen Planeten hervorgebracht hat. Vertraut, weil es den Charme eines freundlichen streunenden Bastards mit höchst fragwürdigem Stammbaum hat. (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, aus: A Friendly Alien. Kunsthaus Graz, Peter Cook, Colin Fournier Architekten, hg. v. Dieter Bogner/Kunsthaus Graz AG, 2004, S. 114)
Museologie
Die große Tugend, die dem Programm des Kunsthauses zugrunde liegt, ist, dass es keine festgelegte Substanz hat: Das Museum hat keine ständige Sammlung. Es ist sehr befreiend, ein Gebäude nicht auf eine spezifische Funktion zuschneiden zu müssen. So kann das Kunsthaus potenziell wie ein Chamäleon agieren und sein Aussehen permanent verändern, sowohl außen, durch die programmierbare elektronische Fassade, als auch innen, um sich den neuen Bedürfnissen jeder Ausstellung anzupassen. Jeder neue Kurator muss sich der Herausforderung, uns zu überraschen und jedes Mal mit einer neuen Raumerfahrung zu konfrontieren, stellen. Das Element des Neuen und der Überraschung muss erhalten bleiben. Einmal ist nicht genug. Damit das Museum auch weiterhin ein Objekt der Begierde bleiben kann, muss sein Mysterium unangetastet bleiben. (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, aus: A Friendly Alien. Kunsthaus Graz, Peter Cook, Colin Fournier Architekten, hg. v. Dieter Bogner/Kunsthaus Graz AG, 2004, S. 100)
Licht
Wir sind nicht glücklich mit der Beleuchtungssituation im Hauptausstellungsraum. Am Ende war es unsere Entscheidung, aber es war ein Kompromiss. Wir mochten diese spiralförmige Beleuchtung, die wir schlussendlich verwendeten, nicht wirklich, weil wir fanden, dass sie ästhetisch zu sehr präsent sei und für zu viele Lichtreflexionen im Ausstellungsraum sorgte. Wir wollten im Idealfall ein Beleuchtungssystem vorschlagen, das in die Oberfläche der Innenhaut integriert wäre, eher in Form von dichten Reihen kleiner LED-Lichtquellen als in Form einzelner Einbauten, sodass die ganze Oberfläche der Haut selbst zu einer leuchtenden Lichtquelle geworden wäre. Aber diese Option hätte weitere 500.000 Euro gekostet; nicht viel im Vergleich zum ganzen Baubudget des Kunsthauses, in den Augen des Kunden aber dennoch zu viel. Wir waren aufgefordert, mit den Kosten im Rahmen des Budgets zu bleiben. Experimentelle Projekte, speziell für kulturelle Programme wie Kunstmuseen, verdoppeln üblicherweise ihre Kosten, manchmal gehen sie sogar das Zehnfache über das Budget: Wir hofften im Stillen, das Budget vielleicht um 10 % oder sogar 15 % überziehen zu dürfen ... Aber wir wurden stark beschränkt und stellten das Kunsthaus schließlich etwa 2 % über dem Budget fertig. (Colin Fournier, Entwurfsverfasser, spacelab Cook/Fournier, London, Gespräch mit Barbara Steiner, 08.04.2017)