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Zwei neue Ausstellungen im Kunsthaus widmen sich der Bandbreite an weiblichen Positionen und dem Ausbruch aus gesellschaftlichen Zuschreibungen

20.04.2022

 

Amazons of Pop! nimmt umfangreich die vielfältigen Ausdrucksformen einer Generation von Frauen aus Europa und Nordamerika auf, die selbstbewusst und ausdrucksstark die weniger bekannte Seite der Pop-Art formen. Parallel zur Gruppenausstellung wird im Obergeschoss die Ausstellung Monica Bonvicini. I Don’t Like You Very Much eröffnet: Im Mittelpunkt der dreiteiligen Schau, die gemeinsam mit dem Kunst Museum Winterthur konzipiert wird, stehen das Haus und die damit verbundenen Raumordnungen und Machtstrukturen.

 

Ausstellungsansicht Amazons of Pop!, Foto: Kunsthaus Graz / J.J. Kucek

Amazons of Pop: über Künstlerinnen, Superheldinnen und Ikonen

Amazons of Pop! zeigt entlang von inhaltlichen Schwerpunkten (von FLY ME TO THE MOON bis GIVE PEACE A CHANCE!) umfangreich, wie vielschichtig und heterogen der weibliche Beitrag zur Geschichte der Pop-Art ist und integriert auch konzeptuelle, aktivistische sowie performative Ansätze. Im Kunsthaus Graz nutzt die Ausstellungsgestaltung eine innere Verwandtschaft zur Herkunft der Blob-Architektur und lädt mit rund 120 Werken von etwa 40 Künstlerinnen, Superheldinnen und Ikonen aus unterschiedlichen Medien wie Malerei, Installation, Performance, Skulptur und Film dazu ein, in die weibliche Welt des Pop und in eine Zeitspanne sozialer, technischer und politischer Umbrüche einzutauchen. Damit schließt sie sich der sukzessiven Anerkennung und öffentlichen Wahrnehmung von Pop-Art-Künstlerinnen sowie einer Aufarbeitung und Neubewertung tradierter Kunstgeschichte – wie sie in Ausstellungen wie POWER UP – Female Pop Art​ in der Kunsthalle Wien 2010 begann – an und denkt diese konsequent weiter. 

 

 

Glitzerwelt und Nachkriegsrealität
Die Ausstellung, initiiert vom MAMAC in Nizza und zuvor in der Kunsthalle zu Kiel zu sehen, verankert Pop-Art in Europa, betrachtet die Verbindungen zur nordamerikanischen Strömung, insbesondere in New York, und nimmt im Kunsthaus Graz zusätzlich österreichische Pop-Art-Tendenzen auf. Während die amerikanische Wirtschaft prosperiert und es in den US-Metropolen glitzert und blinkt, zeigt sich Wien eher dunkel und schmutzig, kämpft mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Die euphorische Pop-Art manifestiert sich in der österreichischen Kunst bis 1973 rudimentär und am Rande, zuweilen unterschwellig – etwa in den schwerelosen und verflachten Körpersilhouetten von Kiki Kogelnik, den gleichermaßen erotisch-träumerischen wie brutalen Holzschnitten von Auguste Kronheim, den fragmentierten und re-arrangierten Werbebildern und abstrakten Kompositionen von Ingeborg G. Pluhar oder den parasitären Projekten von Angela Hareiter, die sich mit ihren experimentellen Architekturansätzen an der Schnittstelle zur Kunst bewegen.

 

Die Präsentationen entfalten sich dementsprechend kaleidoskopisch rund um die Themen Behausung, Häuslichkeit, Schutz, Zerstörung, Normativität, Kontrolle, aber auch um Kontrollverlust sowie den Ausbruch aus Normierungen und Geschlechterrollen. Gezeigt werden Werke  von Evelyne Axell, Barbarella, Brigitte Bardot, Marion Baruch, Pauline Boty, Martine Canneel, Lourdes Castro, Judy Chicago, Chryssa, France Cristini, Christa Dichgans, VALIE EXPORT, Jane Fonda, Ruth Francken, Ángela García, Angela Hareiter, Jann Haworth, Dorothy Iannone, Jodelle & Pravda La Survireuse, Corita Kent, Kiki Kogelnik, Auguste Kronheim, Kay Kurt, Nicola L., Ketty La Rocca, Natalia LL, Milvia Maglione, Lucia Marcucci, Marie Menken, Marilyn Monroe, Isabel Oliver, Yoko Ono, Ulrike Ottinger, Emma Peel, Ingeborg G. Pluhar, Martha Rosler, Niki de Saint Phalle, Carolee Schneemann, Marjorie Strider, Sturtevant, Valentina Tereshkova sowie May Wilson.

 

Ein umfangreicher Katalog (29 €) mit Texten (Deutsch und Englisch) von Hélène Guenin, Gérladine Gourbe, Katrin Bucher Trantow, Regina Göckede, Annette Hüsch, Barbara Steiner sowie einer soziopolitischen Chronologie, aufschlussreichen Biografien und den Abbildungen der Werke begleitet die Ausstellung.

 

 

Monica Bonvicini hinterfragt Raumordnung und Machtstrukturen

Für ihre Ausstellung im Kunsthaus Graz präsentiert Monica Bonvicini verschiedene Arbeiten, die von dem Video See a White Building, Pink and Blue (2020) über eine Serie von farbigen Dokumentarfotografien italienischer Familienhäuser (Italian Homes, 2019) bis hin zu einer ganzen Architektur mit dem Titel As Walls Keep Shifting reichen, die speziell für den Raum des Kunsthauses Graz ausgestaltet wurde.

"As Walls Keep Shifting" von Monica Bonvicini, Foto: Kunsthaus Graz / M. Grabner

Die Videoprojektion empfängt die Betrachter*innen direkt am Eingang des Raumes. Man taucht ein in psychedelische Farben, während der stetige Rhythmus des Sounds den Ausstellungsraum durchflutet. Der Titel ist einer Erzählung des britischen Neurologen Oliver Sacks über eine Frau mit Halluzinationen entlehnt. Das Werk gibt den Ton der gesamten Ausstellung an. Die großformatige Holzinstallation As Walls Keep Shifting kann als dreidimensionale Darstellung einer architektonischen Cut-up-Technik gesehen werden. Die Skulptur wurde erstmals im OGR in Turin präsentiert und ist die 1:1-Reproduktion einer Hälfte der in Italian Homes fotografierten Häuser. Die nachhaltige Holz-Konstruktion ist als Hausstruktur nach kalifornischem Vorbild errichtet. Bonvicini studierte Anfang der 1990er-Jahre am CalArts und fotografierte dort in der Gegend im Bau befindliche Häuser einer geschlossenen Wohnsiedlung. Der Titel der Arbeit stammt aus dem Buch House of Leaves von Mark Z. Danielewski aus dem Jahr 2000, einer mehrstimmig erzählten Geschichte über eine Familie, die versucht, das ideale Haus auf dem Land zu errichten, bis die unbeschreibliche Realität der Messungen eine Wendung ins Dünstere nimmt mit der Erkenntnis, dass die inneren Maße des Hauses nicht mit den äußeren übereinstimmen.

 

Adaption für das Kunsthaus Graz

Für das Kunsthaus Graz wurde As Walls Keep Shifting buchstäblich in drei Teile geschnitten, die, in einem ständigen Gleichgewicht, sorgfältig im Raum angeordnet sind, ganz so, als sei ein Hurrikan vorbeigezogen und hätte das Anwesen umgedreht. Wie in Buster Keatons Stummfilm A Week, der vor fast 100 Jahren produziert und inszeniert wurde, wird die idyllische Idee des Hauses als Nest für Geborgenheit und Liebe demontiert und ist weit davon entfernt, Realität zu werden. Ein Klangstück, das dem Song Our House von Graham Nash folgt, den dieser 1970 für Joni Mitchell schrieb, also ziemlich genau zu der Zeit, als die Häuser auf den Fotografien gebaut wurden, dringt störend in den Ausstellungsraum ein.

 

Katrin Bucher Trantow, Kuratorin und interimistische Leiterin des Kunsthauses Graz, über die beiden Ausstellungen: „Die Amazons of Pop! zeigen eine herausragende Bandbreite an weiblichen Positionen, die ab 1961 in der Entwicklung der Pop-Art parallel zu ihren männlichen Kollegen einen bahnbrechenden Umgang mit den Massenmedien und der Welt des wachsenden Konsums in ihren Werken manifestieren. Damit schließen sich einerseits Lücken in der Kunstgeschichte immer mehr. Andererseits zeigen sich die Positionen in protofeministischer Selbstsicherheit, demonstrieren Sinnlichkeit ebenso wie Mut zur Selbsterfahrung und lassen die Jahre der Revolten inmitten des Wirtschaftswunders als bis heute wegweisend erfahren.

Dass sich neben den Amazons mit Monica Bonvicini zudem ein zeitgenössischer Star mit dem biomorphen Kunsthaus, dem Körper und seinen Normierungen durch Architektur und Medien auseinandersetzt, spinnt die Fragen nach Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Ausbruchs aus gesellschaftlichen Zuschreibungen im Space01 weiter.“

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Amazons of Pop! Künstlerinnen, Superheldinnen, Ikonen 1961‒1973 sowie
Monica Bonvicini. I Don’t Like You Very Much

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

Eröffnung: 21.04.2022, 19 Uhr

Laufzeit: 22.04.‒28.08.2022

www.kunsthausgraz.at 

 

Weitere Informationen, das umfangreiche Rahmenprogramm sowie Bildmaterial finden Sie online unter Amazons of Pop! sowie unter Monica Bonvicini  

 

 

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