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Im studio der Neuen Galerie Graz zeigen junge Künstler*innen eine multimediale Analyse des Kapitalismus in der Nachkriegszeit sowie über unser Verständnis von Sorgearbeit

 

Graz, 19.03.2024
 

Julia Haugeneder stellt im studio der Neuen Galerie Graz erstmals drei neue filmische Arbeiten vor: eine Trilogie, die sich mit dem Kapitalismus und der Art und Weise auseinandersetzt, wie er unser Zusammenleben verändert. Auch eine Installation aus in Buchbinderleim und Wachs getünchten Seidenpapierbahnen ist Teil der multimedialen Ausstellung, die von einem Team aus jungen Kunstschaffenden gestaltet wurde.

Die studio-Ausstellung wurde von Julia Haugeneder (rechts) gemeinsam mit Magdalena Kreinecker (links), Matteo Sanders und Lucas Schmid (Werkbüro) gestaltet. Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek © Bildrecht Wien, 2024

Im studio der Neuen Galerie Graz präsentiert Julia Haugeneder nicht nur ihre bekannten Buchbinderleim-Werke, sondern vor allem drei neue filmische Arbeiten. Haugeneder hat vor ihrem Kunststudium Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien und Rotterdam studiert und sich im letzten Jahr auf diese ursprüngliche Leidenschaft rückbesonnen. Gemeinsam mit Matteo Sanders hat sie eine filmische Trilogie entwickelt, die nun in Graz erstmals in ihrer Gesamtheit zu sehen ist. Das Verbindende der drei Filme ist die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und die Art und Weise, wie er unser Zusammenleben verändert und die Gesellschaft stratifiziert hat.

 

Eingebettet sind die Projektionen in eine einnehmende Installation aus mit Buchbinderleim und Wachs getünchten sowie siebbedruckten Seidenpapierbahnen, die Haugeneder gemeinsam mit Magdalena Kreinecker gestaltet hat. Die beiden Künstlerinnen haben den Innenraum des studios gleichsam mit einer zweiten Haut ummantelt, eine Membran zwischen Wand und Raumvolumen eingezogen und dadurch auch die Filmpräsentation in ihrer Mitte schützend umhüllt. Zugleich handelt es sich dabei um eine Referenz auf den „microwave egg cooker“, also jene Umhüllung des Eis, die es braucht, wenn man es im Mikrowellenherd zubereiten möchte. In ihrer konzeptuellen Umstülpung legt sich das künstlerische Material schützend um die Betrachter*innen, die auf den eiförmigen Sitzmöbeln die filmischen Reflexionen über den Einfluss der Kunststoffe auf die Gesellschaft und die Struktur der Kleinfamilie betrachten.

 

Der Kapitalismus im Fokus der Film-Trilogie
Im ersten Teil wird das Aufkommen neuer Substanzen und Materialien, allen voran synthetischer Kunststoffe, im Zuge der industriellen Revolution ebenso beschrieben wie ihre globale Vermarktung nach dem Zweiten Weltkrieg. Es entstand eine Lebenswelt, in der nicht mehr die Produktion, sondern ihr Konsum im Vordergrund steht: die Wegwerfgesellschaft. Haugeneder und Sanders erzählen diese Geschichte fragmentarisch und verknüpfen sie mit Silvia Federicis Theorie von der Enteignung und Ausbeutung weiblicher Körper, die die Autorin in ihrem bahnbrechenden Buch Caliban und die Hexe herausgearbeitet hat.

 

Die Nachkriegsavantgarde hat die neuen Materialien aufgegriffen und die herkömmliche Vorstellung von dauerhafter Kunst aufgebrochen. Besonders die bildnerischen Arbeiten von Haugeneder folgen einer Traditionslinie, vergleichbar mit Künstlerinnen wie Lynda Benglis oder Eva Hesse. Auf visueller Ebene sieht man daher bewusst die kollektive Anfertigung einer künstlerischen Arbeit auf Basis einer flüssigen und formbaren Materialität in einer Kunstgalerie. Die Plastizität der Kunst im Zuge der Plastifizierung der Welt geht einher mit einer gesellschaftlichen Transformation hin zu einer „flüssigen Moderne“ (Zygmunt Bauman), die unseren Alltag bis in die Gegenwart prägt.

Das Verbindende der drei Filme ist die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und der Art und Weise, wie er unser Zusammenleben verändert und die Gesellschaft stratifiziert hat. Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek © Bildrecht Wien, 2024

Der zweite Teil der Filmtrilogie beginnt mit Nahaufnahmen von vermeintlichen Kunststoffbahnen und ihren Strukturen. Anschließend erscheint dieselbe Kunstgalerie als Ausgangsort im Bild. Diese wird jedoch von den Partizipant*innen verlassen, die sich im Garten eines Stadtpalais versammeln. Inhaltlich nimmt der Film sowohl Bezug auf das Mikroplastik, das unsere Meere verseucht hat, als auch auf unseren Umgang mit Nutzpflanzen und die Natur als eine vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft.

 

Im dritten Film wird in England die Kernfamilie reflektiert, anhand einer Analyse der spezifischen Architektur des Reihenhauses. Über die Kritik an der unbezahlten Sorgearbeit von Frauen und in erneuter Referenz auf die italienisch-amerikanische Philosophin und Aktivistin Federici wird die Idee kommunaler Sorge anhand von historischen Beispielen lanciert.

 

Der titelgebende Satz „Go to work on an egg“ ist ein Zitat aus einer der bekanntesten britischen Werbekampagnen der Nachkriegszeit. Nachdem sich die Landwirtschaft erholt hatte, wurden Eier nicht mehr staatlich rationiert, sondern man hat ihren regelmäßigen Konsum werbetechnisch forciert. Der Slogan, der dazu animierte, jeden Arbeitstag mit einem Ei zu beginnen, war durch Plakate und Werbespots in Radio und Fernsehen in den 1950er- und 1960er-Jahren omnipräsent. Der Ausspruch verweist zudem auf die punktgenaue Zeitmessung, die essenzieller Teil der kapitalistischen Arbeitswelt ist. Mit dem Bild des Eis in der Wirtschaft Großbritanniens gelingt den Künstler*innen eine Metapher für die langsame Transformation der britischen Wirtschaft und Gesellschaft vom Keynesianismus zum Neoliberalismus nach Friedrich von Hayek, wie er unter Margareth Thatcher in den 1980er-Jahren propagiert wurde und auch den Rest Europas erfasst hat. Die zum titelgebenden Themenkomplex konzipierten Sitzmöbel wurden von Haugeneder und Kreinecker gemeinsam mit Lucas Schmid vom Werkbüro produziert.

 

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Go to work on an egg

Julia Haugeneder mit Magdalena Kreinecker, Matteo Sanders und Lucas Schmid

Ort: studio, Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz

Laufzeit: 09.03. – 02.06.2024

Kuratiert von Roman Grabner

 

Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz

www.neuegaleriegraz.at

 

Einen ausführlicheren Pressetext sowie Bildmaterial finden Sie unter: Go to work on an egg

 

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Mit herzlichen Grüßen

 

Daniela Teuschler

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